Fotografin Wiebke Haas im Gespräch
Sie gilt als eine der großen Pferdefotografinnen unserer Zeit, ihre Bilder werden mit internationalen Auszeichnungen honoriert und erscheinen in renommierten Verlagen, Zeitschriften, Magazinen, Kalendern sowie Galerien weltweit – die Rede ist von Wiebke Haas. Dabei begann ihr Weg in die Tier- und Pferdefotografie nach eigenen Angaben noch nicht einmal mit einer Kamera – vielmehr zeichnete sie zunächst wie verrückt.
Überall waren Wiebkes Scribbles und Zeichnungen zu finden – auf Rückseiten von Arbeitsblättern, freien Flächen in der Tageszeitung oder zwischen den Zeilen im Schulhefter. An Kreativität mangelte es ihr also noch nie. Aber auch die Liebe zu den Tieren – besonders die Pferde haben es ihr angetan – ist eine ihrer großen Leidenschaften. So war es auch nur eine Frage der Zeit, durch die Tierfotografie beides zu verbinden.
Bereits während ihres Abiturs hatte sich Wiebke zu diesem Schritt entschlossen, daher begann sie direkt nach ihrer Schulzeit eine Ausbildung zur Fotografin. Auch wenn sie Ihren Ausbildungsbetrieb sowie die Zeit dort als furchtbar empfand und sich noch während der Ausbildungszeit von diesem Betrieb trennte, bestand Wiebke erfolgreich ihre Gesellenprüfung und begann gleich danach ihren Weg in die Selbstständigkeit.
Man könnte jetzt noch so vieles über Wiebke Haas schreiben, die heute vor allem an ihren Fotoprojekten sowie für Verlage arbeitet und ihr umfangreiches Wissen über Tier- und Pferdefotografie bei ihren Coachings und in Lehrbüchern weitergibt. Aber lassen wir sie doch lieber selbst zu Wort kommen mit ihren Antworten auf meine Fragen:
Hallo Wiebke, zunächst einmal vielen Dank, dass Du mir einen Teil Deiner raren Zeit schenkst. Kommen wir daher gleich zur ersten Frage. Wie ist Deine Leidenschaft zur Pferdefotografie entstanden?
Hallo Dietmar, danke für die netten Einleitungsworte 🙂 Mein Herz schlägt vor allem für Pferde und Tiere. Ich wurde quasi mit dem „Pferdevirus“ geboren – nicht heilbar und sehr lebensbestimmend. Die Fotografie hat sich als die für mich beste Möglichkeit etabliert, meine Liebe für die Tiere mit anderen Menschen zu teilen. Anfangs habe ich mich vor allem durch Zeichnungen ausgedrückt. Aber ich wollte noch enger mit den Models arbeiten und sie auf eine Bühne stellen, die für alle sichtbar ist.
Was fasziniert Dich gerade an Pferden?
Ihre Ästhetik, Eleganz und das liebe Wesen der Pferde hat mich immer schon berührt. Sie treten in einen aktiven Dialog mit dem Menschen und können dabei unglaublich lieb und euphorisch sein aber auch stur, eigensinnig oder witzig. Aber ich denke, dass es vor allem das Symbol der Freiheit ist, welches ihnen immer wieder zugesprochen wird. Der Traum von wirbelnden Mähnen, geblähten Nüstern und feurigen Augen inspiriert. Auch wenn das natürlich eine vom Menschen poetisierte Vorstellung ist. Denn die meisten Pferde dürften wohl kaum von ihrer wahren Natur und ihrer angeborenen Freiheit kosten.
Auch außerhalb der Fotografie hast Du mit Tieren zu tun – Katzen, Hund und Pferd nennst Du Dein eigen. Inwiefern kommt Dir das bei Deiner Fotografie zu Gute?
Wenn ich Glück habe, rennt meine Hündin beim Fotografieren nicht durch’s Bild. Spaß 😉 Meine Stute hat mich damals zusammen mit ihrer Herde erst zum Fotografieren gebracht. Ihr kann ich in erster Linie dafür danken, dass sie mein Herz so sehr zum Brennen entfacht hat, dass ich gar nicht anders konnte, als Tierfotografin zu werden. Außerdem sind Tiere großartige Wegbegleiter. Sie helfen dabei, sich selbst besser zu reflektieren und gefühlvoller mit den Lebewesen umzugehen. Außerdem ist es für einen Tierfotografen umso wichtiger, die verschiedenen Verhaltens- und Ausdrucksweisen seiner Models zu kennen. Ohne fachliches Know-How wird ein Shooting mit Tieren sehr schwierig oder im schlimmsten Fall sogar unfair dem Model gegenüber.
Was ist bei der Pferdefotografie für Dich die größte Herausforderung?
Die „äußere“ Herausforderung besteht darin, an fremden Höfen geeignete Fotohintergründe und -Umgebungen zu finden und passend zu Wetter, Licht und Motiv das bestmögliche Foto aus der Situation zu zaubern. Manche Tiere zeigen gleich ihre Schokoladenseite, andere verbergen ihre wahre Schönheit anfänglich und brauchen etwas länger, um sich zu entfalten. Fingerspitzengefühl ist gefragt, wie intensiv man ein Tier um eine Pose oder eine Reaktion bitten kann und wann einfach nichts mehr geht. Die „innere“ Herausforderung besteht darin, sich selbst weder in Routine noch toxischem Ehrgeiz zu verlieren. Routine kann schnell zu einem Stillstand führen und das macht mich als kreativen Menschen nicht glücklich. Ich möchte mich fortwährend ausdrücken und neue Erfahrungen, Erkenntnisse und Sichtweisen teilen.
Auf der anderen Seite steht aber der Ehrgeiz, der einem ins Ohr flüstert, beim nächsten Shooting ein noch krasseres, imposanteres Bild zu zaubern. Unaufhörliches Streben nach dem Höheren und Besseren ist meiner Meinung nach für den Geist sehr schädlich und – vor allem – wenn man mit Tieren arbeitet überhaupt nicht angebracht. Es wird also eines Tages der Punkt kommen, an dem alle Wunschmotive bereits dutzendfach fotografiert sind. Ich habe gelernt, dafür dankbar zu sein. Es gibt absolute Lieblingsmotive in meinem Archiv, die einfach nicht reproduzierbar sind und bei denen ich mein absolut Bestmögliches gegeben habe.
Statt ein bestehendes Bild in irgendeiner Art und Weise versuchen zu „toppen“, konzentriere ich mich lieber auf das Hier und Jetzt und versuche, jede Situation für sich zu betrachten und natürlich auch zu meistern. Es wird Tage geben, an denen man nicht mit dem nächsten Knallermotiv nach Hause kommt, was total normal ist. Die Welt wird sich trotzdem weiterdrehen.
Um der anfangs erwähnten Routine dennoch nicht aufzulaufen, habe ich z.B. damit angefangen, Videos zu verschiedensten Themen rund um die Fotografie, Selbstständigkeit und anderen Themen zu machen, die mir auf dem Herzen liegen. Außerdem schreibe ich Fachartikel und Bücher und eröffne mir so einen ganz anderen Kanal, meine Kreativität zu nutzen.
Welche Tipps kannst Du Amateur- und Hobbyfotografen für gelungene Pferdebilder geben?
Der wichtigste Tipp meinerseits ist es, mit Plan an ein Shooting zu gehen. Spontan mit Kamera auf eine Koppel zu gehen, wird vielleicht zu einigen netten Impressionen grasender Pferde führen, aber in den seltensten Fällen zu spektakulären Motiven. Die müssen nämlich inszeniert und tiergerecht vorbereitet werden. Auf meiner Website lernen.wiebke-haas.de gibt es jede Menge kostenloser Blogbeiträge mit handfesten Tipps und Tricks. Auf meinem YouTube-Kanal warten mittlerweile viele Videos auf Tierfotografen, die etwas lernen möchten.
Was war dein bisher außergewöhnlichstes Erlebnis bei einem Pferdeshooting?
So genau kann ich mich gar nicht festlegen. War es vielleicht meine erste Reitbeteiligung, die Appaloosastute „Spanish“, die mir bei einem meiner ersten Fotoversuche ihr Fohlen präsentierte? Oder meine eigene Stute „Feliz“, die frei vor meiner Kamera stieg und sich daran erfreute, wie ich sie voller Freude bestaunte? Vielleicht war es aber auch eine Stute ohne Augen, eine Fohlengeburt oder die Pferde, die mich auf der Almwanderung so lieb begleitet haben.
Für viele Fotografen:innen bist Du Vorbild. Wer in der Pferdefotografie aber inspiriert Dich besonders und weshalb?
Tim Flach ist für mich der mit Abstand begnadetste Tierfotograf unserer Zeit. Seine Bilder sind nicht nur aus technischer Sicht perfekt. Er hat ein unverwechselbares Auge für Komposition, Harmonie und schafft es, seinen tierischen Models menschengleiche Gesichtszüge zu entlocken. Seine Tierportraits betrachtet man nicht nur von einer Seite – denn sie schauen zurück. Ich bin froh, bei ihm gelernt haben zu dürfen.
Welche Rolle spielt für Dich das Equipment bei der Pferdefotografie und welches bevorzugst Du?
Solange ISO, Blende und Verschlusszeit frei einzustellen sind und eine 200mm f/2.8 Linse mit Autofokus davor sitzt, ist eigentlich alles ok 😉 Equipment ist für mich nicht sonderlich wichtig. Jedoch bedarf es für „Beauty-Shots“ gerade von Pferden schon gewisser technischer Grundlagen.
Selbstbestimmung war immer wichtig für Dich, daher hast Du Dich schon sehr früh selbständig gemacht. Hast Du dies und den frühen Zeitpunkt jemals bereut?
Es kann sein, dass ich zwischendurch etwas verunsichert wurde – entweder durch Kommentare von außen („Brotlose Kunst“) oder die eigene Ahnungslosigkeit mit Anfang 20. Aber meine Ausbildung hat mir zum Glück gleich zum Anfang ganz eindringlich klar gemacht, dass das Arbeiten für jemand anderen als einem selbst einfach nicht erstrebenswert ist. Heute bin ich mehr als froh, nie von diesem Weg abgekommen zu sein. Ein „9 to 5 job“ kommt für mich überhaupt nicht in Frage.
Du bist inzwischen eine der erfolgreichsten Pferdefotografinnen und hast schon so viel erreicht. Welche Ziele hast Du für die Zukunft?
Ich habe gehört, der Job als Kanzlerin wird bald frei? 😉 Ich möchte in Zukunft noch mehr Bewusstsein erlangen und in Ruhe neue Projekte umsetzen. Was genau es wird, weiß ich selber noch gar nicht konkret. Es gibt aber schon schleierhafte Ansätze.
Welchen Rat möchtest Du zum Schluss angehenden Fotograf:Innen noch mit auf den Weg geben?
Bietet keine Dumpingshootings für 50€ oder 100€ an. Schreibt keine Deutschlandtouren für eure kostenlosen Portfolioshootings aus. Im Ernst! Damit missachtet ihr euch und eure Leistung und sorgt dafür, dass Fotografie in der Gesellschaft als etwa Beliebiges, frei Verfügbares wahrgenommen wird. Lasst euch Zeit beim Lernen und sucht im Bekanntenkreis nach Fotomodels. So hat es bei mir auch geklappt. Zum Merken: Keine! Kostenlosen! Shootings!
Kontakt:
Wiebke Haas · Animal Photography
lernen.wiebke-haas.de
https://www.youtube.com/c/WiebkeHaas/videos