Constanze Röhm im Interview
Wenn es um die gesunde Ernährung unserer Tiere geht, haben wir als Pferdehalter oft tausend Fragen. Angesichts des riesigen Angebotes an Haupt-, Ergänzungs- und Zusatzfuttermitteln verlieren wir schon mal den Überblick. Dann ist es gut, wenn es jemanden gibt, der sich mit der Pferdeernährung auskennt und Antworten auf unsere Fragen geben kann. Constanze Röhm ist so jemand, denn die studierte Pferdewissenschaftlerin führt seit vielen Jahren die größte wissenschaftliche Beratung für Pferdeernährungs- und Gesundheitsfragen im deutschsprachigen Raum und seit einiger Zeit auch das Tierwissenschaftliche Institut.
Einige Jahre lebte und studierte Constanze Röhm in den Niederlanden und England, wo sie u.a. Landwirtschaft sowie Pferdewissenschaften (BSc Equine Studies & Business Management) studierte und an der renommierten University of Essex zum MSc Equine Science graduierte. Als Dozentin lehrte sie u.a. an einem Institut der Wageningen University im Bereich Betriebswirtschaftslehre für Pferde sowie Pferdeernährung. Sie gilt als Spezialistin für Gastrointestinalerkrankungen und deren Entstehungsmechanismen und ist gern gesehener Gastredner an vielen deutschen Fakultäten.
Constanze Röhm, die selbst einen kleinen Bestand an Pferden ihr eigen nennt, hält als Referentin und Dozentin außerdem Vorträge, Seminare und Webinare für Pferdebesitzer, Stallbetreiber, Therapeuten, Tierärzte und Trainer. Ihre Seminare werden beinahe von allen Kammern und Verbänden als Fortbildung anerkannt und zur individuellen Beratung von Pferdehaltern und Tierärzten reist sie im Rahmen ihrer Fahrpraxis durch ganz Europa. Aber nicht nur das, als Expertin und Autorin berät und schreibt sie außerdem noch für namenhafte Fachzeitschriften zu Fragen der Ernährungs- und Trainingslehre.
Das alles klingt nicht nach einem normalen Acht-Stunden-Arbeitstag, daher sind wir sehr dankbar, das Constanze Röhm sich bereit erklärt hat, einige für uns wichtige Fragen zu beantworten:
Frau Röhm, Pferde sind einfach wunderbare Geschöpfe und sie faszinieren uns auf unterschiedlichste Weise immer wieder aufs Neue. Daher fühlen sich viele Menschen von diesen edlen Tieren magisch angezogen. Wie haben Sie zu den Pferden gefunden und was fasziniert Sie an ihnen?
Ich glaube, meine Schwester ist schuld, denn sie ging als erste reiten und ich (als nervige kleine Schwester) bin irgendwann mitgegangen. Das ist allerdings schon bald 40 Jahre her. Mittlerweile haben wir insgesamt 8 Equiden „in der Familie“ und erfreuen uns jeden Tag daran. An unseren Equiden verzaubert mich am meisten ihr Charakter und ihre Wahrhaftigkeit.
Als Pferdewissentschaftlerin läßt Ihnen ihr Beruf wahrscheinlich nicht so viel Zeit für Ihre eigenen Pferde, wie sie gerne hätten. Was unternehmen Sie dann in Ihrer Freizeit mit Ihren Vierbeinern?
Ich sehe meine Pferde schon viel, da ich sie zuhause habe. Das ist ganz wunderbar. Wenn das Wetter es zulässt, reite oder fahre ich normalerweise zwei Pferde pro Tag. Wir wohnen in einem der schönsten Ausreitgebiete in Deutschland – der Eifel. Als passionierter Reiter und Fahrer gehe ich am liebsten Langstrecken. Ob Ausritte, Wanderritte oder Wanderfahrten – und wir sind auch schon zu Fuß gegangen. Ein schönes Wanderreitersprichwort lautet: „Draußen sieht man die Wahrheit“. Das kann ich so unterschreiben. Dazu bilde ich mich auch selber permanent fort. Ich versuche also trotz aller Arbeit pro Jahr noch so 3-4 Kurse zu reiten oder zu fahren.
Für das Wohlergehen unserer Pferde ist die artgerechte Haltung eine wesentliche Voraussetzung. Alternative Haltungsformen wie Offenstall, Paddock Trail oder Aktivestall spielen dabei eine immer wichtigere Rolle. Wie leben Ihre eigenen Pferde und was bedeutet für Sie artgerechte Pferdehaltung?
Meine Pferde leben große Teile des Jahres als Gruppe in unserem Offenstall / Aktivstall und gehen im Sommer ganztags auf die Weide. Allerdings kann ich sie alle auch einzeln über Nacht aufstallen. Je nach Wetter hole ich sie über den Winter auch schonmal ein paar Nächte rein, wenn ich den Eindruck habe, dass es ihnen zu schaffen macht. Gerade den alten Pferden tut das dann auch sichtbar gut. Das Seniorpony hat zudem ganzjährig eine Box, wo nur er hinein kann und was er auch ganzjährig zum schlafen aufsucht.
„Gute und Artgerechte Fütterung ist gelebter Tierschutz“ haben Sie einmal gesagt. In der Tat spielt die Ernährung auch bei unseren Pferden eine wesentliche Rolle für deren Gesundheit. Angesichts des riesigen Angebotes an Haupt-, Ergänzungs- und Zusatzfuttermitteln können wir aber leicht schon mal den Überblick verlieren. Wie soll ich mich am besten verhalten, wenn ich unsicher bin?
Das wichtigste ist die Bildung. Je mehr ich weiß, desto sicherer kann ich mich im Bereich der Ernährung bewegen. Fütterung ist Handwerk, keine Raketentechnik. Sobald man eine gute Basis hat, sieht man Probleme früh und kann auch schnell handeln. Beinahe alle Produkte, die man so kaufen kann, sind gold wert, wenn man sie zur richtigen Zeit einsetzt. Blinder Einsatz „weil man mal was gelesen hat oder das Etikett so schön ist“ ist aber in der Regel rausgeschmissenes Geld und kann auch gesundheitsschädlich sein.
Als Fütterungsexpertin führen Sie u.a. unabhängige Futterberatungen durch. Wie sehen diese in der Regel aus?
Eine gute Futterberatung beginnt immer am Pferd. Man schaut sich das Pferd und seine Haltung an, fasst das Pferd auch durchaus an und beobachtet eine Weile sein Verhalten. Seriöse Futterberater zeichnen in der Beratung eine große Menge an Parametern auf. Vom Zustand über die Futtermittel, die Menge, Erkrankungen, Verhalten, Leistung u.s.w., das sind hunderte einzelne Abfragen. Aus diesem großen Datenberg produziert man eine Empfehlung, die ebenfalls schriftlich erfolgt und dem Kunden bei Bedarf auch die Zusammenhänge näher erläutert. Sowas dauert ca. 1,5 Stunden vor Ort und ca. 1-2 Stunden Datenaufbereitung später im Büro pro Pferd.
Wenn ein Pferd bereits erkrankt ist, erfordert dies sicher eine besondere Ernährung. Wie aber sollte die Fütterung eines gesunden Pferdes normalerweise aussehen?
Gras, Heu, Stroh und Mineralfutter. Kraftfutter brauchen wir nur, wenn die Raufutterration des Pferdes den Bedarf nicht deckt. Fertig. Es ist wirklich unspektakulär. Und wenn man möchte, kann man noch eine Möhre füttern. Oder zwei.
Frau Röhm, Sie engagieren sich nicht nur mit Ihrer wissenschaftlichen Beratung für Pferdeernährungs- und Gesundheitsfragen für das Wohl der Pferde, sondern sind noch Mitglied im Ethikfachbeirat und unterstützen aktiv Equiwent Schmiede ohne Grenzen e.V. Sie waren lange als Bundesdeligierte der Vereinigung der Freizeitreiter und Fahrer e.V (VFD) und auch bei Standpunkt Pferd aktiv. Wie schaffen Sie das und welche Zukunftspläne haben Sie noch?
Ehrenamt ist wichtig. Ich nehme daher seit Jahren ca. 10% meiner Freizeit für ehrenamtliche Tätigkeiten und investiere sie in Tierschutz und gesellschaftliche Themen. Wichtig ist für mich immer, dass das Ehrenamt auch etwas bewegt und man sich nicht nur selbst beweihräuchert oder selbst verwaltet, sondern dass man einen gesellschaftlichen Mehrwert erzeugt. Ich empfinde meine ehrenamtliche Tätigkeiten deswegen als angenehme Pflicht – und außerdem ist es ungemein befriedigend, mit guten Leuten zusammen an einer guten Sache zu arbeiten. Es ist mein Dienst an der Gesellschaft – kann ich nur jedem empfehlen.
Welchen Rat möchtest Du zum Schluß anderen Pferdefreunden noch mit auf den Weg geben?
Ich beobachte mit Sorge die Theoretisierung des Pferdes an sich und den Wissensfetzenkonsum, Instagram-Bildchen Walla-Kleidchen. Dabei gerät das Pferd als Lebewesen komplett in den Hintergrund. Deswegen: Weniger reden, mehr reiten. Und im Zweifelsfalle auch einfach mal das Pferd fragen.
Vielen Dank Frau Röhm, das Sie sich die Zeit für unsere Fragen genommen haben.
Wenn du noch mehr über Constanze Röhm und ihre Arbeit als Futterberaterin erfahren möchtest, findest du weiter Informationen auf ihrer Website.