Tanja Schwarz im Interview
Sie ist eine echte Frohnatur, reitet schon, seit sie 4 Jahre alt ist und hat u.a. bei Beat Mäder, Jean Claude Dysli und J.F. Pignon gelernt. Zunächst war Tanja Schwarz als Bereiterin und Pferdewirtin unterwegs und machte verschiedene Ausbildungen im sozialen Bereich. Als sie 2018 aber zum ersten Mal mit Eseln und Mulis in Berührung kam, war sie so fasziniert von diesen Tieren, dass sie sich komplett auf Mulis und Esel spezialisiert hat.
Im April 2019 kaufte sich Tanja mit Feivel ihr erstes Maultier und heute ist sie selbst eine bekannteste Maultier- und Eseltrainerinnen. Mit ihrem Esel-Muli Ausbildungszentrum in Semriach, zahlreichen Fachartikeln über Mulis und Esel und vor allen Dingen der Facebook-Seite Feivel der Muliwanderer ist sie inzwischen zu einer gefragten Botschafterin für Esel und Mulis geworden. Sogar einen speziellen Sattel hat Tanja für die Tiere entwickelt.
Somit hat sich Tanja noch so einiges für die Zukunft vorgenommen. Was dies nun im Einzelnen ist und wie sie konkret von den Pferden zu Mulis und Eseln gekommen ist, das wollte ich jetzt genau wissen. Darum habe ich Tanja Schwarz einige Fragen gestellt:
Hallo Tanja, erst einmal vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für meine Fragen nimmst. Du hast schon sehr früh mit dem Reiten begonnen und auch bei bekannten Pferdetrainern gelernt. Wie bist Du dann zu den Eseln und Mulis gekommen?
Hallo und vielen Dank für das Interview. Also ganz richtig ist es nicht, dass ich erst 2018 das erste mal mit Eseln und Mulis in Berührung gekommen bin. Um ehrlich zu sein, war mein erstes Reittier ein Esel, „Brunello“ hieß er und war von meinem Großonkel. Auf diesem Esel habe ich meine ersten Reitversuche gemacht. Später habe ich normale Reitschulen besucht, die keine Esel hatten sondern Pferde und dort habe ich dann zunächst den Bezug zum Esel verloren.
Erst Jahre und viele Wandlungen in meinem Leben später kam ich wieder in den Kontakt mit Eseln und Mulis, da ich mich vom Turnierreiten abgewandt und dem Wanderreiten und Säumen zugewandt habe. Dadurch kam in mir der Wunsch nach einem Muli auf – wobei ich ehrlich gesagt nicht glaubte, dass ich mir wirklich je eines kaufe. Es wahr wohl eher ein Running Gag, wenn ich in den Ställen sagte: mein nächstes Pferd wird ein Muli.
Eines Tages aber, als ich auf der Suche nach einem Pferd wahr und im Internet die Inserate durchlas, sah ich Feivel. Keine Stunde später, hatte ich völlig blindlings die Anzahlung überwiesen und meine Reise begann tatsächlich mit einem Maultier – und zwar mit Feivel.
Mit Feivel hast Du ja ein besonderes Maultier an Deiner Seite, dass auch schon eine gewisse Berühmtheit erlangt hat. Was ist das Besondere an Feivel?
Feivel ist einzigartig. Ich denke, er ist dieses einmal im Leben Tier von mir. Ich hatte schon viele Pferde, egal ob selber besessen oder in Ausbildung und mittlerweile kenne ich auch viele Mulis und Esel, mit denen ich arbeite oder gearbeitet habe, aber Feivel übertrifft sie alle. Es ist seine ganze Art, sein Charakter, seine Showqualitäten und seine Fähigkeit, Menschen zu begeistern. Das ist wirklich etwas, was nur er kann.
Wenn ich Besuch bekomme und alle 4 Mulis da stehen, sind die meisten immer von Feivel fasziniert – sie fühlen sich magisch von Ihm angezogen. Feivel hat mich gelehrt, völlig anders über Equiden und deren Ausbildung zu denken und mir unfassbar viel Ruhe gegeben. Er hat aus mir definitiv einen besseren Trainer, Equidenmenschen und Menschen an sich gemacht.
Maultiere und Maulesel sind ja nicht dieselben Tiere. Worin genau unterscheiden sie sich?
Maultiere stammen aus einer Pferdemutter und sind, da sie von der Mutter sozialisiert sind, unter Pferden zu halten. Sie glauben also, sie sind Pferde. Maulesel hingegen sind aus einer Eselstute und durch die Eselstute sozialisiert, daher glauben sie, sie seien Esel und sollten aus diesem Grund unter Eseln gehalten werden. Optisch gibt es keinen Unterschied nur alleine durch die Mytochondrien lässt sich testen, welches Tier die Mutter des jeweiligen Mulis wahr. Mulis ist übrigens der Überbegriff beider Tiervarianten. 🙂
Im Vergleich zu Pferden werden Esel und Mulis von Laien oft als stur und eigenbrötlerisch bezeichnet. Wo liegen denn die wesentlichen Unterschiede im täglichen Umgang und bei der Ausbildung zwischen diesen Tieren?
Wir Menschen neigen dazu, alles als stur zu bezeichnen, dass nicht sofort unsere Wünsche erfüllt. Tatsächlich sind Mulis und Esel absolut nicht stur. Dem Esel fehlt einfach die hirarchische Herdenstruktur, wie sie bei Pferden vorhanden ist. Uns Menschen fällt es einfach leichter, mit Tieren zu arbeiten, die von sich aus einen Chef oder einen Führer akzeptieren. Bei Eseln jedoch gibt es das nicht. In einer Herde von Eseln sind alle gleichberechtigt und je nach Situation wägt die Gruppe ab, wer gerade der Führer ist und wem man vertrauen kann.
Und genau das wird den Eseln im Umgang mit dem Menschen zu Verhängniss, dass er jede Situation neu abwägt, ob es sich lohnt , ob es vertrauensvoll ist und sinnhaft, etwas mit dem Menschen zu tun oder gar das, was der Mensch von ihm möchte. Ein Esel fordert deutlich mehr Geduld, Konstante und Fairness ihm gegenüber, als ein Pferd dies fordert. Und daran scheitern viele Menschen, da dies bedeutet, dass man sich als Mensch sehr gut reflektieren muss, um nicht am Ende doch das Tier zu drücken, ziehen oder sogar mit Gerte zu treiben.
Mulis sind dann noch eine Klasse mehr, denn bei Mulis weiss man nie, welches Verhalten, welchen Charakter oder welches Herdenbewusstsein das Tier vererbt bekommen hat. Das heisst, ein Muli kann sich verhalten wie ein Pferd oder wie ein Esel und auch alles dazwischen. Dies bedeutet, dass wir Menschen nicht nur 2 Lernkoffer packen müssen (den Ich-Koffer und den Pferd- oder Esel -Koffer), sondern wir brauchen 3 Koffer (den Ich-, den Pferde- und den Esel-Koffer).
Mit TS-Konzept hast Du eine eigene Ausbildungs-Methode entwickelt. Was genau müssen wir uns darunter vorstellen?
Es ist keine echte Methode, sondern eine Hilfestellung für Menschen, sich selbst besser erkennen zu können und Ihre Wirkung gegenüber dem Tier. Das TS-Konzept hilft dem Menschen, egal nach welcher Methode er arbeitet – ob er Horsemanhip macht oder cklickert – sich besser und klarer auszudrücken, geduldiger zu werden – sich selbst und dem Tier gegenüber und zudem das Tier besser lesen zu lernen. Etwas, was ich durch die Arbeit mit scheuen, wilden und verwilderten Mulis und Eseln lernen durfte: ICH bin das wichtigste Teil einer jeder Methode! Und jede Methode ist abhängig von der Umsetzung durch den Menschen!
Eine artgerechte Haltung ist für alle Tiere wichtig. Worauf müssen wir bei der Haltung von Eseln und Mulis besonders achten?
Esel sind Südländer und stammen aus kargen, steinigen Gebieten Afrikas, z.B. dem Atlas Gebirge. Das heisst, die Tiere sind enorm gute Kletterer, vertragen Hitze unheimlich gut und verwerten karges Futter sehr gut. Dies bedeutet, sie haben Probleme mit kühlem, nassem Wetter, wie wir es oft haben und benötigen daher Schutzmöglichkeiten in Form eines guten Stalles oder sogar einer Regendecke. Auch sind unseren saftigen Wiesen und unser tolles Heu oft deutlich zu viel für die Tiere. Daher neigen sie im zentraleuropäischen Raum zur Verfettung und wir sollten Esel eher karg halten, mit begrenztem Weidegang und gut geschützt vor der nassen Jahreszeit.
Bei Mulis ist es je nach Vererbung, ob sie mehr nach dem Pferd oder dem Esel kommen, aber der Durchschnitt ist ebenso leichtfuttrig. Ansonsten hält man Maultiere ganz normal wie Pferde in Pferdeherden, und Maulesel in Eselherden. Mulis brauchen keine Mulis als Gefährten, sie erkennen sich untereinander NICHT.
Pferde werden in der Regel zum Reiten und im Reitsport genutzt. Wie sieht das bei Eseln und Maultieren aus, wozu werden sie am häufigsten eingesetzt?
Der Esel hat eine sehr lange Geschichte mit uns Menschen. Schon bevor wir Menschen Pferde domestizierten, haben wir den Esel bereits als Nutztier endeckt. Seit gut 5000 Jahren trägt und zieht er alles, was wir von Ihm verlangen und dennoch gibt es bis heute kaum Bücher oder Studien, wie man Esel korrekt und gesunderhaltend reitet. Der Esel bleibt unter den Equiden das am meisten genutzte Tier dieser Familie. In China wird er für Arbeit und für das Fleisch gezüchtet und importiert, in Afrika und Asien als Zug-, Pack- und Reittier und in Zentraleuropa meistens als Rasenmäher usw…
Das Muli hingegen wurde immer als Reit- und Lasttier sowie Zugtier eingesetzt. Man wollte ein Tier, dass so zäh wie der Esel ist und so schnell wie das Pferd, so stark wie ein Kaltblut, aber so Genügsam wie der Esel. So züchtete man vorrangig aus Kaltblütern Mulis, um Tiere zu bekommen, die fähig waren, lange Distanzen zu laufen und dabei aber stark genug waren, das Feld zu pflügen und mit wenig oder minderwertigem Futter zufrieden waren. Erst später wurden Mulis aus leichteren Pferden gezüchtet wie PRE oder Quarter, Paints, usw… – insbesondere für Distanz- und Wanderritte. Heute findet man Mulis in allen Sparten der Reiterei, doch gerade in Deutschland sind Mulis bei der FN nicht turnierberechtigt, und somit nur im Freizeitsektor zu finden. Ihre grösste Stärke bleibt das Distanz-, Wander- und Freizeitreiten.
Im April diesen Jahres hast Du dich zu Fuß mit Feivel auf eine ungewöhnliche Reise gemacht. Wie bist Du auf die Idee gekommen und was war Deine Motivation dazu?
Nach Corona und der ganzen Zeit wollte ich einfach raus, ich wollte mir endlich meinen Traum vom eigenen Hof erfüllen, nur wusste ich nicht wo und wie. Also dachte ich mir, dann lauf einfach los durch die Welt und dann findest du ihn bestimmt, den Hof. Und so war es tatsächlich. (Auch wenn nicht direkt auf der Reise gefunden)
Mittlerweile hast Du Dich zu einer echten Expertin für Esel und Mulis entwickelt. Wie sehen Deine Pläne für die Zukunft aus?
Ich möchte weiterhin für Esel und Mulis eine Stimme sein, ich möchte, dass diese Tiere gleichwertig behandelt werden und mehr geachtet. Zusätzlich möchte ich Tieren, die nicht mehr vermittelbar sind, da sie verwildert, ängstlich oder skeptisch sind, kostenlos und ehrenamtlich ausbilden und ihnen so die Chance geben auf einen Endplatz, nach mir. Und natürlich möchte ich auch meine TS-Konzept anderen Menschen näher bringen, um so vielen Tieren und Menschen, egal welcher Gattung, zu helfen, besser zu kommunizieren.
Welchen Rat möchtest Du zum Schluss anderen Pferde- und Mulifreunden noch mit auf den Weg geben?
Hört nie auf zu lernen, seid immer wissbegierig und offen für Neues. Und seid im Umgang mit den Tieren humorvoll, lacht über eure Fehlbarkeit und lächelt die Perfektheit der Tiere an.