Michaela Koelbl im Interview
„Erst wenn sich Menschen und Pferde sicher fühlen, sind sie in der Lage, ihre größten Hürden zu überwinden. Ich wühle nicht in ihren Schwächen, sondern suche die versteckten Potentiale und bringe sie zum Vorschein. Den Rest macht die Natur.“ Dieses Aussage von Michaela Koelbl verrät schon so vieles über ihre persönliche Einstelllung und auch ihre Arbeit. Seit fast drei Jahrzehnten ist sie als mobile Trainerin und Coach unterwegs und hilft Pferden und Menschen mit den unterschiedlichsten Problemen.
Schon als Jugendliche hat sich Michaela auf die Suche nach Inspiration und Anregungen bei den unterschiedlichsten Trainern gemacht. Mit 19 Jahren reiste sie schließlich in die USA und lernte dort drei Jahre lang bei ihrem außergewöhnlichen Mentor Don Barnes sowie später auch bei anderen namhaften Trainern den einfühlsamen Umgang mit Pferden. Heute ist Michaela eine weltweit geschätzte Pferdetrainerin, Coach für Leadership und Profi für das Verladen von Pferden. Mit Der ultimative Verlade Ratgeber* hat sie sogar ein Buch dazu geschrieben.
Ein wichtiger Meilenstein in Michaelas Leben war 2010 die Chance, mit Wildpferden in Namibia zu arbeiten. Hier fand sie das, wonach sie schon immer gesucht hat – den Schlüssel für tiefgreifende Verhaltensänderung und Problemlösung. Daraus entwickelte sie eine Methode, die es ermöglicht, Pferden auf Instinktebene zu begegnen und selbst größte Probleme innerhalb kürzester Zeit zu lösen. Das interessiert natürlich jeden Pferdefreund und auch wir wollten wissen, wie Michaela dies umsetzt. Daher haben wir ihr einige Fragen gestellt:
Michaela, Pferde ziehen viele Menschen magisch an, weil diese Tiere einfach besondere Geschöpfe sind. Wie bist Du selbst zu den Pferden gekommen und was fasziniert Dich an ihnen?
Mit 8 fing es an. Das erste Pferd war ein Quarter Araber Hengst, den wir (meine Familie und ich) bei uns zu Hause hatten. Und danach ging meine Lernreise los. Ich besuchte von da an viele Kurse, verbrachte meine Ferien bei Trainern in Deutschland und wusste, dass ich irgendwann einmal Pferde trainieren will. Ihre Sensibilität, ihre Kraft, ihre Neugierde und ihr Wunsch, uns verstehen zu wollen, hat mich schon immer fasziniert.
Obwohl wir das wissen, dass Pferde nach wie vor stark von der Natur und den eigenen Instinkten geprägt sind, wird ihr Verhalten leider immer noch zu oft fehlinterpretiert. Du hast u.a. mit Wildpferden in Namibia gearbeitet – was ist daher aus Deiner Sicht wichtig beim Umgang mit diesen sensiblen Tieren?
Das Wichtigste für mich ist, dass wir den Pferden vor allem zuerst Raum geben (das beinhaltet sowohl räumliche Distanz, als auch eine nicht verurteilende innere Haltung. Zu viel Nähe macht Stress. Auch bei den domestizierten Pferden.
Oft wird Verhalten fehlinterpretiert, weil wir uns zu sehr auf die Details konzentrieren und das große Bild verlieren. Die Wildpferde haben mich gelehrt, sie mehr zu lassen, mehr zu beobachten und weniger zu formen. Erstmal das, was sie anbieten, zu nehmen und Dinge mehr passieren zu lassen.
Die Wildpferde stehen für den Instinkt und die Natur aller Pferde. Bei den Wildpferden ist das noch in Takt und im Gleichgewicht, was man daran erkennt, dass sie keine Verhaltensauffälligkeiten haben. Anstatt also die Instinkte zu unterdrücken, was die meisten Pferdebesitzer aus Unsicherheit oder Unwissenheit tun, wäre es besser, die Instinkte zu integrieren und zu lenken, was aber beinhaltet, dass die Menschen auch mit ihrer eigenen Natur verbunden sind… Im Prinzip basiert meine ganze Arbeit auf diesem einfachen Konzept.
Seit vielen Jahren hilfst Du Pferden und Reitern mit den unterschiedlichsten Problemen. Wie sieht Deine Arbeit konkret aus und was macht Dir besonders viel Freude dabei?
Seit fast dreißig Jahren fahre ich zu meinen Kunden und helfe ihnen vor Ort. Da geht es um Verständigungsprobleme, Unsicherheiten (von Mensch und Pferd) am Boden, unter dem Sattel und am Hänger.
Ich vermittle Prinzipien, die auf alle Bereiche übertragbar sind. Das geht es sehr viel um Energie, Klarheit und natürlich auch um Technik (Letzteres spielt aber eher eine untergeordnete Rolle). Die Absicht dahinter ist wichtiger, denn die kommt bei den Pferden an.
Ich liebe es Menschen zu helfen, ihre Pferde zu lesen, damit sie intuitiv wissen, was sie jetzt in diesem Moment tun müssen. Und es berührt mich immer sehr, wenn ich sehe, dass Pferde, die vorher ängstlich, aggressiv oder sogar total blockiert waren, auf einmal wieder aufmachen und anfangen, uns zu vertrauen… Das Größte für mich ist es, wenn die Menschen durch die Arbeit mit ihren Pferden einen neuen Zugang zu sich selbst finden. Da fließen dann nicht selten auch Tränen…
Viele Pferdefreunde haben Probleme, ihr Pferd sicher zu verladen. Was sollten sie beachten, damit dies allen Beteiligten leichter fällt? Als Expertin in diesem Bereich kannst Du uns sicher einige Tipps geben.
Das ist ein sehr großes Thema und auch wieder nicht. Das Wichtigste für mich ist eine stabile Verbindung vom Strick (also unserer Hand) und den Füssen des Pferdes. Wenn die da ist, verliert auch der Hänger sein Drama. Mir geht’s immer um die Bewegung der Füsse – um Nachgiebigkeit – und das hat ganz viel mit Timing zu tun, und das wiederum mit unserer Fähigkeit, präsent zu sein.
Ganz konkret hier einige Tipps zum Verladen: gute Vorbereitung ist alles. Das heißt, kein Zeitdruck, optimale Trainingsbedingungen und gutes Equipment sind essentiell. Und im Zweifel geht’s darum, dass wir uns Hilfe holen, bevor wir aus Unsicherheit oder Überforderung neue Probleme schaffen.
„Erst wenn sich Menschen und Pferde sicher fühlen, sind sie in der Lage, ihre größten Hürden zu überwinden“ hast Du einmal gesagt. Wie können sie diese Sicherheit erreichen?
Natürlich fängt die Sicherheit damit an, dass wir wissen, was wir tun. Ich sage immer: Wenn du weißt, dass dein Pferd weiß und dein Pferd weiß, dass du weißt, ist alles ok. Es ist diese Grundüberzeugung, dass egal was passiert, nichts passieren kann, weil ich am Ende des Tages einen Plan habe – und der kommt mit der Erfahrung.
Sicherheit bekommen wir nur, wenn wir uns auf den Lernprozess einlassen und uns die Erlaubnis geben, zu experimentieren (ggf. mit einem Trainer). Erst dann können wir unser eigenes Gefühl entwickeln, unseren ganz persönlichen Stil. Erst dann sind wir authentisch und erst dann kann unser Pferd uns lesen und verstehen.
Der Trainer ist m.E. dafür verantwortlich, diesen sicheren Raum zu schaffen – wie beim Pferd – das geht damit los, dass die Menschen wissen, dass sie nichts falsch machen können, egal was sie tun. Das heißt aber auch, dass sie Vertrauen zum Lehrer haben, der sie notfalls auffängt. Dieses Gefühl führt zu einer Grundentspannung, aus der heraus fast alles möglich ist.
Du hast dich bereits sehr früh bei namhaften Trainern weitergebildet. Wer in der Pferdewelt hat dich am meisten inspiriert und weshalb?
Mein erster und wichtigster Mentor war Don Barnes aus Oregon. Er war einer von den alten Horsemen und er hatte ein unglaubliches Gespür für Pferde und Menschen – hat sie immer intakt gelassen, nie verbogen. Er wusste immer genau, was sie brauchten. Bei ihm habe ich vor allem gelernt, wie wichtig die freie Vorwärtsbewegung ist und wie man sie wieder bekommt, wenn man sie verloren hat.
Von Gaetan Gauthier (Reiningtrainer aus Texas) habe ich gelernt, wie wichtig es ist, das Problem hinter dem Problem zu lösen. Leslie Desmond (Schülerin von Bill Dorrance) steht für Energie. Es ist phänomenal, wie unsichtbar sie mit Pferden kommuniziert und welches Band sie innerhalb kürzester Zeit zu wildfremden Pferden knüpfen kann. Von ihr habe ich gelernt, wie wichtig meine Position und meine Absicht bei der Arbeit mit Pferden ist. Joe Wolter weiß, wie man den Druck rausnimmt – ein ganz großes Prinzip bei mir, besonders bei der Arbeit mit „Problempferden“ und gestressten Menschen…
Damit sich unsere Pferde wohlfühlen, sollten wir ihnen eine möglichst artgerechte Haltung bieten. Wie sieht diese für Dich aus?
Viel Auslauf mit Artgenossen (ohne Zaun dazwischen), regelmäßiger Zugang zu Raufutter, körperliche und geistige Arbeit je nach Pferdetyp.
Welchen persönlichen Rat möchtest Du zum Schluss anderen Pferdefreunden noch mit auf den Weg geben?
Lass das Pferd im Pferd und lerne mit den Instinkten umzugehen, denn dann wird dein Pferd dir vertrauen.
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