Alexandra Lohr im Interview
Fast jeder Pferdefreund kennt das Zitat von Buck Brannaman: „Dein Pferd ist ein Spiegel deiner Seele. Manchmal wird dir nicht gefallen, was du siehst, manchmal aber doch.“ Pferde sind als Herdentiere Meister des sozialen Miteinanders und so in der Lage, feinste Signale wahrzunehmen. Wir können ihnen daher nichts vormachen, denn sie erkennen stets unsere wahren Gefühle. Diese Eigenschaften machen Pferde daher auch zum idealen Partner beim pferdegestützten Coaching.
In der Vergangenheit war Alexandra Lohr selbst als Führungskraft vielen Herausforderungen ausgesetzt. In Führungsseminaren lernte sie zwar allerhand Techniken kennen, doch die „Menschenführung“ gelang ihr damit nur bedingt. Erst der Kontakt zum Pferdegestützten Coaching brachte für sie die Wendung. Durch die Pferde als Coach konnte sie Führung hautnah erleben, dadurch begreifen und erfolgreicher denn je umsetzen.
Seit 2014 ist Alexandra Lohr nun selbst Trainerin für pferdegestütztes Coaching und hilft zusammen mit ihren Pferden anderen Menschen bei der Persönlichkeitsentwicklung. Sie ist einer der wenigen, die Deutschlandweit das systemische Pferdegestützte Coaching als Hauptberuf ausübt und zudem auch anderen das Coaching mit Pferden lehrt. Auf Hof Siedental hat sie dazu ein wahres Paradies geschaffen, auf dem sich auch ihre vier Pferde Don Quijote, Eufemia, Henry und Chocolate Tiffin wohlfühlen. Idyllisch gelegen, inmitten der Felder und Weinberge, lädt der ehemaliger Aussiedlerhof dazu ein, die Zeit mit allen Sinnen zu genießen.
Es ist auf jeden Fall ein spannender Weg, den Alexandra Lohr hier eingeschlagen hat. Um mehr darüber zu erfahren, habe ich ihr einige für mich wichtige Fragen gestellt:
Frau Lohr, Pferde sind besondere Geschöpfe, von denen wir vieles lernen können. Wie sind Sie zu den Pferden gekommen und was fasziniert Sie an ihnen?
Mein erster bewusster und auch prägender Kontakt zu Pferden war als Kind im Alter von ca. 6 Jahren auf einem Ponyhof. Als ich 8 Jahre alt war, überließ meine Tante meiner Mutter und mir ihre Stute Funny. Meine Tante zog nach Hamburg in die Innenstadt und wollte Funny vorerst nicht mitnehmen. Sie wurde hauptsächlich von Reitbeteiligungen versorgt, da ich ihr mit 8 Jahren reiterlich noch nicht gewachsen war. Doch zog mich jede freie Minute, mit dem Fahrrad, in ihre Nähe. Ich verbrachte viel Zeit dabei, ihr und den anderen Pferden vom Koppelrand aus zuzusehen. Als ich ein wenig älter war, durfte ich auch hin und wieder auf ihr reiten. Meine Tante holte sie letztendlich doch nach Hamburg. Dort ist sie kurze Zeit darauf verstorben.
Ich habe nie richtig reiten gelernt. Wenn man das Wort „richtig“ hier überhaupt so einsetzen darf. Ich drücke es mal so aus. Die klassische Reitlehre habe ich nie durch einen Reitlehrer beigebracht bekommen. Alles was ich heute kann, habe ich selbst gelernt oder durch die Pferde gelehrt bekommen. Doch verbringe ich viel Zeit auf dem Rücken der Pferde und reite durch die freie Natur. Und wohl sind es meine obersten Werte Freiheit und Natur, die ich durch die Pferde erlebe und erfüllt werden. Im privaten und mittlerweile auch im beruflichen Kontext. Über die Jahre hinweg habe ich mich vor allem in der Bodenarbeit weitergebildet und studiere derzeit Tierpsychologie, mit dem Schwerpunkt Pferd.
Was mich fasziniert an diesen Tieren ist, dieses feine Gespür für Echtheit und Kongruenz. Die Pferde blicken uns Menschen in die Seele und lassen sich durch den äußeren Schein nicht trügen. Sie nehmen uns einerseits in unserer Ganzheit war und dennoch entgeht ihnen nicht die leiseste Veränderung in unserer Gestik, Mimik und Haltung. Pferde sind höchst würdevolle, wohlwollende und auch geduldige Lebewesen. Um es kurz auszudrücken: Für mich gibt es eine Welt zwischen Himmel und Erde, und dort leben die Pferde.
Als Führungskraft waren Sie auf der Suche nach dem „richtigen Weg zur Menschenführung“. Wie entstand letztendlich die Idee, selbst mit Pferden Coachings für Führungskräfte anzubieten?
Durch einen großen Zufall, oder vielleicht war es auch Bestimmung. Ich war ziemlich jung bereits Führungskraft und habe einige Seminare bei bekannten Führungskräftetrainern besucht, um mich dort weiterzubilden. Doch ich wurde das Gefühl nicht los, dass es noch mehr geben muss als „Techniken“ und Führungsinstrumente. Da bin ich auf eine Frau gestoßen, die Führungskräftetrainings mit Pferden anbot. Sie arbeitete in den Coachings mit einer Friesenherde. Als ich von ihrer Arbeit in einem Magazin las und mir ihre Bilder ansah, kam in mir eine große Sehnsucht auf, wieder mit Pferden in Kontakt zu sein. Nachdem Funny verstorben war, hatte ich nur noch sporadisch Kontakt zu Pferden.
Auch faszinierte mich die Pferderasse Friese bereits seit jeher. Kurz um: Ich wollte diese Methode kennenlernen. Und so begegnete ich als Klientin meinem heutigen Pferd Don Quijote und dem Pferdegestützten Coaching zum ersten Mal. Nach bereits wenigen Coachingeinheiten mit den Pferden veränderte ich meine innere Haltung dem Thema Führung gegenüber und mir gelang meine Rolle als Führungskraft immer besser.
Zum damaligen Zeitpunkt war ich Geschäftsführerin in einem eigenen Unternehmen und zudem als Coach in der Akademie eines Franchiseunternehmen tätig. Ich war von der Methode des Pferdegestützten Coachings so fasziniert, dass ich mich dazu entschloss, diese Methode selbst zu erlernen. Nachdem meine Zwillinge auf die Welt gekommen waren und ich mich beruflich in eine neue Richtung entwickeln wollte, war der richtige Moment gekommen und ich bildete mich aus zum Pferdegestützten Coach. Seit 2014 biete ich nun die Persönlichkeitsentwicklung mit Pferden an. Sei es für Einzelpersonen oder Teams im privaten oder auch im beruflichen Kontext.
Im Bereich der Führungskräfteentwicklung wird bereits seit vielen Jahren auf das Pferd gesetzt. Wie müssen wir uns so ein Coaching mit Pferden überhaupt vorstellen?
Ja, das ist eine gute Frage, die mir häufiger gestellt wird und immer wieder lande ich bei der Antwort, dass es erlebt werden muss, das Coaching mit Pferden, um es zu begreifen. Doch um Ihre Frage zu beantworten, möchte ich natürlich darauf eingehen. Was ich in einem Pferdegestützten Führungskräftetraining auf keinen Fall vermitteln möchte sind (Führungs-)Techniken. Im Gegenteil sogar. Ich möchte die Teilnehmer zum einen erleben lassen, dass Führung eine Frage der inneren Haltung ist und neben fachlicher Kompetenz in seinem Bereich, hauptsächlich die inneren Fähigkeiten, auch Ressourcen, Soft Skills oder soziale Kompetenzen genannt, notwendig sind, um sich auf die Vielseitigkeit der Führungsrolle einlassen zu können.
Zudem möchte ich Führungskräften vermitteln, dass es den einen Führungsstil nicht gibt, der auf alle Personen zutrifft. Es geht darum, seinen eigenen Führungsstil zu finden, indem die Person wirkungsvoll, authentisch und glaubwürdig ist! Hinzu kommt, dass sich die Führungskraft individuell, situativ und intuitiv auf seine Mitarbeiter einlassen kann und daher müssen die sozialen Kompetenzen trainiert und auch gefördert werden.
In unserer heutigen Zeit werden sehr häufig Menschen in eine Führungsposition „befördert“, da sie sich selbst aufgrund guter Leistung in diese Position gearbeitet haben. Natürlich ist die Fähigkeit, sich selbst zu führen sehr wichtig als Führungskraft, doch befähigt Selbstführung noch lange nicht, andere Menschen sicher und vertrauensvoll zu entwickeln und zu fördern. Häufig in eine Führungsrolle befördert, beginnen die Probleme.
Auch erlebe ich Führungskräfte, die förmlich krank werden in ihrer Position, da sie auf die Menschenführung nicht vorbereitet wurden und hier die eigene Leistung nicht mehr erbracht werden kann. Da zudem Führung heute allein über eine hierarchische Ebene nicht mehr gelingt, die Menschen als individuelle Persönlichkeiten wahrgenommen und wertgeschätzt werden möchten, benötigt die Führungskraft vor allem Fähigkeiten wie Empathie, Intuition, Achtsamkeit, Klarheit, Beständigkeit, Bewusstheit, Vertrauenswürdigkeit und viele weitere soziale Kompetenzen.
Wer bereits mit Pferden zu tun hat weiß, dass diese gerade im Zusammensein mit uns diese Fähigkeiten fordern und unsere (Führungs-)Qualitäten prüfen, um sich vertrauensvoll auf uns einzulassen. Und genau aus diesem Grunde setze ich das Wesen Pferd mit in die Führungskräftetrainings ein. Dabei lasse ich die Klienten in einen freien Kontakt mit Pferden treten. Das bedeutet in der Regel ohne Hilfsmittel wie Halfter oder Strick. Diese Begegnung begleite ich mit lösungs- und klientenorientierten Fragen um die eigene Reflektion auf die eigene Wirkung, auf die innere Haltung, auf Handlungsmuster und Glaubenssätze zu unterstützen.
Auch hier geht es darum, ohne fachliche Expertise oder Techniken, dem Pferd Sicherheit zu vermitteln und sein Vertrauen zu erlangen, damit die Führung des Pferdes oder auch der Kontakt zu diesem mühelos gelingen kann. Dabei machen wir uns stets der Potentiale, der vorhandenen Stärken und Ressourcen des Klienten, bewusst. Im Allgemeinen gibt es jedoch keine Beschreibung oder einen Leitfaden für ein solches Training. Ich lasse mich stets individuell auf meine Klienten in dem Coaching ein und nutze das Feedback der Pferde, um den Prozess klientenzentriert zu begleiten. Dabei kommen im Schwerpunkt systemische, handlungs- und erlebnisorientierte Methoden zum Einsatz.
Pferde sind der Schlüssel zur Persönlichkeitsentwicklung. Welche Voraussetzungen müssen die Tiere für das pferdegestütztes Coaching eigentlich mitbringen?
Da ich deutschlandweit arbeite, bin ich des Öfteren auch in Standorten tätig, in denen ich mit mir fremden Pferden zusammenarbeite. Grundsätzlich ist jedes Pferd von seinen Fähigkeiten in der Lage, den Menschen in einem Coaching zu begleiten, doch habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Pferde besonders geeignet sind, die in einer pferdefreundlichen Haltung leben und auch im Umgang durch den Menschen respektvoll und würdig behandelt werden. Pferde, die hauptsächlich für den Sport oder die Schulstunde eingesetzt werden oder bei ihrem Besitzer ausschließlich „funktionieren“ müssen, lassen sich auf die Prozesse in einem Coaching nicht frei und daher nicht förderlich mit ein.
Für mich ist es wichtig zu erleben, dass die Pferde den Menschen unvoreingenommen begegnen. Das Pferd sollte uns in einem Coaching nichts recht machen wollen, der Konditionierung folgen oder gehorchen müssen. Ich strebe ja ein Feedback auf die Haltung, die Präsenz und die Wirkung der Klienten durch die Pferde an. Und eine solche Kooperationsbereitschaft von einem Pferd setzt eine wohlwollende Haltung des Pferdes uns als Menschen gegenüber voraus. Hinzu kommt, dass ich die Pferde so frei wie möglich in einem Coaching einsetze. Das bedeutet, dass auch die Pferde es gewöhnt sein müssen, sich frei auf einem Platz oder in der Halle zu bewegen.
Haltung, Gesundheit und Ernährung sind wesentliche Punkte für das Wohlergehen eines jeden Pferdes und beeinflussen auch unser Zusammensein. Wie leben Ihre Pferde und was bedeutet für Sie artgerechte Pferdehaltung?
Da kommt bei mir innerlich gleich wieder die Frage auf, ob es artgerecht überhaupt gibt. Für mich tatsächlich ein schweres Thema. In eine solche Diskussion bin ich öfters mit mir selbst gegangen und denke heute sehr nüchtern darüber. Die Überlegungen beginnen bereits bei der Fläche, die für die Pferde bereitgestellt wird. Wir haben überall Zäune drumherum und das Pferd wird am Weiterziehen und somit auch an seinem ursprünglichen Verhalten gehindert. Meiner Meinung nach ist in der Pferdehaltung keine Fläche groß genug, um artgerecht zu sein.
Dann geht es weiter bei den Herdenmitgliedern. Alle von den Menschen zusammengestellt. Rasse- und Charaktertypisch völlig durchmischt. Die Pferde müssen sich in der Gruppe arrangieren. Können wir genügend Bewegung anbieten? Aufgrund der zu kleinen Flächen bleibt für die mangelnde Bewegung nur noch die Arbeit mit dem Pferd an der Hand, vom Sattel aus, an der Kutsche. Und das immer physiologisch richtig? Bei weitem nicht. Die natürliche Gangart im Schritt, ursprünglich über weiter Strecken am Tag, können wir nur schwer ersetzen.
Die Ernährung. Herrscht auf den Weiden eine Kräutervielfalt und ist das Futter dem Typ, bzw. der Rasse entsprechend angepasst? Viele Fragen, die ich zum Thema artgerecht stellen kann. Denn für mich ist artgerecht nicht nur, dass Körperkontakt zu anderen Pferden möglich ist, eine Heu ad libitum Fütterung und Koppelgang. Artgerecht ist so viel mehr. Und egal, wie ich es drehe und wende, habe ich noch keine Pferdehaltung gefunden, die ich als absolut artgerecht einstufen würde.
Ich versuche meine Haltung als so pferdefreundlich wie mir möglich umzusetzen. Meine vier Pferde leben bei uns auf dem Hof in einem Offenstall. Sie haben Ruhezonen und genügend Platz, um sich aus dem Weg zu gehen. Es steht Heu ad libitum zur Verfügung. Für unsere Pferde haben wir 4 ha Koppelfläche. Auf unserem Bewegungsplatz können wir uns aufhalten, wenn wir mal nicht gemeinsam in der Natur sind. Ich achte im Umgang mit meinen Pferden auf ganz viel abwechselnde Tätigkeiten. Wir spielen, wir gehen spazieren, wir üben Kunststückchen, wir reiten, wir machen Bodenarbeit oder wir hängen auch einfach mal nur gemeinsam rum oder dösen im Verbund.
Meine Pferde müssen nicht perfekt funktionieren und dürfen auch nein sagen oder mit mir diskutieren. Um jeden Dialog mit meinen Pferden bin ich dankbar. Nichts Schlimmeres finde ich, wenn die Pferde aufgehört haben, mit dem Menschen zu kommunizieren. Und wenn ein Pferd mir zeigt, dass es unzufrieden ist mit meiner Handlungsweise, dann liegt gerade da für mich die Chance, es besser zu machen.
Es ist etwas unglaublich Schönes, seinen eigenen Weg mit den Pferden gefunden zu haben. Sie bieten inzwischen ein umfangreiches Angebot zur Persönlichkeitsentwicklung. Wie sieht dieses im Einzelnen aus?
Ich biete bei uns auf Hof Siedental in Weingarten sowie zwischenzeitlich jedoch auch an verschiedenen Standorten in Deutschland das Coaching mit Pferden an. Da ich vor 3 Jahren noch eine zusätzliche Ausbildung im Systemischen Coaching absolviert habe, verbinde ich heute verschiedene Methoden und gehe stets individuell auf meine Klienten ein. Im Überbegriff haben Sie das Wort „Persönlichkeitsentwicklung“ richtig gewählt, denn darum geht es immer. Sei es im Kontext Führung oder in einem privaten Bereich. Es ist immer die Persönlichkeit, mit der wir arbeiten.
Spezialisiert habe ich mich jedoch auf das Teambuilding mit Pferden, das ich zwischenzeitlich auch mit dem intuitiven Bogenschießen kombiniere. Ein weiterer sehr erfolgreicher Zweig ist die Ausbildung von Systemischen und Pferdegestützten Coaches. Über das Jahr hinweg biete ich Einzelcoachings, offene Seminare und Workshops an sowie für zwei Ausbildungsgruppen im Jahr die Pferdegestützte Ausbildung und viele spannende Weiterbildungen für Coaches.
Frau Lohr, welche Pläne haben Sie noch für die Zukunft?
Zwischenzeitlich habe ich viele weitere tolle und inspirierende Trainer und Coaches an meiner Seite, mit denen ich gemeinsam die Arbeit mit den Pferden weiter in die Welt tragen möchte. Da die Räumlichkeiten bei uns auf Hof Siedental begrenzt sind, ist meine Vision, mich mit einem weiteren Hof zu erweitern, der anderen Coaches, Trainern, Pädagogen und Therapeuten die Möglichkeit gibt, dort die Arbeit mit Mensch & Tier umzusetzen und zu fördern.
Welchen Rat möchten Sie zum Schluss anderen Menschen noch mit auf den Weg geben?
• Vertraut eurem Bauchgefühl und stärkt eure Intuition.
• Bei Entscheidungen wägt die wichtigsten Fakten logisch ab. Doch danach gilt: Raus aus dem Kopf, rein ins Herz! Und ihr werdet eure Entscheidung nicht bereuen.
• Machen!
• Zwei Sätze die mir aus dem Herzen sprechen: „Das Leben ist zu kurz für später“ und „Die Energie folgt deiner Aufmerksamkeit“.
Vielen Dank Frau Lohr für Ihre ausführlichen und interessanten Antworten auf meine Fragen und natürlich für Ihr Vertrauen. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Freude bei der Arbeit mit Pferd und Mensch.
Wenn Du jetzt noch mehr über Alexandra Lohr und ihre interessante Arbeit in der Persönlichkeitsentwicklung erfahren möchtest, findest Du weitere ausführliche Informationen auf ihrer Website bewusst-wirken.