Anna Sellmeier im Interview
Anna Sellmeier hat ganz klare Vorstellungen vom Pferdetraining: „Ich möchte einem Pferd in die Augen sehen und sein Vertrauen spüren, ich möchte sehen, dass es nicht mit Druck oder Strafe gefügig gemacht wurde. Nur ein Pferd, das vertraut und keine Angst hat, kann sein volles Potenzial entfalten. Es kann zu dem werden, was es sein soll, ein wunderbares, anmutiges Geschöpf.“ Diese Gedanken machen schon deutlich, wie wichtig ihr ein respektvoller Umgang mit den Pferden ist.
Ihren Weg dahin hat Anna bei Linda Tellington-Jones gefunden, denn nachdem sie im Jahr 2010 ihren ersten Kurs zur Tellington®-Methode besucht hatte, war sie sofort begeistert. Hier fand Anna, was sie schon lange gesucht hatte: Einen respektvollen und konsequenten Weg, um mit einem Pferd zu arbeiten bzw. es auszubilden. Vertrauensaufbau ist die Basis dieser Methode und nur so möchte Anna mit Pferden arbeiten. Denn eine Beziehung zwischen Mensch und Pferd, bei der eine Partei kein Vertrauen in den Anderen hat, wird unsicher und im schlimmsten Fall sogar gefährlich.
Die Methode von Linda Tellington-Jones und der regelmäßige Kontakt mit ihr geben Anna nach eigener Aussage das Werkzeug an die Hand, um dieses Vertrauen zwischen Mensch und Pferd entstehen zu lassen. Gleichzeitig kann sie damit jedem Lebewesen den Raum und die Möglichkeit geben, sich zu entwickeln und zu entfalten. Dies sind doch gute Voraussetzungen für den Umgang mit Pferden. Deshalb wollten wir mehr über Anna Sellmeier und ihre Einstellung zu den Pferden erfahren und haben ihr einige für uns wichtige Fragen gestellt:
Anna, Pferde sind einfach wunderbare Geschöpfe und sie faszinieren uns immer wieder aufs Neue. Daher fühlen sich viele von diesen edlen Tieren magisch angezogen. Wie bist Du zu den Pferden gekommen und was fasziniert Dich an ihnen?
Meine Mutter war als junges Mädchen ein totaler Pferdenarr. Für sie war es immer klar, dass ihre Mädels mal Pferdemädchen werden. Das allererste Reitbild von mir zeigt mich im Urlaub. Als kleines Kind, heulend und schreiend auf einem Pony. Ich war von dem Gedanken also Anfangs wohl nicht so begeistert. Auch als ich mit sechs Jahren begonnen habe zu voltigieren, kam der erste Impuls von meiner Mutter. Dann hat mich der Pferdevirus aber infiziert und nie mehr losgelassen. Mit neun Jahren durfte ich die erste „richtige“ Reitstunde nehmen. An das Pferd erinnere ich mich noch, als wäre es gestern gewesen, es war eine große Warmblut- Schimmelstute namens Ramona.
Schon immer habe ich Pferde geliebt, die ihren eigenen Charakter hatten, diejenigen, die als schwierig, dominant oder stur angesehen wurden. Es hat mich fasziniert und meinen Ehrgeiz geweckt, zu diesen Pferden einen Zugang zu finden. Pferde sind so groß und stark und doch vom Wesen her so sanft. Sie haben die Möglichkeit, das Schlechte aber auch das Beste in uns zum Vorschein zu bringen. Wenn man bereit dazu ist, kann man sehr viel von Ihnen lernen, besonders über sich selbst.
An dieser Stelle ein dickes DANKESCHÖN an meine Mama für Ihre Hartnäckigkeit!
Haltung, Gesundheit und Ernährung sind wesentliche Punkte für das Wohlergehen eines jeden Pferdes und haben auch Einfluss auf den Umgang mit ihm. Was bedeutet für Dich artgerechte Pferdehaltung und wie sollte sie aussehen?
Für mich ist die artgerechte Haltung ein wichtiges Element pferdegerechter Ausbildung. Nur wenn die Haltungsbedingungen stimmen, zu denen ich auch eine artgerechte Fütterung zähle, ist das Pferd mental in der Lage, sich auf das Training einzulassen. Artgerechte Haltung bedeutet für mich auf die Grundbedürfnisse des Pferdes einzugehen, das bedeutet grob gesagt: Licht, Luft, Bewegung und Artgenossen. Heute gibt es immer mehr Angebote wie Offenställe, Aktivställe, Paddocktrails, man kann sich das Passende raus suchen, eine reine Boxenhaltung ohne freien Auslauf und den Kontakt zu Artgenossen sehe ich als absolut problematisch an. Die Aussage „mein Pferd fühlt sich im Offenstall nicht wohl, es mag lieber seine Ruhe“ höre ich öfter, da macht es sich der Mensch aber wie ich finde ein bisschen leicht. Manchmal kann es durchaus sein, dass das Pferd Schwierigkeiten in einer Herde hat, dann sollte man genau gucken, woran das liegt. Ich bin immer dafür, jedes Pferd und jede Situation gezielt zu beobachten und dann nach der besten Möglichkeit zu suchen.
Als Tier, welches von Natur aus bei Gefahr sein Heil in der Flucht sucht, stellt das Pferd besondere Anforderungen an einen artgerechten Umgang. Linda Tellington-Jones ist hier sicher ein Vorbild für viele. Was ist aus Deiner Sicht wichtig beim Umgang mit Pferden?
Für mich ist es wichtig, dem Pferd Zeit zu geben, und zwar so viel, wie es braucht. Gleichzeitig muss ich aber den Mut haben, dem Pferd zu vertrauen und ihm auch etwas zuzutrauen. Pferde merken es genau, wenn man an sie glaubt, und wenn ich ihm in einer „gefährlichen“ Situation das Gefühl gebe „Hey ich weiss das du das schaffst, oder wir schaffen das zusammen“, dann wird das Pferd viel eher bereit dazu sein, mit mir zusammen zu arbeiten. Wichtig ist es aber vor allem, dass Körpergefühl des Pferdes zu schulen, wenn es seinen Körper genau kennt und effizient einsetzen kann, dann bekommt es mehr Selbstbewusstsein. Ein gutes Körpergefühl und ein gesundes Selbstbewusstsein gibt Sicherheit. Pferde müssen dann ihr Heil nicht mehr in der Flucht suchen, sie können die Situation neu abschätzen und reagieren nicht mehr nur instinktgesteuert. Wichtig ist es, selbst auch dieses Selbstbewusstsein mitzubringen und klar und konsequent zu arbeiten. Dominanzgebahren oder Gewalt haben meiner Meinung nach in der Pferdeausbildung nichts zu suchen.
Bekannte Horsemen und Pferdemenschen dienen so manchem als Vorbild für die Ausbildung seines Pferdes. Wer sind neben Linda Tellington-Jones Deine Vorbilder in der Pferdewelt und was fasziniert Dich an ihnen?
Eine bewundernswerte Person ist für mich neben Linda auf jedenfall Ingrid Klimke. Sie reitet im hohen Sport und legt trotzdem viel Wert auf eine solide Grundausbildung. Sie arbeitet fair und man hat immer das Gefühl, ihre Pferde sind Ihre Partner und nicht einfach nur ein Weg zu ihrem Erfolg. Weiterhin bewundere ich Sally Swift, die Gründerin der Centered Riding Methode – jeder hat ihr gesagt, sie könnte niemals reiten, da sie körperlich nicht dazu fähig wäre. Sie hat es trotzdem geschafft und gleichzeitig hat sie eine Methode entwickelt, die vielen Reitern die Möglichkeit gibt, mit dem Pferd eine Einheit zu werden.
Ich bin sehr dankbar dass ich heute beruflich mit Pferden arbeiten kann.
Es ist etwas unglaublich Schönes, seinen Weg mit den Pferden gefunden zu haben. Wie würdest Du Deine Arbeit mit Pferden und Dein Konzept „Vertrauen – nicht Dominanz“ beschreiben?
Mir ist es wichtig, zu allererst mal den Istzustand zu begutachten und Pferd und Mensch dort abzuholen, wo sie gerade stehen. Pferd und Mensch sollen zu einem wirklichen Team werden. Oft liegt das Problem in der Kommunikation. Hier kann ich mit der Tellington-Methode eine tolle Basis aufbauen. Durch die Centered Riding Methode kann ich den Reiter so schulen, dass er sicher und ausbalanciert sitz. Das gibt sowohl dem Mensch als auch dem Pferd Sicherheit. Sollte bei dem Pferd ein tieferliegendes Trauma vorliegen, kann ich mit Bachblüten unterstützen. Ausserdem ist es mir wichtig, dass die Pferde auch von Ostheopathen, Tierärzten und Tierheilpraktikern durchgecheckt werden. Wenn Mensch und Pferd dann sicher, vertrauensvoll und mit Spaß zusammen arbeiten, ist das für mich das größte Geschenk.
Anna, neben Deinem gelernten Beruf in einem Steuerbüro hast Du Dich bereits vielfältig in der Tier- und Pferdewelt weitergebildet. Wie sehen Deine Pläne für die Zukunft aus?
Nächstes Jahr steht für mich ein Umzug von Wiesbaden ins Allgäu an. Ich plane hier gemeinsam mit meiner Schwester einen Therapie- und Ausbildungshof für Reiter und Pferde aufzubauen. Hier wird es auch eine integrierte Tierheilpraxis für Hunde und Pferde geben. Unser Ziel ist es, einen Hof zu führen, auf dem Kurse und Veranstaltungen zum Thema artgerechte Pferdeausbildung stattfinden. Weiterhin planen wir hier die Korrektur und Ausbildung von Kundenpferden und Reitschülern. Da es für uns enorm wichtig ist, das schon die Kinder den richtigen Umgang mit dem Partner Pferd lernen, planen wir diverse Veranstaltungen und Ferienprogramme für Kinder. Auch Aktionen für Behindertenwerkstätten und Altenheime sowie Kindergärten würden wir gerne anbieten. Gerade im Moment sind wir auf der Suche nach einem geeigneten Ort für unsere vielen Ideen.
Welchen Rat möchtest du zum Schluß anderen Pferdefreunden noch mit auf den Weg geben?
Da habe ich gleich mehere Empfehlungen:
Guckt euch die Trainer, mit denen Ihr arbeitet oder die ihr an euer Pferd lasst, genau an. Ich habe leider immer wieder Pferde im Training, die von anderen „Ausbildern“ total traumatisiert oder überfordert wurden.
Lernt erst mal eine Methode richtig. Heute kann man so viele Kurse bei so vielen verschiedenen Trainern besuchen. Ich habe festgestellt, dass das die Leute oft eher verwirrt. Ich bin immer dafür, erst mal eine Methode wirklich richtig zu beherrschen und einen klaren Weg mit seinem Pferd zu finden. Dann kann man sich Ideen und Anregungen aus dem großen Pott holen.
Vertraut euch selbst und eurem Bauchgefühl und lasst auch euer Pferd wissen, dass ihr ihm vertraut.
Riskiert es, auch mal einen Fehler zu machen und nutzt diesen dann, um daraus zu lernen. Solange ihr fair bleibt, verzeiht euch euer Pferd diesen Fehler.
Gebt euch und eurem Vierbeiner Zeit – gelernt wird in den Pausen.
Und zu guter Letzt – habt Spaß mit eurem Pferd, genießt die gemeinsame Zeit und nehmt nicht alles so ernst, falls mal etwas nicht klappt, morgen ist ein neuer Tag zum trainieren.
Vielen Dank Anna, dass Du die Zeit gefunden hast, um uns einen kleinen Einblick in deine Arbeit zu geben. Für Deine Zukunft und vor allem für Deinen neuen Hof im Allgäu wünschen wir dir alles Gute. Wir freuen uns, wenn sich dort unsere Wege wieder einmal kreuzen…