Sonja Burgemeister im Interview
Pferde, sie spielten auch in Sonja Burgemeisters Leben schon sehr früh eine wichtige Rolle. Bereits im Kindesalter begann sie ganz klassisch mit dem Reiten in der Reitschule. Wie es auch heute noch vielfach üblich ist, lernte sie in verschiedenen Reitställen, wie Pferde ausgebildet werden, wie sie in Form gebracht werden und wie sie zu funktionieren haben. Dies änderte sich erst, als sie in einen privaten Reitstall wechselte.
Hier lernte Sonja, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, Pferde auszubilden. Sie beschäftigte sich intensiv mit Natural Horsemanship nach Parelli und den Büchern von Mark Rashid. Erfolgreich wandte sie dies bei ihrem ersten eigenen Pferd an, indem sie das klassische Reiten mit dem Natural Horsemanship verband. Dennoch hatte Sonja das Gefühl, dass viele Fragen offen blieben und etwas fehlte. Erst mit ihrem neuen Pferd Nero sollte sich dann alles ändern.
Dieses Pferd zeigte Sonja ganz klar, dass es nicht einfach funktionieren würde und brachte sie immer wieder an ihre Grenzen. Da herkömmliche Ausbildungsmethoden keinen Erfolg brachten, suchte sie nach alternativen Möglichkeiten und fand den Weg zur akademischen Reitkunst nach Bent Branderup. Hier erhielt Sonja zumindest erste zufriedenstellende Antworten auf viele ihrer Fragen. Ein Ende ihre Reise war dies aber noch nicht, denn Nero zeigte ihr immer noch deutlich, dass ihm dieser recht kontrollierte Weg nicht gefiel.
Es folgten Bücher von Maksida Vogt sowie Kurse bei Sabine Birmann. Immer mehr arbeitete Sonja auf eine sehr friedliche und zwangfreie Art und Weise frei mit ihren Pferden und merkte dabei, dass dies der richtige Weg war, ihr Weg. Hier ist sie mittlerweile angekommen und mit ihren HeartHorseJourney Onlinekursen und Coaching ermöglicht sie nun auch anderen Menschen diesen Zugang zu ihren Pferden. Da uns Sonjas Weg sehr beindruckt hat, wollten wir mehr über ihre Arbeit sowie ihre Einstellung zu den Pferden erfahren. Daher haben wir sie um die Beantwortung einiger für uns wichtiger Fragen gebeten:
Sonja, Pferde sind einfach wunderbare Geschöpfe und sie faszinieren uns immer wieder aufs Neue. Daher fühlen sich viele von diesen edlen Tieren magisch angezogen. Wie bist du zu den Pferden gekommen und was fasziniert dich an ihnen?
Ja da stimme ich absolut zu. Pferde faszinieren mich tatsächlich auch schon seit meiner frühesten Kindheit. Meine Familie hat dabei mit Pferden eigentlich gar nichts zu tun. Da ich aber auf dem Land aufgewachsen bin, kam ich schon früh in Berührung mit ihnen. Meine „Babysitterin“ hatte ein Pony, auf dem sie mich als Kind über den Hof geführt hat. Ob es da gefunkt hat? Ich weiß es nicht. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es mir einfach in die Wiege gelegt wurde. Ich kann mich tatsächlich nicht daran erinnern, mal kein Interesse an Pferden gehabt zu haben. Als ich etwa 10 Jahre alt war, kümmerte ich mich mit meiner besten Freundin um verschiedene Ponys im Dorf und ab da fing ich dann auch an, im Reitverein zu reiten. Seitdem gab es keine Zeit mehr, in der ich nichts mit Pferden zu tun hatte.
Haltung, Gesundheit und Ernährung sind wesentliche Punkte für das Wohlergehen eines jeden Pferdes und haben auch Einfluss auf den Umgang mit ihm. Wie leben deine Pferde und was bedeutet für dich artgerechte Pferdehaltung?
Ich habe das große Glück und konnte im Herbst 2017 Weideflächen etwa 200 m hinter dem Haus, in dem ich lebe, pachten. Meine Pferde leben dort ganzjährig auf insgesamt 2 ha und können, sofern es die Jahreszeiten zulassen, frei grasen und haben zusätzlich 24 h am Tag Heu zur Verfügung. Artgerechte Haltung bedeutet für mich so naturnah wie möglich. Sind Pferde in einem Mangel, weil sie ein Bedürfnis nicht ausleben können, wirkt sich das in ihrem Verhalten aber vor allem auch in der Stimmung der Pferde aus. Eine artgerechte Haltung bildet die Grundlage für eine gute Beziehung zwischen Mensch und Pferd. Ich sehe das bei meinen Schülern und Kursteilnehmern. Einige hatten Probleme mit ihren Pferden, die durch eine einfach Haltungsveränderung verschwanden. Das zeigt noch einmal die Wichtigkeit der passenden Haltung für jedes Pferd. Ich sehe auch den Trend zu immer mehr Offenställen, allerdings leben dort oftmals zu viele Pferde auf zu kleiner Fläche und dazu kommt nicht selten eine hohe Wechselquote innerhalb der Herde. Das verursacht Stress und kann sich auf Dauer sehr negativ auf das Pferd auswirken. Es gibt viele Faktoren, die zu berücksichtigen sind, dennoch bin ich davon überzeugt, dass grundsätzlich jedes Pferd in einem Offenstall leben kann. Die einzelnen Faktoren müssen einfach zu den Bedürfnissen des einzelnen Pferdes passen. Wir sollten dabei bedenken, dass das Pferd in diesem Stall, den wir aussuchen, lebt. Nicht nur 1-2 Stunden am Tag in denen wir da sind, auch dann, wenn wir nicht da sind muss es sich wohlfühlen. Das finde ich sehr wichtig.
Als Tier, welches von Natur aus bei Gefahr sein Heil in der Flucht sucht, stellt das Pferd besondere Anforderungen an einen artgerechten Umgang. Was ist aus deiner Sicht wichtig beim Umgang mit Pferden?
Selbstbewusstsein. Sich über sich selbst bewusst sein. Über das eigene Denken und Handeln, über die Emotionen und Energien, die wir in uns tragen. Denn die wirken sich direkt auf das Pferd aus. Es scannt und reagiert auf das, was wir ihm entgegenbringen. Nicht erst dann, wenn wir aktiv etwas mit ihm machen, sondern schon dann, wenn wir noch einige Meter entfernt von ihm sind. Umso besser wir darin sind, desto leichter wird es, das Verhalten des Pferdes in den unterschiedlichsten Situationen zu verstehen und passend darauf zu reagieren. Dabei geht es nicht darum die Kontrolle über das Pferd zu gewinnen. Das brauchen wir dann nicht mehr. Ein Pferd wird berechenbarer, wenn wir es wirklich verstehen können. Dann, wenn wir auch kleinste Details erkennen können und wissen, wie wir darauf reagieren müssen. Wenn es merkt, dass wir es sehen und passend reagieren, wächst das Vertrauen in uns und unsere Fähigkeiten. Das Pferd bleibt ein Fluchttier, wird sich aber mehr an uns und unserer Bewertung der Situation orientieren. Ein Prozess, der seine Zeit dauert – der es aber wert ist, Zeit zu investieren.
Bekannte Horsemen und Pferdemenschen dienen so manchem als Vorbild für die Ausbildung seines Pferdes. Wer sind deine Vorbilder in der Pferdewelt und was fasziniert dich an ihnen?
Vorbilder sind für mich Pferde, nicht Menschen. Für mich bedeutet ein Vorbild zu haben, jemandem nachzueifern und das halte ich für wenig sinnvoll. Aber es gibt eine Person, die mich sehr inspiriert: Alexandra König von der Saliho School. Sie lebt authentisch das mit ihren Pferden, was sie auch nach außen trägt. Ich habe in meiner Vergangenheit viele Trainer angeschaut und auch Kurse bei ihnen belegt, doch einen wirklichen friedvollen Vertrauensaufbau konnte ich nicht erkennen. Es ging immer nur darum, das Pferd zu kontrollieren. Genau das schadet aber der Beziehung von Mensch und Pferd. Bei Frau König geht es um eine echte, friedvolle Kommunikation mit dem Pferd auf einer unendlich feinen Ebene und nicht darum, dass das Pferd durch Techniken zum Funktionieren gebracht wird. Es geht darum, sich selbst zu entwickeln und sich und das was man tut zu hinterfragen, also genau das, was mir wichtig ist. Und auch genau das, was mich so viel weiter gebracht hat mit meinen Pferden. Trotzdem bleiben die Pferde selbst meine größten Vorbilder.
Es ist etwas unglaublich Schönes, seinen Weg mit den Pferden gefunden zu haben. Wie würdest du deine Arbeit mit Pferden und dein Konzept „HeartHorseJourney“ beschreiben?
Bei meiner Arbeit geht es eher um die Arbeit mit dem Menschen. Verändert sich der Mensch, verändert sich das Pferd. Ich unterstütze die Menschen dabei, von einer unbefriedigenden, kontrollbasierten Beziehung mit ihren Pferden zu einer vertrauensbasierten Verbindung zu kommen. Die Menschen lernen dabei, sich selbst immer besser wahrzunehmen und das Verhalten des Pferdes zu lesen – und natürlich auch, wie sie darauf auf friedvolle Weise reagieren können. Es ist nicht Lektionen trainieren oder schnell Ziele erreichen, sondern mit dem Pferd leben. Das Pferd wird zum Freund, mit dem man eine richtig enge Verbindung hat und gemeinsam Aktivitäten unternimmt – oder auch einfach mal nur zusammen ist. Kein Leistungsdruck, kein Maske tragen, sondern miteinander leben und authentisch sein dürfen.
HeartHorseJourney steht vor allem für die Entwicklung des Menschen und die friedvolle Verbindung zum Pferd. Wichtigster Bestandteil ist das freie Miteinander – eine Art Freiarbeit, in der es vor allem darum geht an sich selbst zu arbeiten. Außerdem spielt das Führen, bzw. Spazierengehen eine große Rolle. Viele Pferde haben zu wenig freie Bewegungsmöglichkeiten und das Spazierengehen ist eine gute Möglichkeit um an der Beziehung weiter zu arbeiten und parallel dazu dem Pferd zusätzliche Bewegung zu verschaffen. Im fortgeschrittenen freien Miteinander – also dann wenn die Verbindung schon gefestigt ist, kommt die freie Gymnastizierung hinzu. Alles friedvoll, ohne Zwang und ohne den Einsatz von Schmerz oder Gewalt.
Sonja, Du hast bereits einen langen und abwechslungsreichen Weg mit den Pferden zurückgelegt. Wie sehen deine Pläne für die Zukunft aus?
Mein Plan für die Zukunft ist vor allem, noch mehr Menschen zu erreichen und ein neues Bewusstsein für das Leben mit Pferden in die Welt zu tragen. Auf diesem abwechslungsreichen Weg habe ich so viele schlimme Dinge im Umgang mit Pferden gesehen und auch selbst getan, weil ich es nicht besser wusste – das möchte ich in der Welt verändern. Als mobile Trainerin konnte ich da einfach zu wenig Menschen erreichen, doch durch die Online-Arbeit ist mir das mittlerweile möglich. Außerdem würde ich in den nächsten Jahren gerne auf einer eigenen Anlage mit meinen Pferden leben und Kurse/Schulungen bei mir vor Ort anbieten. Als Anlaufstelle für alle, die mit ihren Pferden ebenfalls in einer friedvolle Verbindung leben möchten.
Welchen Rat möchtest du zum Schluss anderen Pferdefreunden noch mit auf den Weg geben?
Hinterfragt. Hinterfragt das was ihr tut und was andere sagen, was ihr tun sollt. Hinterfragt, warum ihr das tut was ihr tut und was eurem Pferd das bringt. Nicht körperlich, sondern vor allem psychisch. Ihr müsst euch nicht durchsetzen, ihr müsst nicht mit eurem Pferd kämpfen. Es gibt einen anderen Weg. Folgt eurem Herzen. Dann findet ihr diesen Weg oder der Weg findet euch. Glaubt daran, dass ein friedvolles Miteinander mit Pferden möglich ist.
Vielen Dank Sonja für deine Antworten und die Zeit, die du uns geschenkt hast, um uns einen kleinen Einblick in deine Arbeit zu geben. Für deine Zukunft wünschen wir dir weiterhin alles Gute und das deine Träume in Erfüllung gehen. Wir freuen uns, wenn sich unsere Wege in Zukunft wieder einmal kreuzen…
Wer jetzt noch weitere Informationen über Sonja Burgemeister und ihre Arbeit mit Pferden und Menschen sucht, findet diese auf ihrem Facebook-Acount.