Kevin Schneider im Interview
Wenn ein Pferd schreckhaft ist, scheinbar unkooperativ oder Verhaltensweisen zeigt, die einem Angst machen, dann sprechen manche von einem „Problempferd“. Dabei gibt es eigentlich gar keine Problempferde, denn wie sagte schon Wolfgang Marlie: „Es gibt keine Problempferde oder schwierigen Pferde. Was es aber gibt, sind Pferde in Schwierigkeiten.“ Dennoch können wir mit einem solchen Pferd schnell an unsere eigenen Grenzen kommen. Auch Kevin Schneider ging es so.
Obwohl er in seiner frühesten Kindheit reichlich wenig mit Pferden zu tun hatte, erfasste ihn auf dem Hof seines Ziehvaters dennoch das Pferdefieber. So entstand recht schnell der Wunsch nach einem eigenen Pferd. Also kaufte Kevin sich in seinem jugendlichen Leichtsinn einen recht ungestümsten Junghengst, der wild auf einer Farm aufgewachsen war. Anfangs klappte alles noch ganz gut, aber als das Pferd zu Angriffen beim Longieren überging, war er ratlos und suchte Hilfe bei einem alten Bekannten.
Dieser aber ging recht rabiat mit dem Junghengst um, was Kevin überhaupt nicht gefiel. Er war sich sicher, dass es auch einen anderen Weg geben musste. Also begab er sich auf die Suche und beobachtete zunächst zahlreiche Pferde auf der Koppel und in der Natur, um herauszufinden, wie sich diese in einer Herde verhielten und nach welchen Regeln gespielt wurde. So konnte er viele Erkenntnisse gewinnen und wandte diese Erfahrungen bei seinem Jungpferd an. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten und mit einem Mal kamen die beiden viel besser miteinander zurecht.
Dennoch hielt Kevin weiterhin Augen und Ohren offen, holte sich weitere Anregungen bei anderen Trainern und fand so zur Altkalifornischen Reitweise, zu den Buckaroos und Vaqueros. Vom ersten Augenblick an faszinierte ihn diese Arbeitsreitweise und die tiefe und vertrauensvolle Bindung, die die Pferde zu ihren Reitern haben. Schon bald wurde die Philosophie des Horsemanship seine Lebensphilosophie und begleitet ihn auch heute noch. Wie dies alles möglich war, das wollten wir von Kevin Schneider wissen und haben ihm daher einige für uns wichtige Fragen gestellt:
Kevin, Pferde sind einfach wunderbare Geschöpfe und sie faszinieren uns immer wieder aufs Neue. Daher fühlt sich so mancher von diesen edlen Tieren angezogen. Wie bist Du zu den Pferden gekommen und was fasziniert Dich an Ihnen?
Vor allem fasziniert mich ihre Ehrlichkeit und Reinheit. Ein Pferd kann dich nicht belügen und entgegen der weitläufigen Meinung auch nicht bewusst hinters Licht führen. Pferde lernen aus Erfahrung, nicht mehr und nicht weniger. Hast du beispielsweise die Erwartung, dass dein Pferd buckeln wird, so wird es dich wahrscheinlich nicht enttäuschen. Pferden kann man einfach nichts vormachen, sie durchschauen dich, deine Absichten, Gefühle und Emotionen sofort. Bist du ehrlich zu ihnen, handelst fair und konsequent, so werden sie sich an dir orientieren und du gewinnst nicht nur einen Freund, sondern einen echten Partner, der für dich durchs Feuer geht.
Haltung, Gesundheit und Ernährung sind wesentliche Punkte für das Wohlergehen eines jeden Pferdes und haben auch Einfluss auf den Umgang mit ihm. Was bedeutet für Dich artgerechte Pferdehaltung und wie sollte sie Deiner Meinung nach aussehen?
Für mich bedeutet artgerechte Haltung viel Platz, frische Luft, gutes und hochwertiges Futter sowie Sozialkontakte. Für mich ist es wahnsinnig wichtig, auf das einzelne Pferd einzugehen und ihm zuzuhören. Täglich sehe ich viele Pferde in Offenställen stehen, die auf den ersten Blick wie ein Paradies erscheinen. Für einige Pferde mag dies auch wirklich ein Segen sein, aber es gibt auch genügend, die in einem Offenstall sehr gestresst sind. Hat man eine recht unruhige Gruppe, wenig Platz oder nicht ausreichend Liege- und Fressstellen, so kommt es häufig vor, dass gerade die Rangniedrigen kaum zur Ruhe kommen. Für diese Pferde mag es durchaus eine Erleichterung sein, wenn sie tagsüber mit ihren Freunden auf die Koppel/das Paddock können, aber nachts ihre eigene Box haben und hier Ruhe finden.
Als Tier, welches nach wie vor stark von der Natur und den eigenen Instinkten geprägt ist, stellt das Pferd besondere Anforderungen an einen artgerechten Umgang. Für uns als Partner ist es daher wichtig, uns auf seine Bedürfnisse einzustellen. Was ist aus deiner Sicht als erfahrener Trainer daher wichtig beim Umgang mit Pferden?
Für ein Pferd als Herdentier ist es überlebenswichtig, sich an den Erfahrenen zu orientieren – sie wissen, wo es für die Herde genug Futter und Wasser gibt und wann eine Flucht wirklich erforderlich ist, ohne wertvolle Ressourcen aufzubrauchen. Für mich als Mensch heißt dies, dass ich bestimmt und ruhig auftreten muss, mein Pferd sollte mir in allen Situationen vertrauen können und mich respektieren. Dieser Respekt sollte jedoch auf Akzeptanz, nicht aus Furcht heraus, resultieren. Für mich elementar ist ebenfalls, dass ich mit meinem Pferd emotionslos arbeite, also ohne Wut, Frustration oder ähnlichem und mein Pferd, wenn ich es lobe, mit dem ganzen Herzen lobe. Ich habe meinen Kunden immer gesagt: Legt euer Herz auf eure Hand und streichelt eure Pferde damit. In Kombination mit einer konsequenten, fairen und ruhigen Führung ist dies für mich der Schlüssel zum richtigen Umgang mit einem Pferd.
Bekannte Horsemen und Pferdemenschen dienen so manchem als Vorbild für die Ausbildung des Pferdes. Wer in der Pferdewelt inspiriert Dich am meisten und vor allem weshalb?
Buck Brannaman und Ray Hunt sind/waren für mich sehr beeindruckende Menschen, die eine ganz wunderbare Art haben/hatten, Pferde zu arbeiten. Sie sind/waren sehr deutlich und klar, in dem was sie vom Pferd wollen/wollten, aber zu jederzeit sind/waren sie dabei freundlich und bestimmt. Niemals wütend oder voller Zorn. Tausenden von Pferden haben Ray Hunt und Buck Brannaman geholfen – mit großartigen Erfolgen. Ihre ganze Art und ihre Lebenseinstellung ist/war für mich immer etwas Besonderes. Sie leben für die Pferde. Für mich zwei der besten Horsemen der Welt.
Es ist etwas unglaublich Schönes, seinen eigenen Weg mit den Pferden gefunden zu haben. Wie würdest Du Deine Arbeit mit den Pferden und Dein Konzept konkret beschreiben?
Für mich ist es wichtig, mit dem Pferd eine Basis aus Vertrauen und Respekt, basierend auf Akzeptanz, aufzubauen. Dazu gehört auch, dem Pferd zuzuhören und individuell auf das jeweilige Pferd einzugehen, es dort abzuholen, wo es gerade steht. Maßgeblich ist dabei auch zu schauen, was das Pferd umsetzen kann und was nicht und darauf Rücksicht zu nehmen. Ich möchte einen Partner an meiner Seite haben, der gerne bei mir ist und gerne mit und für mich arbeitet.
Du hast in diesem Jahr als Trainer am Mustang Makeover Germany teilgenommen, einem Event der etwas anderen Art. Was hat Dich dazu bewogen, dort mitzumachen und was hast Du für Dich selbst aus dieser Zeit mitgenommen?
Ich denke, für jeden Trainer ist es ein Traum, einmal mit einem Mustang, einem unberührten Pferd zu arbeiten und der Erste zu sein, der diesem Pferd die Welt der Menschen zeigt und erklärt. Außerdem wollte ich den Mustangs eine Stimme geben, zeigen, was diese Pferde so besonders macht. Ich habe aus dieser Zeit mitgenommen, wie wichtig es ist, seinen eigenen Prinzipien treu zu bleiben – ganz gleich, wie groß der Druck von außen ist – und dem Pferd zuzuhören. Meine Stute war lange Zeit noch nicht bereit, geritten zu werden, also habe ich ihr diese Zeit gegeben, der Wettbewerb war für mich hier ganz klar hintenangestellt.
Kevin, du hast bereits mit vielen Pferden gearbeitet und dir mittlerweile mit der KL Flying Horse Ranch ein eigenes Reich geschaffen. Wie sehen Deine Pläne für die Zukunft aus?
Ich möchte mich und meine Arbeit kontinuierlich verbessern. Ich glaube, man kann aus jeder Situation lernen – ob es nun etwas Gutes oder Schlechtes ist, was man für sein weiteres Leben mitnehmen kann. Unser Wunsch ist es, Menschen und deren Pferden mit ihren Problemen zu helfen und ihnen so zu ermöglichen, ihren Weg gemeinsam, in Harmonie und Einklang zu gehen, anstatt gegeneinander zu arbeiten. Ich möchte Pferden, die missverstanden werden, eine Stimme geben, damit der Mensch lernt, ihnen zuzuhören und ihnen das zu geben, was sie (gerade) brauchen.
Welchen Rat möchtest Du zum Schluss anderen Pferdefreunden noch mit auf den Weg geben?
Hört euren Pferden zu und lernt von ihnen. Pferde sind großartige Lehrmeister, die im Hier und Jetzt leben, sich nicht in der Vergangenheit vergraben und instinktiv handeln. Ich glaube, wir Menschen vergessen in der schnelllebigen, digitalisierten Welt oftmals, auf unser Gefühl zu hören. Doch genau das ist es, was uns bei unseren Pferden weiterbringt. Arbeitet eure Pferde mit Gefühl und mit Herz und lasst Wut, Enttäuschung und Ärger außen vor, denn sie zerstören euer gegenseitiges Vertrauen und somit auch eure Beziehung zueinander.