Fotografin Christiane Slawik im Gespräch
Zusammen mit Gabriele Boiselle ist Christiane Slawik die Grande Dame der Pferdefotografie. Seit rund 40 Jahren fotografiert sie Pferde auf der ganzen Welt und hat Maßstäbe gesetzt. Wenn man sich mit ihr unterhält, dann sprudelt ihre Begeisterung für die Pferde und ihren Beruf nur so aus ihr heraus. Dabei hat Christiane Slawik eigentlich Geografie, Kunst und Deutsch studiert, aber ein Zufall führte sie letztendlich auch hauptberuflich zu ihrer wahren Passion, den Pferden.
Von der Pike auf hat sie das Handwerk der Pferdefotografie erlernt – und das sieht man ihren ausdrucksstarken Bildern auch an. Hinzu kommt, dass die Würzburgerin seit Jahrzehnten das Verhalten der Pferde studiert und genau weiß, wie Pferde „ticken“. In einem Interview sagte Christiane Slawik einmal: „Pferde sprechen mit ihrem Körper“, und diese Sprache versteht sie nur zu gut. Das merkt man alleine schon daran, dass ihr jedes Pferd irgendwann einfach hinterherläuft.
Wenn es also um Pferdebilder geht, dann führt kein Weg an Christiane Slawik vorbei. Ihre Fotografien zieren jedes Jahr unzählige Kalender, Zeitschriften und Fachbücher auf der ganzen Welt. Daher ist es auch kein Wunder, dass sie nicht nur für Pferdeshootings weltweit gebucht wird, sondern auch ihr Fachwissen so gefragt ist. Entsprechend groß ist die Nachfrage nach ihren individuell gestalteten Fotoshootings, Fotokursen und -reisen sowie Fachbüchern.
Umso mehr freue ich mich, dass sich Christiane Slawik trotz aller Termine bereit erklärt hat, mir einige Fragen zu beantworten und uns an ihrem umfangreichen Wissen teilhaben läßt. Hier findest Du ihre interessanten Antworten, mit denen sie alles Wichtige zur Pferdfotografie auf den Punkt bringt:
Hallo Frau Slawik, zunächst vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für meine Fragen genommen haben. Kommen wir daher gleich zur ersten. Ich selbst bin erst sehr spät durch unsere 4 Töchter zu den Pferden gekommen. Wie war das bei Ihnen?
Zunächst einmal Hallo und herzlichen Dank für das Interview!
Eins nur vorneweg: Freundliches Plaudern, Schwärmen und Leidenschaft für die Pferdefotografie findet man überall mehr als genug. Klar – das finden Leser sympathisch und toll, weil es ihnen selber ja ähnlich geht. Ihr seid ja auch begeistert von Pferden und Fotografie, sonst würdet ihr das hier ja gar nicht erst lesen. Mit gezielten Schmeicheleien und Schwärmereien vertuschen jedoch diverse „Coaches“ (also fast jeder, der auf Kundenfang aus ist…) nur allzu gerne die Schattenseiten der Medaille. Das habe ich nicht vor. Bei mir müsst ihr Wahrheiten aushalten.
Dabei möchte ich euch natürlich nicht demotivieren, sondern im Gegenteil vor Fallstricken bewahren, die andere entweder ganz bewusst unter den Teppich kehren, oder es ihnen noch nicht einmal klar ist, was sie da für einen Unsinn erzählen. Hoffentlich gibts den einen oder anderen Denkanstoß! Meine Antworten werden sehr offen, ehrlich und manchmal unbequem sein.
Sicher kann nicht jeder meine Intention nachvollziehen. Beliebt macht man sich damit auch nicht unbedingt. Ich bin aber schon lange im Geschäft, habe einige Trends kommen und gehen sehen und stehe zu meiner Meinung. Viele Erkenntnisse kristallisierten sich auch erst im Laufe der Jahre heraus. Wer sich jetzt darüber empört, wird den Inhalt mit zunehmender Lebenserfahrung vielleicht besser verstehen.
Aber jetzt zu meinem Weg zu den Pferden!
Meine Mutter hat immer behauptet, ich sei bereits als Pferd zur Welt gekommen und galoppierte schon krabbelnd durchs Leben, bevor ich aufrecht stehen konnte. Mit fünf konnte ich lesen und verschlang bereits alle verfügbaren Pferderassebücher. Urlauben und Aufenthalten auf Pony- und Reiterhöfen folgte die Mitgliedschaft im Reitverein inklusive Reiterabzeichen und kleinen Turnieren.
Nach dem Abi lebte und arbeitete ich in den Semesterferien in den USA, wo ich unter anderem Quarter Horses, Vollblüter und Saddlebreds ritt und trainierte. Später setzte ich mich persönlich und journalistisch intensiv mit der Iberischen Doma Vaquera und Classica, dem konventionellen Dressur- und dem damals aufkommenden Westernreiten auseinander. Es kam durchaus vor, dass ich an einem Tag morgens zwei Grand Prix Dressurpferde, mittags einen top ausgebildeten PRE Hengst und am Nachmittag ein Quarter Horse in jeweils anderen Ställen sattelte.
Ich finde es faszinierend, wie verschieden die einzelnen Rassen für den jeweiligen Zweck und die Reitweise gezüchtet wurden, wie sich das Equipment im Laufe der Zeit entwickelt hat und wie Mentalität und Charakter des Ursprungslandes immer wieder bei jeweiligen Rasse zu Tage treten.
Sie haben sich ganz auf die Pferdefotografie konzentriert. Was fasziniert Sie gerade an Pferden?
Einfach alles. Energie, Ausstrahlung, Charakter, Ästhetik, Formen, Linien, Geräusche, Geruch, Verhalten, Leistungsbereitschaft, Rassevielfalt, Einsatzmöglichkeiten, Willigkeit, Empathie, Stärke, Elastizität…
Ich genieße Pferde in all ihren Facetten. Ihren wilden und gleichzeitig sanften Geist, ihre Schönheit, Unschuld und Neugierde und ihren erstaunlichen Willen, es dem Menschen recht machen zu wollen. Pferde sind unsere Partner. Unendlich geduldig, aufmerksam und immer bereit, ihr Letztes zu geben. Sie machen uns stolz, schenken uns Glück, Harmonie und inneren Frieden. Und wenn wir offen für ihre subtile Kommunikation sind, dann schulen sie unseren Charakter und sorgen dafür, dass wir als Menschen über uns hinauswachsen. Pferde sind nicht weniger als die erstaunlichsten Kreaturen, die ich kenne.
Früher packte ich meine Gefühle in Gemälde, heute möchte ich sie durch Fotos mit andern teilen. Vollkommen und pur. Für mich genügt ein Pferd sich selbst. Es gibt keinen Schmuck, der diese herrlichen Tiere schöner machen könnte. Er lenkt nur ab vom Wesentlichen: Dem Pferd. Einzige Ausnahme: Die originale, traditionelle Ausrüstung indigener Rassen.
Mein ganzes Leben lang habe ich diese Liebe zum Pferd gespürt und danach gehandelt. Bereits im Kunstleistungskurs habe ich sämtliche Aufgaben möglichst mit Pferden interpretiert. Auch an der Uni legte ich zur Kunst-Prüfung fast ausschließlich Pferde in allen Techniken vor. Meine Examensarbeit thematisierte „Naturalistische Pferdedarstellungen in der Bildenden Kunst“. Promovieren wollte ich mit diesem Thema nicht – Reiten war wichtiger.
Es gab berufliche Intermezzos beim Radio und einige Jahre beim Fernsehen. Arbeit verdrängte sämtliche Vierbeiner, bis ich für eine Reportage zufällig im Stall landete. Das Kauen und leises Schnauben drang an mein Ohr, das Heu duftete. Prompt schmiss ich sämtliche Karriereoptionen über Bord und organisierte mein Leben wieder rund um die Pferde herum.
Nach monatelangem Klinkenputzen bei Verlagen und Redaktionen schrieb und fotografierte ich (damals noch analog, selbst Internet gab es nicht) für diverse Zeitschriften und Verlage. Meine journalistische Neugierde ließ mich Stories aufspüren, Trends entdecken und beleuchten. Bald erschien mein erstes Fachbuch im Cadmos Verlag. Begriffe wie Horsemanship, Freiarbeit oder Pferdemassage kannte damals niemand. Ich nannte es „Beziehungstraining“ und „Druckpunkttherapie“. Eine meiner „Entdeckungen“, bei der damals viele Redakteure nur ablehnend den Kopf schüttelten. Heute gibt es keinen Fachverlag, der diese Themen nicht im Programm führt.
Viele weitere Bücher, die Themen zum ersten Mal aufgriffen, sowie internationale Produktionen rund ums Pferd sollten folgen. Jetzt stapeln sich rund 500.000 Dias im Keller. Ich bringe es nicht übers Herz, sie zu entsorgen. Zu viele Emotionen, zu viele Pferde, an die ich mich noch erinnere und von denen ich die meisten noch beim Namen kenne. Ich bin unendlich dankbar für die Stunden, die ich mit ihnen verbringen durfte.
Spätestens mit Aufkommen der digitalen Fotografie und der sozialen Medien meint so mancher, es wäre ohne großen Aufwand möglich, professionelle Pferdebilder zu machen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Früher war „Fotograf“ eine geschützte Berufsbezeichnung mit mehrjähriger Ausbildung. Heute ist absolut Jeder in der Lage, mit Hilfe moderner Kameratechnik und Software irgendeine Form von brauchbarem Bild zu erstellen. Dazu reicht ja schon ein Mobiltelefon. Und es ist nicht gesagt, dass diese Bilder schlecht sind! Aber ausgeprägtes Selbstbewusstsein, Ehrgeiz, perfekte Websites, gestyltes Logo und Social Media Erfolge eines angeblich „professionellen“ Fotografen garantieren einem Kunden noch lange nicht, dass die dort gezeigten Bilder bei einer Buchung auch zuverlässig und nicht zufällig entstehen.
Manche Bilder werden vielleicht in den Social-Media-Kanälen als Kunst gefeiert, aber selbst die neueste Software erschafft nicht automatisch gute Fotografien und echte Fotografen. Zumindest der „Look“ passt meistens schon – dank diverser „Pferdepresets“ geschäftstüchtiger Influencer. Aber ein professionell wirkendes Foto, auch zehn oder hundert, machen noch lange keinen Amateur zum Profi.
„Professionell“ bedeutet „hauptberuflich“. Das heißt, Fotografieren zum Lebensunterhalt, nicht als Hobby! Dazu braucht es ein bisschen mehr. Was einen Profi-Fotografen ausmacht, ist ein gutes Auge, fundiertes Know How in Bezug auf sein Sujet, Erfahrung und Kreativität. Er sieht die Welt mit ganz eigenen Augen und bringt dies in seinen Werken zum Ausdruck. Und die Kunden spüren und sehen sofort den Unterschied.
Technik und Computer nützen sowieso nichts, wenn on location Probleme auftauchen. Fotografiert man für Geld, muss „abgeliefert“ werden, egal welche Bedingungen herrschen. So etwas kann aber zwangsläufig nicht „Jeder“. Von der Verantwortung ganz zu schweigen. Ich glaube nicht, dass alle Semiprofis eine Berufshaftpflicht abgeschlossen haben und wissen, dass sie für alles verantwortlich sind, was während eines Shoots mit Zwei- oder Vierbeinern passiert. Die Berufsgenossenschaft listet Berufe in Verbindung mit Pferden als die Gefährlichsten. Gleich darauf folgt „Fotograf“.
Ausbaden müssen das die Kunden und es bleibt nicht selten jede Menge verbrannte Erde zurück. Viele meiner Auftraggeber verdrehen nur noch die Augen, wenn sie berichten, was ihnen Alles angeboten und versprochen wird, denn kleingewerbliche Kollegen sponsored by Daddy oder vom Ehepartner schießen überall wie Pilze aus dem Boden. 10 Pferde Waschen, Herrichten und Präsentieren. Dafür gibts 1000 kostenlose Serienbilder! Da ist jede Menge Ausschuss vorprogrammiert. Leider ist kein einziges Foto brauchbar. Auf Nachfrage heißt es dann: Dazu müssten die Bilder erst bearbeitet werden. Und das kostet natürlich.
Fotografische Begabung kann man selbst dann beurteilen, wenn eine extreme Bearbeitung überwiegend im Vordergrund steht. Unter all den Newcomern erkenne ich jedoch nur ein paar Handvoll echter Talente mit einer wirklich eigenständigen Bildsprache und neuen Ideen. Bei allen anderen können und werden aggressives, weil kostenloses Social Media Marketing nach allen Regeln der Kunst und der Reichweite, eine schicke Webseite (viele Fotografen sind ehemalige Grafiker – kein Problem), sowie ungeniertes Kopieren erfolgreicher Konzepte und Bildsprachen den erfolgreichen Start in die Selbstständigkeit zunächst durchaus ermöglichen.
Aber dauerhaft zuverlässig mehrere tausend Euro monatlich zu erwirtschaften, um Sozialabgaben, Versicherungen, Steuern etc. über Jahre hinweg korrekt abzudecken, das ist eine ganz andere Nummer. Letztendlich können nur Wenige momentan wirklich so von der Fotografie leben, dass genügend zum Leben übrig bleibt. Geschweige denn, eine Familie ernähren.
Natürlich wird im Web durchgehend ein ganz anderes Bild gezeichnet und damit die „ich-beherrsche-nach-einem-coaching-und-youtubevideos-alles-und-werde-profi“ Illusion weiter angestachelt. Während eines Fotokurses terminierte eine Teilnehmerin, die anfangs noch nicht einmal wusste, was eine Kamerablende ist und wie sich ein Pferd bewegt, auf FB bereits ihren ersten eigenen Pferdefotokurs fürs darauffolgende Wochenende. Das hat für mich nichts mit ernsthaftem, professionellem Arbeiten zu tun.
Alle diese Fotografen schaufeln auf Dauer ihr eigenes Grab. Obwohl der Bedarf an Bildern immer weiter wächst, wird und muss der Beruf des hauptberuflichen Fotografen untergehen. Unzählige, mehr oder weniger semiprofessionelle Amateure und Kleingewerbler sind nicht wirklich darauf angewiesen, wirtschaftlich zu arbeiten. Ja. Mit Hilfe der digitalen Technik kann tatsächlich jeder erfolgreich fotografieren- oder glaubt zumindest, es zu können.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass es in der Pferdefotografie nur noch darum geht, das spektakulärste Bild zu schießen, egal mit welchen Mitteln. Täuscht mich dieser Eindruck oder ist dem wirklich so?
Leider ist aus der eigentlich guten Idee der Social Networks inzwischen ein sehr fragwürdiger Wettkampf um Image, Prestige und Likes geworden und das betrifft auch die Pferdefotografie. Hinzu kommt die Tendenz, als Amateur alles genauso gut beherrschen zu wollen, wie ein Profi. Egal ob Kochen, Modeln, Fitness, Reiten oder Fotografieren. Alle streben heute irgendwie nach größtmöglicher Anerkennung.
Die meisten meiner hauptberuflich fotografierenden Kolleg*innen gehen sicher genauso vorsichtig und respektvoll mit den ihnen anvertrauten vierbeinigen Models um, wie ich. Aber die Sucht nach spektakulären Bildern fürs Web ist unaufhaltsam. Das dadurch offenbarte Nichtwissen über Pferde und ihr Verhalten ist erschreckend. Es gibt grundlegende Regeln im Umgang mit diesen Tieren, die mir bereits als Kind in der Reitschule eingebläut wurden. Aber mit sowas hält sich ja heutzutage keiner mehr auf.
Mir stehen die Haare zu Berge, wenn ich an das, von einer (angeblich professionellen) „Pferdefotografin“ auf Instagram gepostete Bild eines steigenden Pferdes auf einer winterlichen Eisplatte denke. Eine Reiterin ohne Schutzausrüstung hing irgendwie im Sattel. Darunter stand in etwa: „Was ein Glück, dass ich nicht nur Fotografin, sondern auch Trainerin bin. Die Reiterin wollte ein Bild auf einem steigenden Pferd, und da hab ich es ihm schnell beigebracht. Ist es nicht ein tolles Foto?“
Immerhin war die Reiterin volljährig. Den Begriff „Erwachsen“ möchte ich in diesem Zusammenhang lieber nicht benutzen. Ein Überschlagen oder Ausrutschen des unausbalancierten Pferdes auf dem Eis, die Reiterin ohne Helm darunter liegend – das wäre sicher auch ein tolles Foto geworden.
So etwas wird aber auch mit und von Minderjährigen gemacht! Die Eltern sind schließlich stolz, wie toll ihre Kids fotografieren und reiten. Oder sie haben keinen Ahnung, dass sie mit einem Bein im Gefängnis stehen. Aber was soll schon passieren? Schließlich weiß man ja von den Ostwind Filmen, wie einfach das Reiten auf nacktem Pferd am besten mit ausgebreiteten Armen ist. Dummerweise hat man eventuell vergessen, dem Pferd den Film zu zeigen oder es an flatternden Chiffon zu gewöhnen.
Wie entsetzlich ein schwer verletzter, nackter Fuss aussieht, wenn ein beschlagenes Pferd darauf gestanden hat, wissen wohl auch nicht viele. Es gibt tatsächlich Mütter, die ihre Kleinkinder(!) für Fotos barfuß neben Pferde stellen (natürlich im Sommerkleid mit Blümchen im Haar) und verantwortungslose Fotografen, die das allen Ernstes mitmachen und posten. Die Likes lassen schließlich nicht lange auf sich warten. Und dann war da noch das Foto von einem völlig freien Pferd mit Unterschrift wie: „Toll wie brav er beim Shooting war und das ohne Halfter direkt neben der Autobahn!“
Die Nachricht von einem ertrunkenen Friesen macht die Runde – es heißt „bei einem Fotoshoot“ in einem See. Hat er vor einem Likes produzierenden Kleid gescheut? Wieso war er nicht zu halten? Ist das Zaumzeug gerissen? Trug er überhaupt eines? Wurde er geritten? Ist der Reiter ohne Sattel und Halt ins Wasser gefallen? War der „Fotograf“ versichert? Egal. Er oder seine Eltern haften. Weitere Foto- und Medienopfer folgten. Zwei- und Vierbeinige. Welche leichtfertigen Aktionen da wohl voraus gegangen sind? Man kann es nur erahnen. In der Social-Media-Welt geht es ausschließlich darum, eine schöne, heile Welt zu zeigen. Hinter den Kulissen sieht es meistens ganz anders aus.
Ich habe in den letzten 40 Jahren Dinge mit Pferden gesehen und erlebt, die ich vorher für absolut unmöglich gehalten hätte. Kein Foto ist es wert, dafür auch nur das Geringste zu riskieren. Ich halte mich auch weiterhin daran.
Die digitale Bildbearbeitung nimmt einen immer breiteren Raum in der Pferdefotografie ein. Geht dadurch nicht ein großer Teil der Handwerkskunst Fotografie verloren?
Jeder Form von Nachbearbeitung (nicht Entwicklung) mag heute selbstverständlich sein, aber der zeitliche Aufwand ist nicht zu unterschätzen. Wer kann und will denn allen Ernstes 500 Bilder eines Shootings bearbeiten? So viele Fotos bekommen meine Kunden, wenn sie mich für zwei Tage buchen. Natürlich druckreif.
Das originale out of cam Foto muss bei mir bereits „sitzen“. Ich korrigiere beim Entwickeln vielleicht den Kontrast, über- oder unterbelichtete Stellen, mache eventuell einen Ausschnitt oder eine leichte Vignette darum. Korrigiere generell die Defizite, die ein digitales Bild mit sich bringt. Natürlich kann man noch viel weiter gehen und Bilder exzessiv mit allen möglichen Softwareprodukten traktieren, aber wird es dadurch auch besser? Nur, wenn es vorher schon gut war. Aber welcher Profi hat schon die Zeit, stunden-, ja sogar tagelang ein einziges Bild zu retouchieren? Wenn er seinen Kunden nur fünf Bilder pro Shooting zugesteht, vielleicht schon, aber das kommt für mich nicht in Frage.
Ich vermute, dass kaum 10% der veröffentlichten „professionellen“ Pferdefotogafie-Bilder ohne aufwändigere Retuschen entstanden sind. Also mit mehr als kleineren Korrekturen oder Zuschnitten. Nicht umsonst kommen viele Newcomer der Szene nicht aus der Fotografie sondern sind ehemalige Grafiker. Ein geübtes Auge sieht das sofort. Der Laie ist beeindruckt und staunt verblüfft über Bilder, die nie so fotografiert wurden. Weil man es nicht fotografieren konnte? Nichts ist echt. Noch nicht mal das Licht.
Einzelne Pferde werden nach Belieben aus verschiedenen Bildern zusammen gepuzzelt, mit Mähnentoupets versehen, die Beine und Hälse in Photoshop verbogen, das Fell bis ins letzte Detail geglättet, der Sonnenuntergang dahintergesetzt. Am Ende sieht man ein computergeneriertes, klinisch perfektes Wesen in Pferdeform. Unlogische Lichtführung und physikalisch unmögliche Aufhellungen inklusive.
Selbst totale Farblosigkeit macht aus einem RGB-Digitalfoto noch lange kein gutes Schwarz-Weiß Foto. Wie auch, wenn es doch völlig anderen gestalterischen und fotografischen Gesetzmäßigkeiten unterliegt! Aber wer ist sich dessen überhaupt noch bewußt? Wen interessiert das, wenn es Likes gibt? Dafür muss es nur als „Kunst“ oder noch besser als „Fine Art“ angepriesen werden. Ich bezweifle, dass diese „Fotografen“ wissen, was das überhaupt ist!
Natürlich ist das alles Stil- und Geschmackssache. In den USA waren derartige, gerade bei Instagram oder FB gefeierten Bearbeitungen schon mal ein Trend. In Europa hatten die künstlichen Bilder außer bei Hochzeitsfotos bisher keine Chance. Und jetzt erwecken Pferde fotografierende Influencer und Grafiker den Anschein, dass so ein Computerlook zum „Standart“ gehört? Das Internet ist voll mit solchen Bildern, weil es das likende Publikum wohl nicht interessiert, wie prachtvolle Pferde auf diesen Fotos zugunsten von romantischen Mädchenträumen zu blossen Accessoires degradiert werden. Kein einziges Tier wird so oft bewusst so verfälscht dargestellt. Kunst oder Kitsch?
Ich bemühe mich seit fast 40 Jahren darum, diesen wunderbaren Tieren durch grundlegendes fotografisches Know How und durch möglichst natürliche Wiedergabe gerecht zu werden. Sie sollen Pferd sein und Pferd bleiben. Ich vermenschliche sie nicht. Die Natur ist nicht perfekt. Pferde sind lebendige Wesen. Individuen mit Stärken und Schwächen. Das darf man auf Bildern auch erkennen.
Inzwischen ist eine radikale Bearbeitung zum Konzept der meisten Pferdefotografen geworden. Sie sollten sich vielleicht besser „Computergraphen“ nennen. Wenn diese extremen Manipulationen so weiter gehen, dann werden Menschen irgendwann mal enttäuscht sein, wenn sie vor einem echten Pferd stehen. Und das wollen wir doch alle nicht.
Ihre Pferdeshootings bereiten Sie akribisch vor und versuchen immer, das Vertrauen des Pferdes zu gewinnen. Wie gelingt Ihnen das?
Ich schaue Pferden ins Gesicht, weiß, was in ihnen vor sich geht und wie ihr Befinden ist. Man kann sie anhand ihres Ausdrucks und der Körpersprache studieren wie ein Buch. Das Tier spürt zur gleichen Zeit mein Interesse und die Spannung, es kennenlernen zu dürfen. Und weil Pferde die sensibelsten Detektoren überhaupt sind und mich und meine Empfindungen perfekt spiegeln, freuen sie sich ebenfalls auf das, was da jetzt kommt!
An einer Location tauchen bei mir sofort Bilder im Kopf auf und übertragen sich irgendwie auf das Pferd, denn meistens kann ich meine Vorstellungen realisieren. Ich will es frei in seinen Bewegungen und Entscheidungen fotografieren. Nicht generell an später retuschierten Halftern longieren. Diese Technik ist inzwischen jedoch überall üblich. Kein Wunder, denn so erleichtert man sich als Fotograf ungeheuer die Arbeit und kommt auch ohne großen Pferdeverstand zu Bildern mit Bewegung. Aber wie soll das an der Longe eingeschränkte und kontrollierte Pferd seine Persönlichkeit frei ausleben und zeigen?
Ich lasse mir meine Bilder von jedem frei laufenden Pferd schenken und es liegt an mir und meiner Routine, dass ich es schaffe, die individuellen und oft überraschenden Momente auch festzuhalten. Diesen Anspruch habe ich einfach an mich selbst. Das ist Fotografie, die dem Pferd größtmögliche Freiheit und Mitbestimmung gibt. Denn das Pferd bestimmt stets, was und wie ich fotografiere. Nicht das Geschäft oder mein Ego.
Wenn der Besitzer ein Foto will, das nicht mit den Möglichkeiten seines Pferdes im Einklang steht (z.B. einen Sliding Stop mit einem Pferd, das nur wegen seines Sattels ein „Westernpferd“ ist), dann werde ich das nicht tun. Auf der anderen Seite kann ich den Kunden auf vielfältigste Weise die Augen öffnen und Möglichkeiten vorschlagen, an die sie nicht im Traum gedacht hätten. Meine Trickkiste ist riesengroß und irgendetwas geht immer. Mit jedem Pferd.
Die Qualität meiner Bilder kommt nicht aus dem Computer, sondern resultiert aus der Zusammenarbeit mit den Pferden. Wir kommunizieren klar miteinander und sie spüren, dass ich einen Plan habe. Ich weiß genau, was ich will. So etwas finden sie als soziale Herdentiere grundsätzlich gut. Gleichzeitig stelle ich ihnen eine große Fläche zur Verfügung, auf der sie sich frei bewegen und jederzeit dem Menschen entziehen können, wenn es ihnen danach ist. Aber sie wollen das gar nicht! In der Regel überwiegen Neugierde und die Freude, sich gesund und kraftvoll zu präsentieren.
Fluchttiere genießen es, wenn sie in einem guten körperlichen Zustand sind – was wir ja bei allen Models voraussetzen. Denken Sie nur an manche Antilopen, die provokativ vor einem Löwenrudel herumhüpfen – gerade als ob sie die Raubtiere verhöhnen wollten. Diese besonderen Momente, in denen mir auch ein Pferd in seiner Sprache zeigt „Raubtier, du kriegst mich nicht…ich bin viel zu gut, um deine Beute zu werden“, begeistern mich als Fotografen.
Ich lobe das Pferd für seine tolle Show. Wir schaukeln uns gegenseitig hoch und arbeiten in ganz kurzen Reprisen. Mit Pausen und einer Maulvoll Gras dazwischen, damit es niemals hektisch wird. Kurz und knackig. Steht das Model zufällig in einem guten Winkel, bitte ich es noch einmal in Gedanken, sich für ein Portrait nach mir und der Kamera umzudrehen. Klick. Fertig.
Diese Momente gehören nur mir und dem Pferd. Ein paar Augenblicke unter guten Freunden. Meistens ist nach 5-10 Minuten alles beendet. Mehr Konzentrationsspanne kann ich von einem Tier auch nicht erwarten. Falls das Pferd keine Freude am gemeinsamen Spiel hat, dann breche ich ab, suche und finde andere Möglichkeiten für Bilder. Das passiert aber nur sehr selten – meistens bei unsicheren oder irgendwie missbrauchten Tieren.
Dass die Pferde meine Shootings in guter Erinnerung haben, höre ich auch immer wieder von den Besitzern. Denen fällt nämlich bei einem wiederholten Besuch auf, dass ihre Vierbeiner wie bei der Fütterung wache, funkelnde Augen sowie eine gewisse Körperspannung bekommen, weil die Klickerfrau wieder da ist. Kein Stress, sondern sie freuen sich offensichtlich auf das, was hoffentlich gleich passiert…
Welche Rolle spielt für Sie das Equipment bei der Pferdefotografie und welches nutzen Sie bevorzugt?
Das Equipment ist eigentlich völlig egal. Die Marke auch. Das Bild macht der Fotograf. Nicht die Kamera. Aber man muss sich damit auskennen und wohlfühlen. Ich hatte mal ein elfjährige Mädchen in einem Fotokurs, das machte mit einer 50 Euro Kamera bessere Bilder als ein versierter Semiprofi mit seiner 15.000 Euro Ausrüstung. Aber jedes Equipment hat ein technisches Limit. Und da wird man mit hochwertigeren Objektiven und Bodys natürlich weiter kommen.
Ein Fotograf muss die Grenzen seines Equipments und der Fotografie grundlegend kennen. Sonst sind Enttäuschungen vorprogrammiert. Mit dem Handy kann ich auch „mit Licht malen“, durchaus gute Portraits, Exterieur und Stimmungsbilder machen, wenn ich weiß, wie es geht und was ich dabei beachten muss! Das Portrait eines galoppierenden Pferdes, das übermütig mit dem Kopf schnickt, wird damit im besten Falle zufällig brauchbar sein. Deshalb probiere ich es erst gar nicht.
Bei meinen Shootings benötige ich die totale Kontrolle und Garantie, dass die Bilder immer und überall sitzen. Dazu gehören trotz aller Technik auch jede Menge Übung und Erfahrung. Zum Glück habe ich gut 40 Jahre davon. Bei freilaufenden Pferden (damit meine ich nicht die gestellten Steh-, Schmuse- oder nachträglich retuschierten Longierbilder), weiß ich selten im Voraus, was wo passiert.
Nicht umsonst gehört mein Hauptsujet zu den technisch anspruchsvollsten und vom Know How schwierigsten Bereichen der Fotografie: Sport und Natur. Hinzu kommen nicht selten problematische Bedingungen wie Hitze, Wasser, Sand und Staub. Der Body sollte deshalb extrem gut abgedichtet sein. Ich muss mich darauf verlassen können, dass das Equipment funktioniert. Auch wenn ich vier Monate rund um den Globus unterwegs bin. Das gibts nur in der absoluten Kameraoberklasse. Momentan fotografiere ich deshalb mit verschiedenen Bodys der Canon EOS 1 DX Reihe. Trotzdem hat ein Body schon mal wegen eines Spritzerchens Wasser auf den Seychellen schlappgemacht oder das Display einen Sturz in Arizona nicht verkraftet.
Die Objektive sind für die Qualität der Bilder noch wichtiger als der Body, aber auch empfindlicher. In Südafrika lockerten sich innen Schrauben – nichts ging mehr. Das Objektiv konnte zum Glück zwei Wochen später in Sydney repariert werden. In Abu Dhabi ist mir während einer Autofahrt im Kamerarucksack eine Objektivdichtung geschmolzen. Da hab nicht nur ich, sondern auch Canon gestaunt.
Staub und Dreck im Linsensystem stören kaum im Telebereich, aber bei geringeren Brennweiten machen sie sich leider sehr stark im Bild bemerkbar. Ist aber unvermeidlich. Ich arbeite am liebsten mit einer EF 300mm f/2,8L IS II USM Festbrennweite (für mich das mit Abstand beste Objektiv) oder auf Reisen zu fast 100% mit einem EF 28-300mm f/3.5-5.6L IS USM Zoom.
Spiegellose Kameras halten das, was ich ihnen zumute, leider noch nicht aus. Vor allem hadere ich mit der miserablen Qualität der elektronischen Sucher. Das liegt an meiner sehr speziellen Arbeitsweise. Mit Hilfe dieses groben Minibildes kann man sicher Sport oder simple, statische Schmusebilder fotografieren, die Mikromimik der Pferde jedoch lange nicht so genau erkennen, wie mit dem hellen, klaren Sucherbild einer Spiegelreflexkamera.
Ein automatischer Tieraugenautofokus und 30 Bilder pro Sekunde klingen bequem und verlockend, aber ich habe in den vielen Jahren immer wieder erfahren müssen, dass die Werbung deutlich mehr verspricht, als das Produkt dann halten kann. Filmen (30 Bilder/sek ist nichts anderes) und mir dann das beste Bild heraussuchen ist für mich keine Option. Das Erlebnis, den richtigen Moment zu antizipieren, sich darauf einzustellen, ihn dann zu sehen und mit einer Auslösung festzuhalten ist durch nichts zu ersetzen. Das Bild erhält dadurch auch für einen persönlich eine ganz andere Wertigkeit.
Kurz und gut: Ich habe einige spiegellose Modelle ausprobiert, war aber bis jetzt noch von keinem wirklich überzeugt. Das wird sich hoffentlich bald ändern. Am Ende geht es mir vor allem um eine Gewichtsersparnis. 6,4 kg (so viel wiegt mein Canon-Body mit der Festbrennweite) den ganzen Tag ohne Stativ frei vor dem Gesicht zu halten, das ist nicht nur in heißen Regionen ganz schön anstrengend…
Nicht nur in der Pferdefotografie, auch in der Reiterei hat sich in den letzten Jahrzehnten so einiges verändert, und dass nicht immer nur zum Vorteil für die Pferde. Wie sehen Sie das als ehemalige Reiterin, die durch ihre vielfältigen Kontakte einen sehr guten Einblick in die Reitsportszene hat?
Besonders toll finde ich es, dass sich viele Pferdebesitzer immer mehr mit ihren Pferden auch am Boden auseinandersetzen. Die deutlich intensivere Kommunikation und ein generelles Verständnis für die Vierbeiner sind perfekte Grundlagen für eine erfolgreiche, dauerhafte Partnerschaft auch im Sattel. Die zunehmende Popularität der Working Equitation begrüße ich sehr, denn um hier zu punkten, muss man wirklich etwas können und fundiert mit dem Pferd zusammenarbeiten.
In dem Moment, wo aber menschliche Eitelkeiten und Gier auf Kosten der Pferde befriedigt werden, hört bei mir jedes Verständnis auf. Als ich den, von überforderten Reitern und Pferden geprägten Live-Stream des modernen Fünfkampfes aus Tokyo sah, war ich von Anfang an entsetzt. Die letzte Reiterin war der Gipfel. Ich ahnte, dass die Bilder des gequälten, völlig verzweifelten Pferdes um die Welt gehen würden. Hoffentlich hat der arme Saint Boy nicht umsonst gelitten, sondern trägt dazu bei, diesem unsäglichen Sportsegment, wo lebende Wesen als Sportgeräte missbraucht werden, endlich ein Ende zu bereiten.
Auch bei der Dressur hatte ich gemischte Gefühle. Durch meine Arbeit mit Saddlebreds in den USA weiß ich genau, wie man die Bewegungsmechanik eines Pferdes manipulieren kann. Exakt diese Methoden haben einige namhafte Dressurreiter in den letzten Jahren parallel zur Rollkur für sich entdeckt. Falls man die dahinterstehende Ausbildung kennt, erkennt man sie auch sofort, wenn man sie bei einem Pferd sieht.
Selbst in der olympischen Kür gab es Reiter, die diese Konditionierung ganz offensichtlich praktiziert hatten. Anders ist der identische Bewegungsablauf verschiedener Pferde gar nicht zu erklären. Ich kann nur hoffen, dass die Richter endlich damit anfangen, diese abartigen Methoden zu identifizieren und entsprechend abzuwerten. Ebenso völlig unverständlich, dass manche Pferde während der Dressurprüfung fast durchgehend offene Mäuler und sogar heraushängenden Zungen zeigten, ohne dass es überhaupt thematisiert wurde!
Es gab aber auch olympische Lichtblicke mit leichterer Hand – soweit das bei diesen Anforderungen an das Pferd überhaupt möglich ist. Diese wurden zum Glück diesmal mit den vorderen Plätzen belohnt.
Bei Ihren Pferdeshootings gibt es wahrscheinlich wenig, was Sie noch nicht erlebt haben. Welches waren denn Ihre bisher außergewöhnlichsten Erlebnisse?
Da kann ich gerne eine Story aus meinem letzten Buch erzählen… Bilder aus Ägypten habe ich zwar viele, aber keines aus dem berühmten Tal der Könige. Eine Reitveranstalterin wollte das Motiv für ihre Website mit mir verwirklichen. Leider sind die Sicherheitsvorkehrungen in Luxor extrem hoch. Das gilt auch für Fotos. Touristen mit Handys und Kompaktkameras werden selbstverständlich geduldet. Alles andere, was auch nur im entferntesten mit professionellen Bildaufnahmen zu tun hat, ist strengstens verboten. Selbst wenn man es gar nicht auf die antiken Bauwerke, sondern nur auf die leere Wüste abgesehen hat. Erwischt einen die Security, gibt es richtig Ärger und die Bilder müssen gelöscht werden.
Die schreitenden Amenophis Statuen liegen jedoch frei zugänglich direkt an einer öffentlichen Straße. Bei uns wäre das somit kein Problem. Und hier machen wir auch nichts kaputt. Aber wie kombiniert man 12,5 Meter hohe Kolosse mit einem Pferd, das daneben winzig wirkt? Ein Weitwinkelobjektiv möglichst nahe und tief am Pferd, die Statuen gut 50 m entfernt im Hintergrund. Das verändert die Perspektive. Wir stehen sehr früh auf, investieren jede Menge Bakschisch. Am Ende liege ich kurz nach Sonnenaufgang in einer stinkenden Müllgrube nahe der Statuen.
Die feurige Stute Red steigt gerne. Dürftige drei Quadratmeter hat sie dafür am Rand eines öffentlichen Parkplatzes zur Verfügung. Den original antiken, arabischen Wollschmuck haben wir von einem Pferdehändler geliehen, um etwas Farbe ins Motiv zu bringen. Die Zeit drängt. Schon kommt die Security um die Ecke. Mohammed schnalzt mit der Gerte. Der Fuchs reagiert sofort und stellt sich auf die Hinterbeine. Ich drücke einmal ab. Eine Wiederholung ist unmöglich. Auf Geheiß der schwer bewaffneten Soldaten wühle ich mich aus dem Abfall und wechsle dabei heimlich die Karten in der Kamera. Reumütig lösche ich vor den Augen der Security die Reservekarte mit den älteren, längst gesicherten Fotos. Dann verschwinden wir so schnell wie möglich. Aber für dieses extravagante Motiv hat sich das Katz und Maus Spiel wirklich gelohnt.
In Indien haben wir bei 10 Fotoreisen so vieles Erstaunliches gesehen, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll, aber zwei Beispiele möchte ich gerne erwähnen: Körpersprache und Verhalten der ersten Marwaris, die ich fotografierte, waren so verschieden von allen anderen Rassen, dass ich einige Pferde brauchte, um sie fotografieren zu können und anfing, sie auch zu verstehen. Glauben Sie mir: In diesen Pferden steckt ein gewaltiges Level an Energie, Selbstbewusstsein und auch Aggression. Diese Rasse überfordert so manchen Europäer, der glaubt, er hätte Ahnung und Erfahrung mit Pferden. Das haben wir bei unseren vielen Besuchen mehr als einmal zu spüren bekommen.
Nie vergessen werde ich auch eine völlig durchgedrehte, gerade mit einem Laster angelieferte Marwaristute, die sich kaum berühren ließ, aber unbedingt neue Eisen brauchte. Bei uns hätte man sie sediert. In Indien gibt es so etwas nicht. Fünf Inder begannen, die Stute sanft zu streicheln. Am Kopf und jeweils ein Paar Hände an Hals und Rumpf. Nach drei Minuten stand das Pferd mit hängendem Kopf und geschlossenen Augen da und der Schmied konnte mit seiner Arbeit beginnen.
Frau Slawik, sie haben eigentlich alles erreicht, was man in der Pferdefotografie erreichen kann. Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Ich habe mich stets bemüht, neue Wege zu gehen, Regeln zu hinterfragen, etwas Anderes zu machen als alle anderen, meinen eigenen Stil zu entwickeln und Reportagen zu liefern, die sich von gängigen Strömungen unterscheiden. Und vor allem Locations zu nutzen, die noch nicht überlaufen und bereits zigfach veröffentlicht wurden. Es gibt noch so Einiges in der Welt der Pferde, von denen viele noch nicht einmal ahnen, dass es existiert.
Natürlich will ich die Rassen, wenn möglich in ihrem natürlichen Habitat fotografieren. Bei uns verblasst einfach ihre natürliche Ausstrahlung. Um diese einzufangen, braucht es die ursprüngliche Umgebung, das Klima und die dazu passende Kultur. Ich habe schon noch einige ausgefallene Ideen und Projekte, aber die Pandemie hat leider auch meine Reisetätigkeit extrem eingeschränkt.
Aber eine Tür geht zu, zwei Fenster öffnen sich! Meine Shootings sind gemessen am Zeiteinsatz relativ günstig, weil die Bilder übers Archiv Geld verdienen sollen. Außerdem bin ich nicht darauf angewiesen, extrem viel Zeit mit Bearbeitung zu verbringen. Deshalb freuen sich jetzt viele mitteleuropäische Pferdebesitzer, dass sie nicht mehr zwei Jahre auf ein Shooting warten müssen. Endlich ist genügend Zeit, vermehrt in Deutschland, Österreich, Frankreich, Tschechien oder der Schweiz zu fotografieren.
Ich wiederum finde es gut, mal ein paar Tage am Stück zu Hause zu sein und nicht permanent aus dem Koffer leben zu müssen. Ich habe viel von der Welt gesehen und dabei gelernt, unsere Heimat trotz kleinerer Mängel (als Fotograf fällt mir sofort das unbeständige Wetter ein….) immer mehr zu schätzen. Deutschland ist wunderschön und wir sind unendlich froh, hier leben zu dürfen.
Welchen Rat möchten Sie zum Schluss anderen Fotografen:Innen noch mit auf den Weg geben?
Das Wichtigste vorneweg: Alle kochen nur mit Wasser! Alle löschen nach ihren Shoots Hunderte von Bildern, genau wie du.
Fotografie ist keine Zauberei, sondern auch ein Handwerk. Und das kann man lernen. Beherrsche die Technik und du kannst fotografieren. Aber um Fotograf zu sein, musst du Künstler werden! Und zwar ein eigenständiger. Keiner, der andere nur kopiert.
Entscheidend für deinen Weg und deine Vorgehensweise ist: Du solltest immer genau wissen, was du fotografierst und was mit den Fotos geschehen soll. Wenn es am Ende um ein „ich brauche zur Erinnerung maximal ein DIN A 3 Poster, Handy- oder Internetbilder “ geht, dann gelten andere Regeln, wie für Profis, die Plakatwände oder große Kalenderformate bestücken müssen.
Als Einsteiger musst du absolut nicht manuell fotografieren, um gute Bilder zu bekommen. Auch nicht ausschließlich im RAW Format. Lerne, Bilder auch ohne Bearbeitung ordentlich zu erstellen. Du braucht nicht die allerletzte Technik dazu. Es geht auch einfacher! Nichts wird so heiß gegessen, wie es im Internet, in den Foren oder Zeitschriften hochgekocht wird. Auch diese Leute gieren nach Likes/Lesern und wollen sich mit ihrem Wissen profilieren.
Aber: Auch ein Vogue – Cover funktioniert mit 5 MB und selbst aus JPG Dateien mit 20x30cm Seitenlänge (das entspricht bei den meisten Kameras JPG im mittleren oder kleinen Format, wodurch sie schneller werden und die Bilder weniger Speicherplatz benötigen) lassen sich 3m große Poster plotten. Natürlich probiert das hierzulande kaum jemand und würde es auch nicht zugeben – aber es gibt Länder, da ist man weniger technikverliebt und pingelig und siehe da – es klappt sehr wohl.
Gerade bei Anfängern sind die Berührungsängste mit der Kamera-Gebrauchsanleitung groß. Für sie halte ich besonders gerne Fotokurse, denn man kann das alles auf ein Minimum an Aufwand und Wissen reduzieren. Du kannst dir z.B. von Halbautomatiken helfen lassen.
Taste dich langsam vor! Bilde dich allgemein über Fotografie fort, schule deinen Blick und lerne so viel wie möglich über Pferde und ihr Verhalten. Frauen fotografieren in der Regel mehr spontan aus dem Bauch heraus, Männer punkten hingegen, wenn echtes Technikwissen benötigt wird, um eine Situation fotografisch erfolgreich zu bewältigen.
Vor allem musst du üben! Finde deinen eigenen Stil und Zugang zum Sujet. Die Arbeiten wirklich namhafter und auch in den Medien langjährig präsenter Kollegen erkenne ich auf den ersten Blick. Nicht wegen eines Bearbeitungsstil (den es oft gar nicht gibt), sondern wegen ihrer eigenständigen Bildsprache.
Kopiere keinen anderen Fotografen! Werde selber kreativ! Unzählige Pferdefotografie-Social-Media-Profile sind in ihren Inhalten und Motiven beliebig austauschbar. Man kann diesen Bildern genau ansehen, „wem“ die Urheber gerade nacheifern. Viele Fotografen nutzen „Portfoliotage“ und präsentieren die Bilder sämtlichst parallel in ihren Feeds und Webseiten. Immer der selbe Stil, die selben Pferde, selben Locations, selbe Shootingzeit, selbe Bearbeitung. Wie soll man da als Künstler jemals aus der gleichförmigen Fotomasse herausstechen?
Also:
– Lerne, Pferdeverhalten zu lesen und für deine Bildideen zu nutzen
– informiere dich über Grenzen und Möglichkeiten deines Equipments
– übe und nehme die Kamera so oft in die Hand, wie möglich
– Fotografiere Bilder, die auch ohne Bearbeitung für sich stehen können-
Verändern kannst du sie jederzeit, aber je besser die Grundlage ist, desto weniger Arbeit hast man du hinterher
– Kopiere keine anderen Fotografen, entwickle eigenen Ideen
– Erzähle mit deinen Bildern Geschichten, aber bitte deine eigenen, nicht die der anderen!
– Lass dich nicht von den unzähligen Veröffentlichungen verunsichern! Das ist auch bei Profis nur die Spitze des Eisberges. Alle kochen nur mit Wasser ?
Ich hoffe, ich konnte euch etwas zum Nachdenken mitgeben! Habt Spaß, Respekt vor den Pferden und seid kreativ, ohne etwas zu riskieren.
Allzeit gutes Licht, schöne Motive und tolle Fotos!
Eure Christiane
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Christiane Slawik
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