Vor- und Nachteile vom Beinschutz im Reitsport

Wenn man sich das Turniergeschehen ansieht, ist schon erstaunlich, was von den Pferden an Höchstleistungen erwartet wird. So ist nicht nur die psychische Belastung, sondern auch die Beanspruchung der Gliedmaßen dabei besonders hoch, was das Risiko für Verletzungen wie Sehnenschäden natürlich erhöht. Der Beinschutz spielt daher eine wichtige Rolle, auch wenn es in der Reiterwelt ein umstrittenes Thema mit vielen unterschiedlichen Meinungen ist. Dr. Jens Körner und Tierärztin Eva-Maria Kruse von der Hanseklinik für Pferde zeigen daher wichtige Aspekte auf, die aus medizinischer Sicht bei der Anwendung von Beinschutz beachtet werden sollten:

Beinschutz im Pferdesport

Im Sport gilt es, das Pferdebein vor Streif- und Stoßverletzungen durch Eisenkanten, Stollen, verbogene Aufzüge, Hindernisstangen und sonstige Gegenstände zu schützen. Allein das stumpfe Anschlagen des Fesselkopfes einer Gliedmaße gegen das hochgradig gespannte Sehnenpaket einer anderen Gliedmaße kann zu einem sofortigen Zerreißen von Sehnenfasern führen, was durch eine flächige Druckverteilung durch eine Hartschale, zum Beispiel Gamaschen*, verhindert werden kann. Man sieht am häufigen Auftreten von innenseitigen Überbeinen, wie oft sich gerade junge Pferde durch Ungeschicklichkeit an den Beinen selbst treffen.

Foto: Juncala / Pixabay

Tierärztin Eva-Maria Kruse empfiehlt außerdem, auch die Hufe vor Verletzungen zu schützen. Hufglocken schützen beispielsweise den Ballenbereich vor Tritten, was besonders bei Springpferden sehr wichtig ist, wenn sie die Hinterhufe nach dem Sprung wieder aufsetzen. Hufglocken sind ebenfalls sinnvoll, wenn ein Pferd dazu neigt, sich die Eisen abzutreten. Das wiederholte Anbringen von Hufeisen schädigt das Hufhorn mit jedem Beschlag, weshalb ein Hufschutz auf der Weide durchaus sinnvoll sein kann.

Bandagen sind im Reitsport ein beliebter Beinschutz, weil ihnen eine Stützwirkung nachgesagt wird. Diese kann jedoch nicht medizinisch bestätigt werden. Laut Dr. Jens Körner sind die Kräfte sind zu hoch, als dass eine Bandage eine stützende Wirkung, ähnlich wie ein mehrlagiger Robert-Jones-Verband oder ein Castverband, entfalten könnte. Hier liegt ein weit verbreiteter Irrglaube vor.

Bandagen bieten einem Pferd beim Reiten nur eine geringe Schutzwirkung. Stützen können sie nicht! Ihre Verwendung dient vielmehr dem Ausgleich der optischen Symmetrie in Bezug auf unterschiedlich gezeichnete Beine, die bei einem Betrachter eine Taktunreinheit suggerieren können. Außerdem betonen insbesondere weiße Bandagen optisch die Beinaktion von beispielsweise Dressurpferden.

Foto: Hanseklinik für Pferde

Beinschutz in der Pferdehaltung

Die Beine von Pferden sind unterhalb der Fußwurzelgelenke in Ruhe außerordentlich schlecht durchblutet. Im Winter verringert sich die Durchblutung zusätzlich durch Kälte vermittelte Gefäßkontraktion, und es entsteht eine Art „Wärmetauschermechanismus“ in den Gliedmaßen. Das warme Blut aus dem Körper fließt in die kalten Gliedmaßen und tauscht die Wärme mit dem aufsteigenden kalten Blut wieder aus. Das Blut in den Gliedmaßen wird damit noch kühler, um den Zufluss von kaltem Blut in den Körper zu verringern. Die Stoffwechselprozesse im Bein werden damit noch zusätzlich verringert. Dies führt zu schlechten Wundheilungsergebnissen mit starker Bildung von wulstigem Narbengewebe.

Im Winter sollten die Beine daher ganz besonders kontrolliert werden. Auch hier kann der richtige Beinschutz helfen. Nach einem sogenannten „Einschuss“ (einer Phlegmone mit unheimlicher Schwellung aus einer häufig nicht auffindbaren Verletzung der Haut) verliert die Haut gern an Elastizität, sie „leiert aus“, was dann immer wieder zu einem angelaufenen Bein führen kann. Das zusätzliche Anlegen von Bandagen* hat zwar keinen ausreichend wärmenden Effekt, es kann aber der Haut helfen, die verlorene Spannkraft zu kompensieren. Bandagen bieten einen vergleichbar geringen Schutz vor Kontaktschäden, schützen aber besser als nichts.

Der Trend geht eher Richtung Stallgamaschen oder Kompressionsstrumpf, da Bandagen beim Verrutschen oder unsachgemäßer Anbringung mehrere Probleme verursachen können. Zum einen kann ein „Verbandagieren“ zu Entzündungen des Verbindungsastes zwischen den beiden Hauptnerven auf der Rückseite des Beines führen. Durch unregelmäßigen Druck können an Hautarealen narbenartige Reaktionen entstehen, die sich meistens erst zeitversetzt in Form von weißen Stellen äußern. Außerdem können zu eng angelegte Bandagen die Lymphgefäße verkleben, was den Abfluss der Lymphe dauerhaft beeinflusst und immer wieder zu dicken Beinen führen kann.

Idealerweise benötigt ein Pferd keinen Beinschutz, wenn es in der Box steht. Neigt es jedoch zu geschwollenen Beinen, kann ein Kompressionsstrumpf durchaus ratsam sein. Bei einem geschwollenen Bein befindet sich Flüssigkeit in der Gliedmaße. Durch das aufgeschwemmte Gewebe muss sich auch die Haut dehnen, sodass sie bei häufigerem Auftreten nachhaltig an Elastizität verliert und somit noch anfälliger für Schwellungen ist. Ein Kompressionsstrumpf kann auch hier die Hautelastizität unterstützen und dem Flüssigkeitsdruck entgegenwirken.

Beinschutz: individuelle Beurteilung und Abwägung

Glocken und Hartschalengamaschen schützen vor äußerer Einwirkung. Stallgamaschen, Bandagen und Kompressionsstrümpfe schützen in dieser Reihenfolge zwar absteigend vor mechanischer Außeneinwirkung, optimieren aber aufsteigend die Versorgungs- und Entsorgungssituation von Stoffwechsel- und Entzündungsprodukten in den unteren Gliedmaßen für eine verbesserte Heilungssituation. Schlussendlich fasst Dr. Jens Körner zusammen: „Beinschutz ist wie bei vielen Dingen im Reitsport eine individuelle und situationsabhängige Entscheidung, bei der die Vor- und Nachteile abgewogen werden müssen.“

Verwendete Quellen: Pressemitteilung Hanseklinik

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