Vivian Gabor im Interview
Als Biologin und promovierte Pferdewissenschaftlerin kennt Vivian Gabor sich mit Pferden aus. An der Uni Göttingen arbeitet sie z.B. einen Tag pro Woche als wissenschaftliche Mitarbeiterin, betreut hier Studenten bei Bachelor- oder Masterarbeiten, hält Vorlesungen und forscht im Bereich des Pferdeverhaltens. Das Lernverhalten von Pferden ist dabei ihr Spezialgebiet. Aber nicht nur an der Uni geht sie ihrer Passion nach.
In der Nähe von Göttingen hat Vivian gemeinsam mit ihrem Mann einen ehemaligen Schweinemastbetrieb in einen artgerechten Pferdehof mit Laufstall umgewandelt und auch gleich noch ein Seminarzentrum aufgebaut, wo regelmäßig Seminare und Kurse stattfinden. Dies bietet ihr die Möglichkeit, die Wissenschaft mit der Praxis zu verbinden, regelmäßig mit Pferden zu arbeiten und ihr Wissen an Interessierte weiter zu geben. Reiter lernen hier mehr über die Bedürfnisse und das Lernverhalten ihrer Pferde und die praktische Anwendung dieses Wissens.
Damit aber noch nicht genug. In ihrem „Institut für Verhalten und Kommunikation“ bildet Vivian auch noch pferdegestützte Therapeuten und Pferdeverhaltenstrainer aus, damit diese das Forschungswissen möglichst weit verbreiten. Nach Vivians Einschätzung gibt es nämlich noch zu viele Reiter, die es zwar gut meinen, aber zu wenig über Pferde wissen, um ihren Tieren ein stressfreies Leben zu ermöglichen.
Neben ihrer Eigenschaft als Pferdewissenschaftlerin kommt Vivian auch ihr Wissen als Trainer B Westernreiten zugute, wenn sie in ihrem Seminarzentrum oder auch bundesweit reitweisenübergreifende Lehrgänge in der Arbeit vom Boden und vom Sattel aus anbietet. Besonders am Herzen liegt ihr dabei die Optimierung der Pferd-Mensch-Kommunikation. Bei der dem Alter entsprechenden Jungpferdeausbildung und Hilfe bei Problempferden bietet sie ebenfalls ihre Unterstützung an.
Diese kurze Zusammenfassung zeigt schon, wie umfangreich und vielfältig Vivians erworbenes Wissen ist und wie sehr sie sich dafür einsetzt, die Pferdewelt durch in die Praxis umgesetztes Wissen ein wenig besser zu machen. In der Übersicht „Pferdemenschen“ ist sie daher mehr als gut aufgehoben. Damit du noch mehr über Vivian Gabor, ihre abwechslungsreiche Arbeit und ihre Einstellung zu den Pferden erfährst, haben ich ihr einige für mich wichtige Fragen über die Welt der Pferde gestellt:
Vivian, Pferde sind einfach wunderbare Geschöpfe und sie faszinieren uns immer wieder aufs Neue. Daher fühlen sich viele von diesen edlen Tieren magisch angezogen. Wie bist du zu den Pferden gekommen und was fasziniert dich an ihnen?
Mit sieben Jahren hat es mich schon regelmäßig in den Reitstall gezogen. So hat mich der Umgang mit den Pferden meine ganze Kindheit und Jugend hindurch begleitet. In meiner Freizeit habe ich gerne Ställe ausgemistet, Stallgassen gefegt und mich um Pflegepferde gekümmert. Bis ich mir dann während meines Biologiestudiums mit Anfang 20 meinen Traum vom eigenen Pferd erfüllen konnte. Dies war mein Criollowallach Pablo, der heute noch – mit selbst Anfang 20 – bei uns lebt und dem ich sehr viel zu verdanken habe.
Haltung, Gesundheit und Ernährung sind wesentliche Punkte für das Wohlergehen eines jeden Pferdes und haben auch Einfluss auf den Umgang und das Zusammensein mit ihm. Wie leben deine Pferde und was bedeutet für dich artgerechte Pferdehaltung?
Wir haben bei uns einen Bewegungsstall konzipiert, in dem wir eine gemischte Herde von 15 Pferden halten. Eine alte Maschinenhalle konnten wir gut zum großen Liegebereich umbauen und im Außenbereich einen schönen Rundlauf gestalten, so dass wir die Pferde sogar aus dem Wohnzimmer aus sehen können. Sie jeden Tag in ihren sozialen Verhaltensweisen, beim Spiel, beim Ruhen aber auch bei ihren Konfliktlösungen zu beobachten, bestätigt mir immer wieder aufs Neue, was für komplexe und liebenswerte Tiere Pferde doch sind.
Sie in ihrem möglichst naturnahen Verhalten zu erleben, hat für mich die Empathie zu ihnen und das Verständnis für ihre Bedürfnisse ganz tief verankert. Und es fällt mir manchmal schwer, Pferde in Situationen vorzufinden, in denen ihr Leid offensichtlich ist. Deswegen bin ich sehr froh, Wissen und Kenntnisse vermitteln zu dürfen, die Pferden und Menschen ermöglichen, die Umgebung, Haltung und vor allem den Umgang miteinander zu verbessern.
Als Tier, welches von Natur aus bei Gefahr sein Heil häufig in der Flucht sucht, stellt das Pferd besondere Anforderungen an einen artgerechten Umgang. Was ist aus deiner Sicht als Trainerin und Pferdewissenschaftlerin wichtig beim Umgang mit Pferden?
Wir als Menschen haben die Möglichkeit, uns in das Pferd hineinzuversetzen, dies ist für das Pferd andersherum kognitiv nicht ohne Weiteres möglich. Aus diesem Grund sehe ich es als unsere Pflicht an, die Verantwortung für das Wohlergehen des Pferdes sehr ernst zu nehmen. Dazu gehört, sich Wissen und Fähigkeiten anzueignen, um dem Pferd ein kompetenter Partner zu sein, indem man sich in dieses Lebewesen hineinversetzt. Nur dadurch kann man die Bedürfnisse, Ängste aber auch Motivationen und das Lernverhalten des Pferdes begreifen und anerkennen.
Bekannte Horsemen und Pferdemenschen dienen so manchem als Vorbild für die Ausbildung seines Pferdes. Wer sind deine Vorbilder in der Pferdewelt und was fasziniert dich an ihnen?
Mir würde es jetzt schwer fallen von den großartigen Pferdemenschen, die es auf der Welt gibt, ein oder zwei besonders hervorzuheben. Ich habe schon von berühmten Pferdemenschen viel mitnehmen können, aber auch von den unbekannten aber hoch empathisch – gefühlvollen Menschen, die einem – fernab von Ruhm und Ehre – begegnen. Für mich ist es eines meiner wichtigsten Grundsätze, immer offen für neue Ansätze, Ideen und Einschätzungen zu bleiben. Wer sich in diesem Bereich als allwissend sieht, verpasst meiner Meinung nach das meiste, was uns Pferde lehren können.
Es ist etwas unglaublich Schönes, seinen Weg mit den Pferden gefunden zu haben. Du bist in vielen Bereichen im Sinne der Pferde tätig. Welche gehören dazu und wie würdest du deine vielseitige Arbeit mit den Pferden sowie dein Gesamtkonzept beschreiben?
Ich habe meine Passion darin gefunden, meine beiden Leidenschaften – die Wissenschaft und die praktische Arbeit mit Pferden – zu verknüpfen. Dass sich daraus mal ein Institut entwickelt, in dem ich mit großartigen Kollegen zusammen den wissbegierigen Pferdemenschen, ganzheitliches Wissen über das Pferd vermitteln kann, hätte ich selbst nicht für möglich gehalten.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wenn man nach seiner innersten Überzeugung handelt und mit einer positiven, konstruktiven Sichtweise mit Mensch und Pferd umgeht, man sehr viel Gutes bewirken kann. So ist es möglich, seinen Weg in der Pferdewelt zu beschreiten, um für die Pferde zu handeln aber auch für sich selbst das Schönste im Leben zu bekommen: Dies sind die positiven Veränderungen bei Menschen und Pferden, die ich so oft erleben darf!
Du hast bereits als Trainerin (2107) und auch Jurorin (2018) am Mustang Makeover Germany teilgenommen, einem Event der etwas anderen Art. Was hat dich dazu bewogen mitzumachen, wie hast du die Zeit mit den Mustangs erlebt und was hast du für dich selbst aus dieser Zeit mitgenommen?
Ich finde Pferden zu helfen auch über Ländergrenzen hinweg ein sehr wertvolles Projekt. Ich konnte unglaublich viel aus der Begegnung mit „meinem“ Mustang lernen und habe dies in einem Buch festgehalten: „Vom Wildpferd zum Reitpferd – Meine Begegnung mit einem Mustang“. Diese Pferde haben mich nochmals einen großen Schritt weitergebracht über die Natur der Pferde und über das, was wir von ihnen in „unserer Welt“ verlangen, nachzudenken.
Vivian, du beschäftigst dich auf vielfältige Weise mit Pferden und gibst dein Wissen auch gerne weiter. Über Beschäftigungsmangel kannst du dich wahrscheinlich nicht beschweren, wie sehen daher deine Pläne für die Zukunft aus?
Ich sehe es als ein unglaubliches Privileg an, dass ich das, was ich liebe und hinter dem ich einen tiefen Sinn sehe, als meinen Beruf bezeichnen darf. Ich werde nie ohne Pferde und die Arbeit und Kommunikation mit ihnen sein. Ich werde mich weiter mit Vorträgen und Seminaren beschäftigen und mich auf die Ausbildungsarbeit für Mensch und Pferd an unserem Ausbildung-Institut (IVK) konzentrieren.
Ich bin mir sicher, dass immer wieder spannende Projekte auf mich zukommen werden, bei denen ich mich weiterentwickeln kann und noch mehr für die pferdegerechte Arbeit lernen darf. Für diesen Herbst steht erst einmal eine spannende Reise nach Australien an, auf der ich Vorträge und Kurse geben werde – auf dieses Projekt freue ich mich ganz besonders!
Welchen Rat möchtest du zum Schluß anderen Pferdefreunden noch mit auf den Weg geben?
Ich würde mir wünschen, dass weiterhin Ausbildungsmethoden und unsere Einstellung zum Pferd hinterfragt werden. Viele Pferdebesitzer und Ausbilder machen dies schon, was ich sehr gut finde. Nur wenn wir unser Handeln regelmäßig reflektieren, unser Wissen ständig erweitern und uns damit immer weiterentwickeln, können wir dem Ziel näher kommen, unsere Pferde besser zu verstehen und in ihrem Sinne zu handeln.
Vielen Dank Vivian, dass du dir trotz deines vollen Taminkalenders die Zeit genommen hast, meine Fragen zu beantworten. Ich wünsche dir weiterhin alles Gute auf deinem Weg mit den Pferden.
Wer nun mehr Informationen über die interessante und abwechslungsreiche Arbeit von Vivian Gabor sucht, findet diese auf ihrer Website.