Kolik: In der Not zählt jede Minute
Bereits der Begriff Kolik löst bei vielen Pferdebesitzerinnen und -besitzern Unbehagen aus. Eine Kolik kann viele verschiedene Ursachen haben, die man nicht immer beeinflussen kann. Wenn ein Pferd Anzeichen einer Kolik zeigt wie plötzliches Unwohlsein, Scharren, häufiges Wälzen und Futterverweigerung, ist auf jeden Fall schnelles Handeln gefragt, denn eine Kolik kann innerhalb weniger Stunden lebensbedrohlich werden. Gut zu wissen: Nicht jede Kolik erfordert eine Operation, aber in bestimmten Fällen ist ein chirurgischer Eingriff der einzige Weg, um das Leben des Pferdes zu retten.
Konservative Behandlung
Wenn ein Pferd eine Kolik hat, spricht man erst einmal von Bauchschmerzen. Die Ursache für diese Bauchschmerzen kann jedoch vielfältig sein und es können unterschiedliche Organsysteme wie Darm, Magen, Geschlechtsorgane, Harnblase oder Nieren betroffen sein. Bei Darmkoliken unterscheidet man grundsätzlich zwischen einer Magen-Dünndarm- oder Dickdarmkolik. Diese lassen sich in verschiedene Gruppen einteilen – z. B. die Krampfkolik, Verstopfungskolik, Verlagerungskolik und Strangulationskolik. Der wohl bekannteste Auslöser einer Kolik ist eine plötzliche Futteränderung oder Überfütterung mit Kraftfutter.
Mit der übermäßigen Fütterung von Kraftfutter geht oftmals eine verminderte Kautätigkeit einher und zudem verändert sich der pH-Wert im Darm, was besonders bei leichtfuttrigen Pferden zu einem Absterben der essenziellen Darmflora führen kann. Die Darmflora stirbt aber auch ab, wenn es zu schnellen Futterumstellungen kommt und sich die Flora nicht anpasst. Dies kann zu Störungen der Darmmotorik und Verstopfungen führen.
Das Verdauungssystem des Pferdes reagiert besonders empfindlich auf Veränderungen seiner Darmflora, da z. B. die gestörte Darmmotorik die Blutzufuhr zu den betroffenen Darmabschnitten beeinträchtigen und vollständig unterbrechen sowie zu Aufgasungen führen kann. Laut Dr. Brandenberger, leitender Chirurg der Hanseklinik für Pferde, helfen hier oftmals bereits Infusions- und Schmerztherapien, kontrollierte Bewegung sowie die Entleerung des Magens mit einer Nasenschlundsonde und anschließender Eingabe von Wasser.
Darmverlagerungen und Torsionen
Eine der häufigsten Ursachen für eine Kolikoperation ist eine Darmverlagerung oder -strangulation, bei der sich der Darm z. B. um sich selbst verdreht und die Blutzufuhr unterbrochen wird. In diesen Fällen muss schnell gehandelt werden. Der verdrehte Darm muss während der Operation wieder in seine normale Position gebracht und die Durchblutung wiederhergestellt werden. Je länger die Blutzufuhr unterbrochen ist, desto größer ist das Risiko, dass Teile des Darms absterben.
Die Herausforderung einer Kolikoperation ist, dass jede Operation individuell ist. Je nach Art der Kolik müssen unterschiedliche Maßnahmen ergriffen werden. Eine Operation kann daher zwischen 90 Minuten und fünf Stunden dauern. Während der Dauer der OP wird das Pferd durchgehend von Anästhesisten überwacht und versorgt, sodass z. B. der Blutdruck stabil bleibt, damit das Tier auch eine längere Narkose problemlos verarbeiten kann.
Häufig sind eine Rückverlagerung des Darms und ein künstlicher Darmausgang, bei der das eingedickte Futter operativ ausgespült wird und die entstandenen Gase abgelassen werden, ausreichend. In schweren Fällen muss der betroffene Darmabschnitt chirurgisch entfernt werden, um ein weiteres Absterben des Gewebes zu verhindern. Die Entfernung eines Darmabschnitts ist eine schwierige Entscheidung, aber oft die einzige Möglichkeit, das Leben des Pferdes zu retten. Aus diesem Grund ist es so wichtig, den richtigen Zeitpunkt für eine Operation abzupassen. Der verbleibende Darm wird anschließend vernäht, sodass die Verdauung wieder normal funktionieren kann.
Regeneration und Nachsorge
Die Erfolgsaussichten für die Genesung nach einer Kolikoperation hängen von verschiedenen Faktoren ab. Dazu zählen die Schnelligkeit der Behandlung, der allgemeine Gesundheitszustand des Pferdes und die Art der Kolik. Bei rechtzeitiger Diagnose und erfolgreicher Operation haben viele Pferde gute Chancen, sich vollständig zu erholen. Allerdings ist auch die Zeit nach der Operation entscheidend.
In der Hanseklinik für Pferde wird das Tier im Anschluss an die Operation mindestens fünf Tage lang auf der Intensivstation genau überwacht, um bei möglichen Komplikationen schnellstmöglich reagieren zu können. Das Pferd wird außerdem infundiert, bekommt eine Nasenschlundsonde, die Operationswunde wird versorgt und es wird kontrolliert wieder angefüttert. Das ‚Anspringen‘ des Darms nach der OP ist essenziell und muss ganztäglich intensiv kontrolliert und betreut werden.
Wenn das Pferd wieder in einem guten Allgemeinzustand ist und die Fäden gezogen wurden, darf es zurück nach Hause. Hier sollte der Besitzer es regelmäßig Schritt führen und weiterhin in kleinen Mengen füttern. Empfohlen wird die Fütterung von Mash in den ersten zwei Monaten nach der Operation. Nach ca. zwei Monaten erfolgt dann nochmal eine Nachkontrolle, bei der eine Ultraschalluntersuchung der Bauchnaht durchgeführt wird. Ist die Naht gut verheilt, kann das Pferd ohne Einschränkungen wieder sportlich antrainiert werden.
Fortgeschrittene Therapiemöglichkeiten
Obwohl eine Kolik nicht immer verhindert werden kann, gibt es Maßnahmen, um das Risiko zu verringern. Eine stabile Fütterungsroutine, ausreichend Bewegung und die Vermeidung von Stresssituationen spielen eine große Rolle. Für Pferdebesitzer ist es entscheidend, bei ersten Anzeichen einer Kolik sofort zu handeln und den Tierarzt zu informieren. Je schneller eingegriffen wird, desto besser sind die Chancen auf eine erfolgreiche Behandlung.
Heutzutage ist eine Kolikoperation nicht mehr mit so vielen Risiken verbunden wie früher, da sich in den letzten Jahren die Koliktherapie enorm weiterentwickelt hat. Es gibt neue Medikamente, Diagnoseverfahren wie Ultraschall, Bauchpunktat oder das große Blutbild, durch welche die Kolikuntersuchung viel komplexer geworden ist. Zudem hat sich die Anästhesie (Vollnarkose) inklusive Monitoring beim Pferd in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert, und damit ist auch die Therapie deutlich erfolgreicher als früher. Der Vorbehalt, dass ein wegen einer Kolik operiertes Pferd nicht mehr im Sport laufen kann, ist daher nicht mehr zeitgemäß. Sogar eine mehrmalige Kolikoperation ist möglich!
Verwendete Quellen: Pressemitteilung Hanseklinik für Pferde