Catherin Seib im Interview

„Ein guter Pferdemensch versteht sein Pferd, wenn es mit ihm redet. Ein hervorragender Pferdemensch hört es sogar flüstern.“ Dieser Spruch findet häufig dann Anwendung, wenn es um sogenannte „Pferdeflüsterer“ geht, Menschen, die einen besonderen Draht zu Pferden haben. Auch auf Catherin Seib könnte er passen, denn die professionelle Tierkommunikatorin hört den Tieren nicht nur intensiv zu, sondern kommuniziert auch auf besondere Weise mit ihnen.

Dabei hat Catherin die Tierkommunikation früher selbst als Unsinn abgetan. Aber wie es im Leben schon mal so spielt, wurde sie eines Besseren belehrt. Tiere haben es ihr schließlich schon immer angetan und gut mit ihnen umgehen kann sie auch. Daher war die Ausbildung zur Zootierpflegerin auch nur eine logische Folge daraus. Durch Zufall hörte Catherin dann von der Tierkommunikation und obwohl sie diese für totalen Quatsch hielt, hat sie aus reiner Neugier einfach einen Kurs besucht.

Was Catherin nie für möglich gehalten hatte, trat dann aber ein: es funktionierte auf Anhieb. Also buchte sie weitere Kurse, bildete sich in der Tierkommunikation weiter und ist seit 2009 eine renommierte und aus den Medien bekannte, professionelle Tierkommunikatorin. Mittlerweile hat Catherin mit ihrem Unternehmen Tierisch Verstehen selbst andere zum Tierkommunikator ausgebildet und schon Hunderten Menschen beigebracht, ihre Tiere besser zu verstehen.

Catherin Seib
Catherin Seib mit ihren Pferden Mouna und Milan (Foto: Berit Seiboth)

Da ihre besondere Liebe aber immer schon den Pferden galt, sie mit ihrer Stute Mouna, deren Hengstfohlen Makani und dem Wallach Milan selbst 3 Pferde besitzt und u.a. bereits als Betriebsleiterin einer Hannoveraner-Pferdezucht gearbeitet sowie eine Ausbildung als TTEAM Practitioner für Pferde gemacht hat, widmet sich Catherin mit Pferde Verstehen inzwischen voll und ganz ihrer Herzensangelegenheit, der Pferd-Mensch Beziehung. Dass sie damit einen Nerv getroffen hat, beweist schon die Tatsache, dass Ihre Seminare, die sie auf dem Pferde Verstehen Hof in Tasdorf bei Neumünster anbietet, für 2020 bereits ausgebucht sind.

Ein so besonderes Thema wie die Tierkommunikation interessiert natürlich auch uns, speziell im Zusammenhang mit Pferden. Daher haben wir Catherin einige für uns wichtige Fragen zu Ihrer Arbeit und auch zum Umgang Pferden gestellt:

Catherin, Pferde sind wunderbare Geschöpfe, die uns auf unterschiedlichste Weise faszinieren. Viele Menschen fühlen sich daher von diesen edlen Tieren magisch angezogen. Wie bist Du zu den Pferden gekommen und was fasziniert Dich an ihnen?

Meine Geschichte ist vermutlich ähnlich wie die vieler Pferdemenschen: Ich fühle mich zu ihnen hingezogen, seitdem ich denken kann. Andere Kinder hatten Puppen, ich hatte einen ganzen Stall voller Barbiepferde. Seitdem ich laufen kann, laufe ich zu den Pferden. Im Alter von 3 Jahren bin ich in einem Urlaub in der Heide verloren gegangen. Ich hatte mich von unserem Ferienhaus heimlich zu der Koppel geschlichen, die wir vorher zum Ponyreiten besucht hatten. Dort legte ich mich zwischen die Beine des schlafenden Ponys Schecki, welches mich vorher getragen hatte.

Mein Vater fand mich nach intensiver Suche und war sehr besorgt, dass ich verletzt würde, als er mich da liegen sah. Ich aber war voller Vertrauen. Es ist schwer zu erklären, aber die zutiefst verankerte Pferdeliebe ist mir in die Wiege gelegt worden. Für mich ist das Pferd das schönste aller Geschöpfe. Ich hatte das Glück, schon früh reiten lernen zu dürfen und so verbrachte ich insgesamt ein Lebensjahr meiner Kindheit und Jugend in der Ferienzeit auf einem Ponyhof, wo ich selbst 3 junge Ponies einritt. Ohne Sattel, einfach so.

Die Unbedarftheit und intuitive Umgehensweise als Kind mit Pferden, die versuche ich heute so gut es geht wieder herzustellen. Zuhause durfte ich außerdem in verschiedenen Ställen reiten, ich hatte Reitunterricht auf Isländern und Großpferden, mit und ohne Sattel. Ich hatte mehrere Reitbeteiligungen, ritt Springen, Dressur und vor allen Dingen aber im Gelände. Das Gefühl, wenn ein mir vertrauendes Pferd einfach laufen darf und wir zusammen diesen Rausch erleben, ist bis heute mein liebster Moment im Leben. Anfang 20 gab ich die Reiterei auf, weil es mir zu sehr aufs Gemüt schlug, zu sehen, wie die Besitzer meiner Reitbeteiligungen gegen ihre Pferde arbeiteten. Erst Jahre später entschied ich mich, mein eigenes Pferd zu kaufen. Das war Mouna.

Für das Wohlergehen eines jeden Pferdes sind Haltung, Gesundheit und Ernährung wesentliche Punkte, die auch Einfluss auf den Umgang mit ihm haben. Wie leben Deine drei Pferde und was bedeutet für Dich artgerechte Pferdehaltung?

Meine Pferde haben ein großes Mitspracherecht. Ich lebe auf dem Land, um mit ihnen zusammen leben zu können. Wir haben hier 4 Hektar zur Verfügung, welche in 3 Hektar Weide und 1 Hektar Paddocktrail mit Offenstall unterteilt sind. Was sich meine Pferde immer von ihrem Zuhause gewünscht haben, sind diese Bedingungen:

– Weite, also räumlich für ihre Bewegung sowie aber auch unbedingt weite Sicht
– die absolute, räumliche Nähe zu ihren menschlichen Herdenmitgliedern, also zu mir und meinem Partner
– Graszugang das ganze Jahr über, Heuzugang 24/7
– Niemals weniger Platz als das, was man als ausgewachsenes Pferd braucht, wenn man im Galopp mal so richtig Gas gibt und sich auslaufen lässt. Also lange Geraden.
– Frisches Wasser aus einem großen Behältnis, nicht nur aus der Tränke
– Eine homogene, gemischte Herde, in der die Aufgaben klar verteilt sind. Keine ständig wechselnden Herdenmitglieder. Keine allein gelassenen, verhaltensgestörten, armen Pferde, die abgestumpft oder tyrannisch sind.
– Tägliche Kraftfutter – sowie Frischfutterversorgung
– einen trockenen, geschützten Unterstand, matschfreie Flächen sowie verschiedene Decken für meine Stute.

Meine Stute Mouna ist seit 11 Jahren bei mir, Milan kam vor 8 Jahren dazu. Er gehört nicht mir, sondern Mouna. Damals hatte ich einen eigenen Hof gekauft und Mouna wünschte sich einen Pferdepartner, der nie wieder gehen würde. Also ließ ich sie aussuchen. Ich glich mit ihr Hunderte Pferde aus dem Internet ab. Die Wahl war dann schlussendlich zwischen zwei Wallachen. Einer war ein kranker Friese aus Österreich, der andere war Milan. Er stand zufälligerweise nur 6 km von uns entfernt. Ich fragte Milan, ob er Lust habe, bei uns zu leben. Mit dem Versprechen, eine Stute auf Lebenszeit an seiner Seite zu haben und der Bitte, ab und zu mit mir auszureiten. Er sagte zu. Die beiden waren auf Anhieb ein echtes Ehepaar.

Den Hof verließen wir wieder, danach stellte ich die beiden in verschiedenen Ställen ein. Sie standen in gemischten Herden zwischen 5 bis 14 Pferden. Milan ist ein Führertyp und hatte meist die Leitung. Und obwohl er das gut kann, war er oft davon angestrengt, andere Pferde einweisen oder unterstützen zu müssen. Die Themen, die viele Pferde mitbrachten, haben auch ihn belastet. Durch seine Stellung übernahm er auch für andere Pferde Verantwortung und das hat ihn nicht immer glücklich gemacht. Mouna sagte mir sowieso täglich, dass mit mir zu Wohnen für sie das absolute Optimum sei und sie das wieder wolle.

Es dauerte 4 Jahre, bis ich es wieder schaffte, das für uns zu realisieren. Ich war skeptisch, ob die beiden wirklich, wie ganz zu Anfang, zu zweit sein wollten. Ich dachte, nach ein paar Wochen Ruhe und Ankommen an unserem neuen Zuhause, wo wir heute noch wohnen, würden sie sich andere Pferdemitglieder in ihrer Herde wünschen. Aber sie waren wenig begeistert von meinen ständigen Nachfragen und versicherten mir immer wieder, dass sie sich mit uns als Herdenmitglieder vor Ort wohl, sicher und glücklich fühlen. Sie brauchten keine anderen Pferde.

Das blieb bis heute so, obwohl ich in meinen Ausbildungskursen regelmäßig 3 Kurspferde auf dem Hof stehen habe. Meine beiden aber haben nie einem davon hinterher gewiehert oder es ansatzweise in die Herde holen wollen, im Gegenteil. Es ist für meine beiden Großen immer klar: Wir wohnen hier, die anderen sind zu Besuch. Nur einen Wunsch gab es schon, seitdem ich meine Stute habe: Mouna wollte immer unbedingt ein Fohlen. Letztes Jahr wurde ihr schließlich Wunsch wahr. Ich gab nach, konnte ich ihr doch ihren Herzenswunsch in diesem Leben nicht verwehren.

Nun gibt es also Makani. Mouna hat mir genau gesagt, wann sie rossig wäre. Die Tierärztin hatte 2 Mal etwas anderes errechnet, 2 Mal hatte es schon nicht geklappt. Ich fragte vorsichtig nach, ob es eventuell möglich wäre, dass Stuten einen verkürzten Zyklus hätten? Nein, das gäbe es bei Pferden eigentlich nicht… beim dritten Versuch bestand ich darauf, es an dem Tag zu versuchen, den Mouna mir vor gab. Siehe da: „Oh, jetzt ist es der optimale Zeitpunkt!“. Auch die Geburt verlief so. Auf 4 Stunden genau gab Mouna an, wann das Fohlen kommen würde. Und obwohl ich sogar anzweifelte, ob sie da so richtig läge, behielt sie natürlich Recht.

Hengstfohlen Makani
Hengstfohlen Makani (Foto: Catherin Seib)

Makani kam um 17h nachmittags. Bei schönstem Wetter kam Mouna friedlich von der Weide in den Unterstand geschlendert, legte sich hin, gab mir Bescheid und es ging los. Ich durfte dabei sein, ihm seine Eihaut lösen und alles mit erleben. Natürlich bleibt er bei uns, ich könnte ihren Sohn nie verkaufen. Er ist ein absolutes Traumpferd. Genau so, wie er sich uns lange vor der Geburt gezeigt und angekündigt hat – von innen und außen. Ich wünschte mir, dass er ein Falbschecke würde und dass seine Fellzeichnung ähnlich der von Milan wäre, der voll in seiner (Stief-) Vaterrolle aufgeht. Was soll ich sagen – er ist es. Obwohl keins der Fohlen des Vaterhengstes ansatzweise so aussehen, wie Makani.

Mit der Trächtigkeit fing ich wieder an, meine Pferde zu nerven: Man müsste doch eine andere Stute dazu nehmen, die auch hier fohlt, damit das Fohlen nicht allein aufwächst. Doch Mouna war strikt dagegen, Milan nicht begeistert. Nun gut, dachte ich mir, nach ein paar Wochen Fohlenzeit würden sie es sicher anders sehen. Makani ist jetzt 8 Monate alt. Keiner der drei möchte ein anderes Pferd dazu haben. Milan ist mit seinen bald 22 Jahren völlig aufgeblüht, er und Makani spielen wild und sind echte Freunde geworden.

Meistens hängt der Kleine hinter dem Großen und schaut sich alles ab. Ganze Bewegungsabläufe hat er von ihm kopiert. Und auch Milan lernt von dem Kleinen. Er lässt sich von seiner Neugierde und seiner Unbeschwertheit anstecken und traut sich auch mal was Neues. Aufgrund seiner Vergangenheit war Milan jahrelang eher introvertiert und verweigerte neue Handlungen mit Menschen aus Prinzip. Heute aber steht er auf der Pferdewippe, weil er Makani dabei immer zusah und sich dachte: Was der kann, kann ich schon lange. Und es macht ihm Spaß.

Ich habe hier also eine kleine, perfekte Pferdefamilienidylle. Jedes Mal, wenn mein „Pferdeverstand“ mir etwas vorsagt, wie es doch aber sein müsse, dann frage ich einfach meine Pferde. Das, was sie sagen, führt zu 99 % mehr Zufriedenheit auf allen Seiten als das, was manch einer als Gesetz betrachtet. So werde ich auch einfach jeden Tag neu schauen, wie sich diese Familie entwickelt. Es gibt keinen Plan, Makani abzusetzen. Wir werden sehen, wie es geht. Ich habe keine Ahnung, ob ich ihn kastrieren werde oder wie wir in ein paar Jahren zusammen leben. Aber ich weiß, dass wir es im täglichen Austausch schon heraus finden werden. Und genau das ist für mich artgerechte Pferdehaltung.

Natürlich gibt es bestimmte Grundvoraussetzungen für Pferde, die gegeben sein müssen. Doch mahne ich meine Schüler immer wieder, nie aus vermeintlichem Fachwissen zu handeln, sondern jedes Pferd als Individuum mit eigenen Bedürfnissen zu sehen. So gibt es eben welche, die unbedingt Decken brauchen (so wie Mouna) und andere, die mit Hufeisen viel glücklicher sind. Es gibt einige Pferde, die ihre Box lieben und brauchen oder andere, die sich in kleinen Herden unwohl fühlen. Andere möchten dauernd reiten, manche aber nie. Es gibt keine Pauschallösungen für alle Pferde. Es gibt für mich nur noch den Weg, sie selbst zu fragen und dann den bestmöglichen Kompromiss zwischen Pferd und Mensch herzustellen.

Trotz des langen Weges vom Wildpferd zum Hauspferd sind Pferde immer noch sehr stark von der Natur und den eigenen Instinkten geprägt. Was ist daher aus Deiner Erfahrung heraus wichtig beim täglichen Umgang miteinander?

Ich denke, das ist eigentlich naheliegend für die meisten Pferdemenschen: Pferde sind als Herdentiere und Fluchttiere immer stark davon abhängig, wie sicher sie sich in einer Situation fühlen. Ihr Verhalten wird stark davon beeinflusst, wie vertraut ihnen der Mensch ist, der sie um etwas bittet. Wie geborgen sie sich an ihrem Stall fühlen und wie groß ihr Selbstbewusstsein ist. Stimmt einer dieser Faktoren oder ein anderer nicht, kann es sich zu schnell auf seinen Fluchtinstinkt oder auf sein Bedürfnis nach Herdensicherheit berufen und dann wird es für viele Menschen schwierig.

Was da hilft, ist zu verstehen, dass selten genau der Moment die Ursache für das Verhalten ist. Es ist nicht der eine Stein, an dem das Pferd scheut. Es ist nichts Besonderes an genau diesem Tag passiert, an dem es seinen Reiter an die Bande katapultiert hat. Es ist die Summe aller Unwohlseinsmomente, die dieses Pferd erlebt hat. Und wenn das Glas dann überläuft, reagieren Pferde eben wie Pferde. Nachsicht, Geduld und Kontemplation ist dann auf Menschenseite angebracht und nicht strengere Umgangsmethoden. Vermutlich ist der Mensch der größte Störfaktor, der das Pferd in seinen Rückzug treibt und er darf auch bei sich beginnen, die Störungen zu beseitigen.

Häufig dienen uns beim Umgang mit Pferden bekannte Horsemen und Pferdemenschen als Vorbild oder Anregung. Hast auch du jemanden in der Pferdewelt, der dich inspiriert und wenn ja, warum?

Ehrlich gesagt: Nein. Als Kind hat mich Linda Tellington-Jones fasziniert, als ich im Fernsehen sah, wie sich die Pferde in ihren Händen entspannten. Bis heute finde ich ihren TTouch toll und empfinde ihn als eine gute Heilungsmethode. Ich habe selbst die Ausbildung als Pferde Practitioner bei ihr absolviert. Auch Sabine Birmann hat mich wohl inspiriert, sie ist eine Schülerin von Klaus Ferdinand Hempfling. Dennoch sind mir der Dogmatismus, die Einspurigkeit und das aufgeblasene Ego der meisten Pferdegurus zuwider.

Für mich sind, auch wenn es etwas kitschig klingt, die Pferde meine wirkliche Inspiration und meine größten Lehrer. Alles, was ich über Pferde heute weiß, habe ich von ihnen gelernt. Immer, wenn ich mir einen Menschenlehrer dazu geholt habe, habe ich vorher mit meinen Pferden abgesprochen, was wir von denen wollen. Und geholfen haben wir uns am Ende doch immer selbst. Elf Jahre hauptberufliches Pferdeflüstern hat mir das riesige Geschenk übermittelt, Eindrücke aus tausenden Pferdeleben erhalten zu haben. Das ist es, was meine Pferdewelt geprägt hat.

Es gibt für mich kaum jemanden, der im Sinne der Pferde arbeitet. Leider arbeiten fast alle im Sinne des Menschen, der über das Pferd verfügen möchte. Wenige arbeiten zwar für die Pferde, dann aber gegen die Menschen. Auch das empfinde ich nicht als sinnvoll. Es gibt einen Weg dazwischen. Pferde wünschen sich Freundschaft mit ihrem Menschen. Ein Pferd ist bereit für Kompromisse, wenn es im Gegenzug gehört, respektiert und geliebt wird. Genau wie der Mensch. Weil es das Angebot, Pferd und Mensch auf diesem Weg zu helfen, so noch nicht gab, habe ich mich nach Jahren des Zögerns dazu entschlossen, die Pferdeflüsterer Ausbildung neben der klassischen Ausbildung zum Tierkommunikator anzubieten.

Das Zögern begründete sich darin, dass ich tatsächlich Angst um mein geistiges Wohlbefinden hatte, denn die Pferdewelt kennt viel Grauen. Sie ist gerade erst dabei, sich aus mittelalterlichen Vorstellungen zu befreien und der Weg ist steinig. Es gibt Hier und Da neue Ansätze, die meisten noch in den Kinderschuhen. Es reicht nicht, wenn es leicht aussieht oder das Pferd pariert. Freiheitsdressuren sollen Vertrauen vermitteln, dabei sind das nur besonders gut abgerichtete Pferde. Warum soll ein Pferd sich für mich auf den Rücken drehen? Warum soll es für mich tanzen? Wer bin ich denn, dass ich mich darüber definieren muss, wie gut das Pferd für mich pariert? Ich bin kein Cowboy und brauche kein Pferd, welches für mich arbeitet. Ich arbeite für meine Pferde. Aus Dankbarkeit für die tiefe Liebe, die wir teilen und für die Lebensweisheit, die ich durch sie erlange.

Vertrauen
Einander vertrauen (Foto: Catherin Seib)

Die Tierkommunikation ist für viele Menschen immer noch ein Tabu-Thema oder wird häufig nicht ernstgenommen. Dir ging es ja zu Anfang nicht anders. Was hat dich deine Meinung ändern lassen?

Darüber könnte ich ein ganzes Buch schreiben (tatsächlich tue ich das auch gerade). Aber um es kurz zu machen: Wenn man in Frankreich im Wohnmobil sitzt, neben sich ein Foto eines Pferdegesichts, über das man nichts weiß und welches man nie live gesehen hat, und die Augen schließt, um dann eine Geschichte im Geiste erzählt zu bekommen, die so geht:

„Ich bin ursprünglich aus Polen, meine Menschin hat mich gerettet! Buchstäblich gerettet, sie hat mich vom Schlachttransporter gezogen und heldenhaft mitgenommen! Ohne sie wäre ich längst tot. Als sie mich da raus geholt hat, wusste ich, dass ich es geschafft habe. Ich hatte solche Angst, aber seitdem sie in meinem Leben ist, bin ich einfach nur glücklich und dankbar!“

Dann denkt man schon einen kurzen Moment lang, dass man spinnt. Aber wenn diese Menschin einem dann zurück schreibt, dass es genau so war, dass sie ihr Pferd aus einem Schlachttransport, der aus Polen kam, weggekauft hat, dass die beiden seitdem ein Herz und eine Seele sind, dann weiß man, dass es Höheres gibt als das, was ich oder die Gesellschaft anerkannt hatten.

Wie müssen wir uns den Ablauf einer Tierkommunikation vorstellen und wie sieht deine Arbeit konkret aus?

Ich arbeite entweder vor Ort im Stall oder aber am Telefon. Die meisten meiner Kunden leben zu weit weg, so dass sie sich einen Telefontermin bei mir buchen. Vorab schicken sie mir ein Foto des Pferdes. Dabei genügt mir die Ansicht des Gesichts. Das Foto muss nicht sehr aktuell sein. Ich möchte vorab nur wissen, wie alt das Pferd ist, wie es heißt und seit wann es bei seinem Menschen lebt. Das, damit ich seine Antworten besser einsortieren kann. Ein 25-jähriges Pferd z.B. darf hier und da Schmerzen haben. Wenn ein 3-jähriges Pferd aber Gelenkschmerzen hat, bedeutet das etwas anderes.

Am Telefon dann überlasse ich es dem Menschen, mir die Fragen an sein Pferd gleich alle zu verraten oder erstmal rein zu hören. Wenn ich mit dem Pferd spreche, lege ich den Telefonhörer zur Seite, schließe die Augen und denke an das Pferd. Der Dialog, der dann stattfindet, ist vielleicht vergleichbar mit einem Tagtraum oder dem Erleben einer guten Geschichte, wenn ich sie lese. Ich erhalte die Antworten mit allen Sinnen. Sie können gefühlt sein, gesehen, gehört, gewusst.

Ich arbeite mich so durch jede Frage und gebe dem Menschen dann direkt Rückmeldung, was das Pferd erzählt. Der Mensch kann dann Rückfragen stellen oder Botschaften loswerden. Die Antworten der Pferde sind durchaus komplex, ganze Sätze kann ich hören. Natürlich können Pferde kein Deutsch, jedoch formt mein Gehirn die Antworten automatisch in deutsche Sätze, weil ich nun mal auf Deutsch denke. Das ist hilfreich und manchmal ist es dann schon ein wenig wie bei Dr. Doolittle, nur schöner. Diese Telefontermine dauern bis zu eine Stunde. In dieser Zeit ist eigentlich immer alles gesagt und geklärt und viel länger kann ich diese Ebene auch nicht halten, danach brauche ich Pause.

Wenn ich in den Stall komme, spreche ich am Abend vorher schon mit dem Pferd. Ich bringe das Gesagte dann mit und schaue vor Ort, was der Mensch zu sagen hat und wie ich die beiden in einen möglichst fruchtbaren Dialog bringe, so dass beide zufrieden sind. Ich helfe auch vor Ort mit Schwierigkeiten im Umgang. Die Pferde sagen mir ja, wie es besser gehen kann und dann versuchen wir es einfach. Diese Termine haben sich als sehr hilfreich heraus gestellt und ich bin immer wieder so dankbar und fasziniert über das, was sich bei diesen Menschen und Pferden dann entwickelt. Sich zu trauen, seinem Pferd zuzuhören, ist ein großer Schritt für die gemeinsame Harmonie.

Tatsächlich sind nach elf Jahren meine Einzeltermine aber weitaus seltener geworden, weil ich die meiste Energie für meine Pferdeflüsterer Ausbildung aufbringe. Ich empfinde es als äußerst wichtig, dass immer mehr Menschen lernen, hinzuhören.

Ausritt
Mit Freude voneinander lernen (Foto: Berit Seiboth)

Du hast deinen Beruf zu deiner Berufung gemacht. Welche Ziele verfolgst du mit der Tierkommunikation, besonders in der Pferd-Mensch Beziehung?

Mein höchstes Ziel ist es, Pferd und Mensch voneinander lernen zu lassen. Verständnis herzustellen auf beiden Seiten, so dass man ins Gespräch kommen kann, um eine Grundlage zu schaffen für eine authentische Freundschaft auf Augenhöhe. Wir Menschen schaffen uns Pferde an, weil sie uns faszinieren, weil sie eine Leidenschaft in uns wecken. Dieser Funke geht vielen aber im täglichen, konventionellen Pferdeumgang verloren. Ich möchte unbedingt, dass die Menschen wieder lernen, dass die Magie der Pferd-Mensch-Beziehung wirklich so stark ist, wie wir sie als Kind empfunden haben.

Ich möchte unbedingt, dass die Pferde wieder tun dürfen, weshalb sie bei uns sind: Uns lehren, wie man lebt. In Liebe, Freiheit, Gemeinschaft und Achtsamkeit. Ich möchte, dass wir unsere Pferde wieder ehren, so dass wir am Ende uns selbst wieder in die Augen sehen können, wenn wir in den Spiegel blicken. Und uns dann dieselbe Liebe anschaut, die ich in den Pferdeaugen glücklicher Pferde sehe. Und nicht der gebrochene, fremdbestimmte Blick, den ich aus noch zu vielen Pferde- und Menschenaugen sehe.

Catherin, mit deinem Angebot zur Pferdeflüsterer-Ausbildung konzentrierst du dich nun ganz auf dein Herzensprojekt. Was hast Du diesbezüglich noch für Zukunftspläne?

Derzeit genieße ich meine Winterpause, bevor ich dieses Jahr 32 Menschen und ihre Pferde in meiner Ausbildung begleite. Für 2021 habe ich gerade die ersten Anmeldungen entgegen genommen, das Ausbildungskonzept ist für das nächste Jahr noch etwas erweitert worden. Ich freue mich jetzt schon auf die rasanten Entwicklungen, die diese Menschen mit ihren Pferden absolvieren, die sich auf die Pferdeflüsterer Ausbildung eingelassen haben. Bisher denken sie, sie würden bloß lernen, wirklich mit Pferden zu sprechen. Dabei lernen sie sich auch endlich selbst kennen, mithilfe ihres besten Lehrers.

Mein großes Herzensprojekt ist seit Langem ein Stallkonzept, welches ich mithilfe der Pferde erstellt habe. In dieser Haltungsform soll es darum gehen, die Pferde selbstbestimmter zu halten. Sie sich ihre Aufenthaltsorte besser selbst bestimmen zu lassen und gleichzeitig den Herdenverbund beizubehalten. Ich habe sehr viel Geld für den architektonischen Entwurf und die visuelle Realisierung dessen ausgegeben und bin derzeit dabei, es zu manifestieren. Aber die Sache ist groß. Ich möchte dieses Haltungssystem in die ganze Welt vertreiben.

Es beginnt mit einem Prototypen, für den ich ein Grundstück suche. Die Pferdehaltung ist etwas, was mir sehr am Herzen liegt. Es ist schwierig, eine liebevolle Freundschaft in einer feindlichen oder zwangserfüllten Umgebung aufzubauen und nicht jeder kann seine Pferde selbstbestimmt halten. Ich sehe da großen Bedarf für Mensch und Pferd.

Durch die Kommunikation mit den Tieren hast Du bereits umfangreiche Erfahrungen sammeln können. Welchen Rat möchtest Du zum Schluß anderen Pferdefreunden noch mit auf den Weg geben?

Hör‘ auf dein Herz! Dein Pferd hat dir längst gesagt, wer es ist, was es braucht, was es dir sagen möchte. Dein Herz hat es längst verstanden. Vielleicht ist dein Kopf zu laut oder dein Umfeld kommt dir mit vermeintlichem Pferdeverstand in die Quere. Aber am Ende weißt du es am besten. Weil nur du deinem Pferd wirklich zuhörst. Trau dich, deiner inneren Stimme zu folgen, denn dein Pferd hat sie gesprochen.

Vielen Dank Catherin für deine ausführlichen und interessanten Antworten auf unsere Fragen, die sicher so manchen Pferdefreund zum Nachdenken anregen werden.

Wenn du jetzt noch mehr Informationen über Catherin Seib und ihre interessante Arbeit erhalten möchtest, findest du diese auf auf ihrer Website „Pferde Verstehen„.

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