Elisabeth und Andreas Weingarten im Interview
„Bei allem, was wir mit und für die Pferde tun, versuchen wir das mit liebevoller Konsequenz zu tun. Das ist unser Motto für die Ausbildung der Pferde und für den gemeinsamen Weg mit den Pferden. Ob beim Reiten, der Bodenarbeit, dem Fahren, der Haltung, der Gesundheit, der Sicherheit und den vielen, vielen anderen Themen rund um das Pferd – die Liebe zum Pferd, die Freude an der Sache und die stete Auseinandersetzung mit dem eingeschlagenen Weg sowie die Fortbildung von Mensch und Tier stehen im Mittelpunkt.“
Diese Einleitung auf der Website PFAIRD sagt schon, genau wie der Name, so vieles über Andreas Weingarten und seine Tochter Elisabeth zu ihrer Beziehung mit den Pferden aus. Einem fairen Umgang mit ihnen haben sich die beiden verschrieben und setzen das auch in allen Bereichen um. Aber nicht nur das: die Working Equitation ist ihre große Leidenschaft und auch hier sind sie sehr erfolgreich unterwegs. Nachdem Elisabeth sich durch intensives Training bei Katrin Frankenberger, Silvia Bach-Neiser und Nuno Avelar weiterbildete, ist sie derzeit Reiterin in der Masterclass (S) mit ihrer Stute Joya Nalia und hat zudem 2 weitere Nachwuchspferde in der Ausbildung.
Ihr Vater Andreas ist eher der Macher im Hintergrund. Zu den Pferden ist er eigentlich durch das Kutschenfahren mit seiner Schwester gekommen und hat hier auch zunächst seinen Schwerpunkt gesetzt. Neben Longier- und Fahrabzeichen haben dann auch Kurs- und Seminarbesuche ihre Eindrücke hinterlassen und so rückte ebenfalls die Haltung und der Umgang mit den Pferden in den Fokus. Nachdem seine Tochter Elisabeth die Working Equitation für sich entdeckte, ist auch diese stark ins Zentrum des Interesses gerückt. Inzwischen bildet Andreas Pferde für die Working Equitation aus, unterstützt seine Tochter und ist sogar im Parcourbau der Working Equitation tätig.
Die Familie Weingarten ist schon ein tolles Team und aus der Working Equitation Szene nicht mehr wegzudenken. Aber auch in den anderen Bereichen der Pferdewelt haben Elisabeth und Andreas Weingarten wertvolle Akzente gesetzt und können Pferdefreunden wichtige Anregungen geben. Daher haben wir den beiden einfach einige Fragen gestellt:
Pferde faszinieren uns auf besondere Weise und so manche/r erliegt früher oder später ihrem Charme. Wie seid Ihr zu den Pferden gekommen und was fasziniert Euch an diesen wunderbaren Geschöpfen?
Elisabeth: Schon als kleines Mädchen war ich vernarrt in Tiere. Eine Igelauffangstation, ein Rettungsteam für Frösche, der Familienhund als ständiger Begleiter, Nachbars Haflinger oder meine Tante mit Ihrem Pferd vor der Kutsche oder unter dem Sattel – alle begeisterten mich und legten wohl das Fundament für die Pferdeliebe. Diese wurde durch Unterricht, passende Gelegenheiten und schlussendlich auch als gemeinsames Hobby mit meinem Vater zur Passion und bildet heute einen großen und wertvollen Teil meines Lebens.
Andreas: durch Helfereinsätze beim Kutschenfahren entstand der Wunsch, selbst mal die Leinen zu halten. Nach dem ersten Fahrkurs kam das erste Familienpferd, dann das erste eigene Pferd usw. Mittlerweile haben wir einen eigenen kleinen Offenstall für unsere mittlerweile drei Pferde und so ist auch die pferdegerechte Haltung – neben der Ausbildung von Pferden und Reiterinnen, den Kursen für die Working Equitation – eine Passion geworden.
Uns beide fesseln die „sanften Riesen mit den langen Nasen“ mit Ihrer Eleganz, ihrem Wesen und ihrer Freundlichkeit.
Der Name Eures Angebotes PFAIRD macht schon deutlich, dass der faire Umgang mit dem Pferd bei Euch im Mittelpunkt steht. Was bedeutet für Euch „fairer Umgang“?
Auch unsere Pferde sind – wie die allermeisten in Europa – Pferde zum „Gebrauch“ im weitesten Sinne. Sie haben keine ernsthafte wirtschaftliche Bedeutung für uns, müssen nicht für ihren Broterwerb arbeiten. Dennoch arbeiten wir mit ihnen. Wir bilden sie aus und geben ihnen Wertschätzung und Aufgaben. Wir verlangen etwas und geben ihnen im selben Maße aber auch die Möglichkeit, Pferd zu sein und ihre Natur auszuleben, soweit es in unserem Rahmen möglich ist. Fairness stellen wir bei allen Ausbildungsschritten in den Vordergrund und dazu gehört auch die Gesundheit der Tiere. Das beginnt bei der Haltungsform, der Fütterung, dem Verhältnis zum Pferd. Es endet nicht in den Unterrichtseinheiten und auch nicht beim Transport oder dem Einsatz in Trainingsstunden oder Turnieren…
Das Ziel jeder Ausbildung sollte es sein, Pferd und Reiter zu fördern. Wie würdet Ihr Euer Konzept und Eure Arbeit im einzelnen beschreiben?
Wir haben uns – wie oben angerissen – einem fairen Umgang mit den Pferden verschrieben. Das verpflichtet auch für den Unterricht. Wir möchten jeder Schülerin/jedem Schüler – ausgehend von seinem aktuellen Stand (und dem des Pferdes) – Wege aufzeigen, seine Ziele zu erreichen. Unser Ziel ist dabei stets, den Umgang mit dem Pferd so zu gestalten, dass Reiter*in und Pferd ihre Ziele erreichen können UND der Umgang fair und gesund für beide Beteiligte ist.
Manchmal ist das mit einfachen und kleinen Tipps möglich, manchmal muss eigentlich der ganze Ausbildungsweg neu begangen werden. In jedem Fall geht es um das Verstehen, wie ein Pferd lernt und wie man ihm dann die kleinen Schritte beibringen kann, welche am Schluss ein harmonisches Miteinander von Mensch und Tier ermöglichen. Ob beim einfachen Ausritt in die Umgebung oder bei der Teilnahme an einem Turnier.
Je nach Ausbildungsstand kann das Training am Boden beginnen, an der Longe mit und ohne Reiterin, mit einfachen Dressuraufgaben oder auch in einem Trail, der die Dressur aufgabenbezogen macht und meist erstaunliche Fortschritte des Pferd/Reiterpaares hervorbringt. Die „First Contact“ genannten Einheiten sind kleinen Kindern, Kindern oder auch Wiedereinsteigerinnen gewidmet, welche nicht mit dem eigenen Pferd kommen, sondern den Flair des Pferdes beim Putzen und Kennenlernen des Pferdes mitbekommen möchten. Wohin dann sowas führen kann, sieht man an unserer Geschichte…
Es gibt die unterschiedlichsten Reitweisen und Ausbildungsmethoden für Pferd und Reiter. Working Equitation ist inzwischen zu Eurer Passion geworden. Was genau ist Working Equitation und was fasziniert Euch daran?
Hier müssen wir uns zurückhalten, denn da gibt es ja sooo viel zu sagen… Wir lassen also mal den WED (Working Equitation Deutschland e.V.) zu Wort kommen: „Seit einigen Jahren etablierte sich auch in Deutschland mehr und mehr eine wunderbare neue Reitdisziplin namens ‘Working Equitation’. Entstanden ist die WE als Arbeitsreitweise, sozusagen aus der Notwendigkeit auf den Feldarbeiten bei Rinder- und Pferdezüchtern mit dem Pferd zu arbeiten. Dieser Sport besteht aus vier Teildisziplinen (Dressur, Stiltrail, Speedtrail und Rinderarbeit) und stellt höchste Ansprüche. Er vermittelt größte Vielseitigkeit, sowie Freude an der Harmonie durch das Miteinander von Reiter und Pferd. Da die WE auf der Grundlage von gut und korrekt dressurgerittenen Pferden basiert, die losgelassen, wendig, mutig und fein reagieren müssen, ist Deutschland, obgleich kein Land mit ‘Rinderhirten’, aufgrund seiner Reitdisziplin und Freude am Reitsport das ideale Land, um einen so schönen Sport zu fördern. Jede Pferderasse, jede Altersklasse von Reiter und Pferd, jeder ernsthafte, begeisterte Reiter findet in dieser vielseitigen Wettkampfart seine Freude!“
Uns faszinierte die Möglichkeit, diesen Sport mit jeder Pferderasse ausüben zu können (mit unserem Knabstrupper waren wir auf FN Veranstaltungen stets Aussenseiter) und die Vielseitigkeit, der Ausbildung, welche für ein erfolgreiches Worker Pferd nötig ist. Wir suchten nämlich eigentlich eine Sportart, bei der wir unsere zwei Jungpferde mit klassischer Ausbildung einsetzen könnten. So kamen wir vor einigen Jahren zur WE und haben das nicht bereut. Heute kombinieren wir die Hindernisse der Trailaufgaben mit den Lehrzielen der klassischen Dressur und Elisabeth kann so vielen Schülerinnen und deren Pferden einen spannenden Weg zu gesunden, zufriedenen und sportlich agilen Pferden zeigen.
Haltung, Gesundheit und Ernährung sind wesentliche Punkte für das Wohlergehen eines jeden Pferdes. Wie sollte eine artgerechte Pferdehaltung aussehen?
Die Basis für gesunde Pferde ist für uns die Haltung. Pferde sind für Bewegung gemacht. Große Teile eines gesunden Pferdes hängen mit der Bewegung zusammen, Hufe, Beine, Kreislauf, Verdauung, Atmung und vieles mehr sind direkt an die Bewegung gekoppelt. Da liegt es nahe den Pferden Bewegung zu verschaffen. Das Prinzip des Paddock Paradise, die Aktivstallhaltung, der Offenstall – all diese Haltungsformen verschreiben sich ja der Bewegung.
Also haben auch wir unsere Pferde rausgelassen. Sie können 24 Stunden auf der Anlage gehen, liegen, wälzen, toben. Das ganze Jahr… Für uns ist das der erste Schritt (sprichwörtlich). Platz, Unterstellmöglichkeiten, Wetterschutz, Bodenbefestigung… Es folgt dann die bewusste Beschäftigung mit dem Futter. Ein weites Feld und in unserer Agrarlandschaft zunehmend eine Herausforderung. Denn gutes Heu ist Handwerkskunst und nicht selbstverständlich. Sauberes Wasser, eine passende Insektenstrategie, vielfältiges Pflanzenleben usw. …
Dann sind Stützen unserer Haltung ein guter Schmied (seit 15 Jahren an unserer Seite), ein guter Tierarzt (seit 12 Jahren haben unsere Pferde dieses Team) und zwei Heu/Heulagelieferanten. Und – nicht zu vergessen – eine Familie und Freunde, die einen nicht fallen lassen, weil man ein zeit- und kostenintensives Hobby hat!
Welchen Rat möchtet Ihr zum Schluss anderen Pferdefreunden noch mit auf den Weg geben?
Ein pauschaler Rat für alle Pferdefreunde? Eine schwierige Frage. Im persönlichen Gespräch ergeben sich viele Anknüpfungspunkte für interessante Gespräche. In den Unterrichtseinheiten ist es oft sehr lustig und die kleinen aber feinen „Aha-Momente“ sind wertvolle Erlebnisse für uns alle. Wir möchten auch nicht besserwisserisch agieren, denn jeder Pferdefreund hat seine Baustellen und seine Stärken. Aber was sich im Zusammenhang mit Pferden auf jeden Fall sagen läßt: „Wirf dem Pferd Dein Herz voraus und es wird ihm folgen…“