Claudia Butry im Interview
Aufmerksamkeit, Sensibilität und Einfühlungsvermögen, dies sind für Claudia Butry die elementaren Bausteine bei der Arbeit mit Pferd und Reiter. Als mittlerweile gefragte Ausbilderin konnte die ehemalige Journalistin bereits 2004 ihren Traum in die Tat umsetzen, die Arbeit mit Pferden zu ihrem Beruf zu machen. Seit Kindesbeinen ist sie von Pferden fasziniert und Reiten war für sie stets nicht nur ein Hobby, sondern vielmehr Berufung und Leidenschaft.
Das Herz von Claudia Butry schlägt besonders für die Dressur, aber die vielseitige Grundausbildung von Reiter und Pferd ist ihr ebenso wichtig. Pferdegerechtes Reiten, Gesunderhaltung, Leichtigkeit und Harmonie zwischen Pferd und Reiter sind ihr daher ein großes Anliegen. Dafür scheut sie auch den Blick über den sogenannten Tellerrand nicht, der sie aufgeschlossen gegenüber verschiedenen Lehren machte. Davon profitieren nicht nur die Pferde, die sie ausbildet, sondern auch ihre Reitschüler.
Das nötige Wissen und die entsprechenden Fähigkeiten hat sich Claudia Butry in mehr als 30 Jahren Pferdeerfahrung angeeignet. Außerdem hat sie zahlreiche Aus- und Weiterbildungen absolviert. So ist sie heute nicht nur Trainerin A Leistungssport, sondern ebenfalls ausgebildete Bewegungstrainerin nach Eckart Meyners, Neuroathletic Trainerin sowie qualifizierter OsteoConcept Coach. Dies versetzt sie in die Lage, modernste Kenntnisse aus der Wissenschaft mit der klassischen Reitlehre zu verbinden.
Darauf ruht sich Claudia Butray allerdings nicht aus. Vielmehr bildet sie sich regelmäßig in Trainingseinheiten und Seminaren z.B. bei Anja Beran und Richard Hinrichs weiter. Damit auch jeder davon profitieren kann, hat sie sogar ihre umfangreichen Erfahrungen aus ihrem Reiter- und Trainerleben in ihrem Buch „Ein ganzes Pferdeleben in unseren Händen“ zusammengefasst und teilt ihr Wissen auch bei Vorträgen in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Belgien und den Niederlanden.
Bei all dem verliert Claudia Butry aber auch die Bedürfnisse der Pferde nie aus den Augen und macht sich für einen verantwortungs- und respektvollen Umgang mit ihnen stark. Dies macht sie für mich zu einem echten Pferdemenschen und ist daher Anlass genug, ihr einige wichtige Fragen zu stellen:
Frau Butry, Pferde sind einfach wunderbare Geschöpfe. Wie sind Sie zu den Pferden gekommen und was fasziniert Sie an ihnen?
Einfach alles! Sie sind so unfassbar sanft und fein, so klar und absolut im Jetzt. Mit Pferden zusammen zu sein ist heilsam für die Seele und ist für mich eine Insel der Achtsamkeit und Freude. Dabei sind Pferde so kraftvoll und stark. Beim Reiten erfüllt es mich mit Ehrfurcht und Dankbarkeit, wenn mir das Pferd seine Kraft quasi zur Verfügung stellt und wir uns in Harmonie gemeinsam bewegen.
Den prägenden Kontakt mit diesen wunderbaren Wesen hatte ich als Kind im honduranischen Urwald. Mein Vater betreute dort ein Staudammprojekt und wir lebten weit entfernt von jeglicher Zivilisation in einem eigens angelegten Camp. Die dort umherstreifenden Bauernpferde erregten bald mein Interesse und die „Infektion“ mit dem Pferdevirus ließ nicht lange auf sich warten.
Wenn wir uns auf die Pferde einlassen, können wir so viel von ihnen lernen. In Ihrem Buch habe ich gelesen, dass Sie sich immer besondere Pferde ausgesucht haben. Warum war das so und was haben Sie bisher von diesen lernen dürfen?
Wenn ich das so genau wüsste. Im Grunde meines Herzens glaube ich ja eher, dass sich die Pferde ihre Menschen aussuchen. Von Natur aus neugierig und auf Abenteuersuche, habe ich mich immer zu Pferden hingezogen gefühlt, die eine Herausforderung darstellen. Dem Rätsel des einzelnen Pferdes auf die Schliche zu kommen, einen Zugang zu ihm zu finden und sein Vertrauen zu gewinnen ist eine kniffelige Angelegenheit. So kommt niemals Langeweile oder Routine auf und man hat unendliche Möglichkeiten zu lernen, zu forschen und sich weiterzuentwickeln.
Von diesen besonderen Pferden habe ich gelernt (und lerne immer noch) geduldig zu sein, niemals aufzugeben, mich und meine Bedürfnisse zurückzustellen und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen – auch solchen, die nicht direkt auf der Hand liegen. Jedem Reiter, der mit einem solch speziellen Pferd zu tun hat, kann ich nur raten, sich auf diese Aufgabe einzulassen und nicht davor wegzulaufen. Denn dadurch lernt man nicht nur viel übers Reiten, sondern auch über sich selbst. Und ja, man muss schon ein wenig masochistisch veranlagt sein, um sich diesem manchmal gnadenlosen Spiegel zu stellen 😉
Als Tier, welches stark von der Natur und den eigenen Instinkten geprägt ist, stellt das Pferd besondere Anforderungen an den Umgang mit ihm. Was ist aus Ihrer Sicht dabei zu beachten?
Sicherheitsaspekte, auch wenn sie noch so angestaubt wirken, sollten unbedingt beachtet werden, wie z.B. Handschuhe beim Führen tragen, festes Schuhwerk und eine Kappe beim Reiten. Pferde sind und bleiben Flucht- und Herdentiere, auch wenn sie sich uns Menschen noch so stark anschließen. Deshalb ist es wichtig, immer aufmerksam und wachsam zu bleiben. Pferde sind keine Spielzeuge oder Kuscheltiere.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist für mich die Tatsache, dass wir es mit Persönlichkeiten zu tun haben. Pferde sind fühlende Lebewesen, haben individuelle Bedürfnisse und ein Recht auf einen respekt- und würdevollen Umgang. Eine artgerechte Haltung und eine pferdegerechte Ausbildung sind ein Muss!
Haltung, Gesundheit und Ernährung sind wesentliche Punkte für das Wohlergehen eines jeden Pferdes. Wie sollte Ihrer Meinung nach eine artgerechte Pferdehaltung aussehen?
Das ist ein wirklich weites Feld, dass sicher den Rahmen dieses Interviews sprengen würde. Nur so viel: so viel Licht, Luft, freie Bewegung und Sozialkontakt wie irgend möglich sind unumgänglich. Dazu eine angepasste Fütterung mit hoher Futterqualität und man hat schon mal eine gute Grundlage. Je artgerechter die Haltung, umso leichter tun sich Pferd und Reiter auch mit der Arbeit unter dem Sattel.
Dass ein Pferd, welches sich in freier Wildbahn bis zu 16 Stunden zwecks Futteraufnahme im Herdenverband bewegen würde, nach 23 Stunden Boxenknast in Isolation mit langen Fresspausen, nicht losgelassen und zufrieden unter dem Reiter bewegt liegt auf der Hand. Das ist aber leider immer noch für viel zu viele Pferde die Normalität. Wichtig zu erwähnen ist hier, dass aber IMMER das einzelne Pferd und seine Bedürfnisse im Auge zu behalten sind! Der Umkehrschluß, dass jedes Pferd im Offenstall glücklich ist, ist auch nicht unbedingt richtig.
Wie im normalen Leben orientieren wir uns auch in der Pferdewelt häufig an Vorbildern oder holen uns zumindest Anregungen. Wer inspiriert Sie am meisten und vor allem weshalb?
Sitzexperte Eckart Meyners hat mich sehr stark geprägt. Nicht nur in Hinblick auf den Reitersitz durfte ich extrem viel von ihm lernen. Auch sein Wissen darum, wie Menschen Bewegung lernen und welche Aspekte dabei eine große Rolle spielen, zieht sich wie ein roter Faden durch meine Ausbildertätigkeit und begleitet mich beständig.
Bezogen auf die dressurmäßige Gymnastizierung und die Bearbeitung der natürlichen Schiefe des Pferdes ist mir Anja Beran ein großes Vorbild und eine fantastische Lehrerin. Mit der klassischen Reitkunst hat man ein wunderbares, pferdegerechtes Instrumentarium an der Hand, um auch schwierige Pferde zu motivierten Reitpferden auszubilden.
Darüber hinaus ziehe ich sehr viel Inspiration aus dem Lesen reitfachlicher Literatur. Das wirkt heutzutage vielleicht ein bisschen altbacken, aber die Schriften der Alten Meister bieten ein Füllhorn an Ideen, Lösungsvorschlägen und wichtigen Hinweisen, denen es nachzugehen lohnt.
Es ist etwas unglaublich Schönes, seinen Weg mit den Pferden gefunden zu haben. Wie würden Sie Ihren Weg und Ihre Ziele mit den Pferden beschreiben?
Wie das Wort Weg schon andeutet, unterliegen meine Ziele einem stetigen Wandel. Als junge Reiterin wollte ich auf dem Turnier glänzen, besondere Lektionen reiten können, einen perfekten Sitz haben und tolle Pferde reiten. So wie wahrscheinlich viele Mädchen vor und nach mir auch. Unterwegs auf dieser Reise habe ich dann verstanden, dass es nicht um mich geht, sondern um das Pferd und mich als Team, als Verbündete, als harmonische Einheit.
Ich musste erst lernen von meinen Bedürfnissen loszulassen, um eine echte Verbindung zu den Pferden zu bekommen. Und ich stelle immer mehr fest: wenn das reittechnische Rüstzeug vorhanden ist, stellt genau diese Verbindung, dieses gegenseitige In-Sich-Hineinfühlen, das Zünglein an der Waage dar, welches des Unterschied zwischen mechanischem, vielleicht korrektem Reiten und wahrer Reitkunst ausmacht.
Und das ist mein reiterliches Ziel: mit dem Pferd eine Verbindung herzustellen, in der es gelingt sich quasi mittels Gedankenübertragung in Leichtigkeit und Harmonie miteinander zu bewegen. Und dabei sollten beide Parteien reine Freude empfinden können. Man darf ja mal träumen… 😉
Frau Butry, Sie haben bereits viele Jahre Erfahrungen mit Pferden sammeln dürfen und sich einen sehr guten Ruf als Ausbilderin erarbeitet. Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Es ist mir ein Anliegen, das Wissen über eine pferdegerechte Ausbildung und einen respektvollen Umgang mit dem Pferd zu vermitteln. Über Jahrhunderte haben die Pferde den Menschen gedient, es ihnen ermöglicht Zivilisation und Industrialisierung voranzutreiben. Dafür haben sie hohe Opfer gebracht. Als Fluchttiere für den Menschen in den Krieg zu ziehen, schwere Lasten über weite Strecken zu transportieren und ihrem Herrn treu zu dienen, sind nur einige wenige Beispiele. Es wird Zeit, den Pferden etwas zurückzugeben und sie mit der nötigen Achtung und Respekt zu behandeln. Um dies umsetzen zu können, werde ich weiter danach, streben mein Wissen zu erweitern.
Welchen Rat möchten Sie zum Schluss anderen (Pferde-) Menschen noch mit auf den Weg geben?
Der Umgang mit Pferden ist hochkomplex, vielschichtig und ist vergleichbar mit einem Puzzle mit mindestens einer Million Teilen. Neben einer großen Portion Liebe und Respekt für die Pferde, Selbstkritik, Geduld und Frustrationstoleranz, gehört für mich unbedingt die Weiterbildung zu einem guten Pferdemenschen dazu. Lesen Sie, lernen Sie, bilden Sie sich weiter, sammeln Sie Wissen an, hinterfragen Sie kritisch und hören Sie nie auf der beste Reiter werden zu wollen, der Sie sein können. Die Pferde werden es Ihnen danken.
Vielen Dank Frau Butry für die wertvolle Zeit, die Sie mir geschenkt haben. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Freude bei Ihrer Arbeit mit den Pferden und alles Gute für Ihren weiteren Weg.
Wenn du noch mehr über Claudia Butry und ihre beeindruckende Arbeit erfahren möchtest, dann besuche sie doch einfach auf ihrer Website Neues Reiten oder schaue einmal in ihr interessantes Buch Ein ganzes Pferdeleben in unseren Händen.