Silke Vallentin im Interview

Sie gehört zu den Parelli-Instruktoren der ersten Stunde in Deutschland und gab über 20 Jahre lang mit Leib und Seele ihr Wissen über das Parelli Natural Horsemanship weiter. Inzwischen kann Silke Vallentin auf mehr als 30 Jahre an aktiver Erfahrung und Entwicklung mit Pferden zurückblicken. Dabei sah es anfangs gar nicht danach aus, denn seit einem unverschuldeten Verkehrsunfall 1983 ist sie an den Rollstuhl gefesselt. Trotzdem hat sie den Traum vom eigenen Pferd nie aufgegeben und gilt heute als eine der bekanntesten „Pferdeflüsterinnen“.

Zusammen mit Ihrem Sohn Janek betreibt Silke seit 2019 auf ihrem Hof in Bröhsen das Ausbildungszentrum Hippocampus-Vallentin. Auf der Anlage mit artgerechter Pferdehaltung begleiten die beiden und ihr Team interessierte Pferdemenschen und ihre 4-hufigen Freunde von den Anfängen im Horsemanship über gesunde Bewegung bis hin zu den Lektionen der Hohen Schule – das Ganze auch noch verknüpft mit pferde-osteopathischem Basiswissen. Und damit es nicht langweilig wird, ist Silke mit ihrem Show-Programm zusätzlich in ganz Europa auf Messen und Pferdegalas unterwegs.

Einfühlsame Arbeit mit Pferden
Mensch und Tier im Einklang (Foto: Silke Vallentin)

Trotz allem ist es ihr immer wichtig, Körper, Geist und Seele der ihr anvertrauten Zwei- und Vierbeiner durch eine ganzheitliche Vorgehensweise anzusprechen, um so den Einklang zwischen Mensch und Tier zu fördern. Über genügend Wissen dafür verfügt sie auf jeden Fall, denn zu ihren Lehrmeistern zählten neben den Pferden auch Persönlichkeiten wie Fredy Knie, Alexander Nevzorow, Bent Branderup, Pat Parelli und Ray Hunt. Natürlich wollte ich u.a. wissen, was sie von diesen lernen durfte. Daher habe ich Silke Vallentin einfach einige Fragen gestellt:

Hallo Silke, erst einmal vielen Dank, dass Du Dir trotz Deines vollen Terminkalenders Zeit für meine Fragen nimmst. Beginnen wir daher gleich bei der Ersten: Wie bist Du eigentlich zu den Pferden gekommen und was fasziniert Dich an ihnen?

Pferde haben mich schon in frühester Kindheit fasziniert, und es war immer mein Traum, mal ein eigenes Pferd zu besitzen und vielleicht sogar Pferdetrainerin zu werden. Nach meinem schweren Unfall schien der Traum geplatzt. Aber letztlich hat er mich noch mehr angespornt, mein Ziel zu verwirklichen.

Was ist Dir besonders wichtig beim Umgang mit Pferden und der Ausbildung von ihnen?

Ich will verstehen, wie das jeweilige Pferd, dem ich begegne, kommuniziert. Da können Pferde nämlich grundverschieden sein. Die einen sind vorsichtig und neugierig, andere impulsiv, manchmal aufdringlich und wieder andere schüchtern und in sich gekehrt. Die Herausforderung an mich: die jeweilige Persönlichkeit zu erkennen und zu versuchen, eine mentale Verbindung zu dem Pferd herzustellen. Denn nur so kann eine feine, nur auf Gesten basierende Kommunikation stattfinden. Ich finde es wichtig, die Pferde in der Gymnastizierung und gesunden Bewegung zu unterstützen. Die Partnerschaft steht dabei für mich vor der Lektion. Wenn ein Pferd sich durch meine Hilfe schöner fühlt, sich seine Grundgangarten verbessern, es athletischer wird und dadurch mehr Ansehen im Herdenverband bekommt, erfüllt es mich mit Freude.

Durch Deinen Unfall vor vielen Jahren hat sich Dein Leben wahrscheinlich grundlegend verändert. Welchen Einfluss hatte dieses Ereignis auf deinen Umgang mit Pferden?

Wie ich schon sagte: Nachdem ich mich damit abgefunden hatte, nicht mehr gehen zu können, hat mich das eher noch mehr angespornt, mein großes Ziel vom eigenen Pferd zu verwirklichen. Damals hätte ich mir nicht vorstellen können, einmal als Pferdetrainerin meinen Lebensunterhalt zu verdienen.

In vielen Dingen holen wir uns gerne Anregungen von anderen. Von wem in der Pferdewelt hast Du Dich am liebsten inspirieren lassen und weshalb?

Ja, ich habe viele Pferdetrainer gesehen und schätze die meisten davon. Aber Pat Parelli war der Trainer, der mein Pferdeleben grundlegend verändert hat. Er hat mir gezeigt, dass man nicht viel Kraft braucht oder schnell laufen können muss, um mit einem Pferd umzugehen. Wenn man mit den Pferden so spricht, wie sie untereinander miteinander kommunizieren, dann genügen kleine Gesten, um sie spielerisch und gewaltfrei selbst zu anspruchsvollen Lektionen zu trainieren. Pat Parelli hat an mich geglaubt und mir zugetraut, es zu schaffen – und mich in meinen Anfängen sehr unterstützt. Weiterführend fasziniert mich die Akademische Reitweise und ich bin dankbar für das Wissen, das ich bei Bent Branderup finden konnte.

Schneller, höher, weiter – schaut man sich so in den sozialen Medien oder im Reitsport um, werden die Aktionen mit Pferden immer spektakulärer. Dabei geht häufig der Respekt vor den Pferden verloren. Wie siehst Du das?

Was soll ich dazu sagen? Wer sein Pferd zum Sportgerät degradiert, wem Ruhm und Ehre wichtiger sind als das Wohlergehen des Tieres, der hat auch den Respekt vor dem Pferd verloren. Derjenige wird auch bereit sein, das Pferd durch mehr Härte zu höherer Leistung zu zwingen. Ich zitiere gerne Pluvinel, der einmal gesagt hat: „Auf ein Pferd, das aus Angst gehorcht, ist kein Verlass. Es wird immer etwas geben, vor dem es sich mehr fürchtet, als vor dem Reiter. Wenn es aber seinem Reiter vertraut, wird es ihn fragen, was es tun soll, wenn es sich fürchtet.“

Vertrauen zwischen Mensch und Pferd
Vertrauen (Foto: Maria Fotoristika)

Im Jahr 2017 hast Du zusammen mit Sandra Schneider, Vivian Gabor, Sebastian Nolewajka und noch weiteren bekannten Trainern am ersten Mustang Makeover Germany teilgenommen – einem Event der etwas anderen Art. Was hat Dich dazu bewogen, dort mitzumachen und was hast Du für Dich selbst aus dieser Zeit mitgenommen?

Mich hat es gereizt, ein Pferd zu trainieren, das frei in seiner Herde aufgewachsen ist und bisher nur wenig Menschenkontakt hatte. Und ich wollte eines der gefährdeten Mustangs retten. Die Arbeit mit meiner „River“ war spannend, und es hat mehrere Tage gedauert, bis wir anfingen, dieselbe Sprache zu sprechen. Durch meine bereits gebuchten Kurse hatte ich weniger als 100 Tage Zeit fürs Training – das war deutlich zu wenig, zumal sich mein Mustang ja auch an meine Co-Trainerin Zoe gewöhnen musste, die für mich das Reiten übernahm.

Ich finde, dass die geforderten gerittenen Galoppwechsel eine solide Vorbereitung und Gymnastizierung des Pferdes benötigen. Allein Faszien und Muskeltraining braucht seine Zeit, ganz zu schweigen von der korrekten Lastaufnahme usw. Es ist schwer, die Balance zwischen Schubkraft, Tragkraft, Federkraft in so kurzer Zeit und dementsprechend eine korrekte Kraftübertragung zu fördern. Ich habe mich gefreut, dass „River“ doch so entspannt war, alle Aufgaben zu versuchen, sich sogar ohne Scheu vor Publikum ablegen ließ. Galopppirouetten und Wechsel hat sie dann in der Bodenarbeit gezeigt. Dass ich den Mustang am Ende selbst ersteigere, war eigentlich nicht geplant. Aber ich habe es nicht übers Herz gebracht, das Pferd wieder herzugeben.

Um unseren Pferden gerecht zu werden, müssen wir den Umgang mit ihnen ganzheitlich betrachten. Dazu gehören nicht nur die Ausbildung, sondern vor allem auch die Haltung. Wie sieht für Dich eine artgerechte Pferdehaltung aus?

Artgerechte Pferdehaltung ist das, was wir seit Jahren bei uns praktizieren: Ich habe eine Paddock-Trail-Anlage bauen lassen, quasi die Weiterentwicklung des Aktivstalls. D.h.: Wir möchten, dass sich die Pferde möglichst viel freiwillig bewegen. Erreicht wird das über abgezäunte Wege oder Auslauf-Bereiche, die in einander übergehen. Als Bewegungsanreiz im Paddock Trail dienen verschiedene Heustellen, Ruhebereiche, die Wasserstellen und Zugang zur Weide. Ich möchte so gut es geht eine Haltung simulieren, wie Pferde in der freien Natur leben.

Mit dem Hippocampus-Vallentin hast Du zusammen mit Deinem Sohn ein tolles Reich für Mensch und Pferd geschaffen. Wie kamst Du auf die Idee und was bietest Du dort konkret an?

In den letzten 20 Jahren durfte ich ja auf sehr vielen Höfen zu Gast sein, habe in ganz Europa unterrichtet. Das hat viel Spaß gemacht. Aber wenn man älter wird, braucht man einen Rückzugsort für sich und seine Lieben. So war ich schon seit einigen Jahren auf der Suche nach einem geeigneten Hof, wo sich auch meine Pferde wohlfühlen können. Vor gut 15 Jahren (2006) habe ich ihn gefunden – und nach und nach zu einer Oase für Mensch und Pferd ausgebaut.

Zusammen mit meinem Sohn und dem Hippocampus-Team biete ich Ferienkurse, Wochenendseminare und Workshops an. Ich möchte meine Erfahrungen in der gewaltfreien Kommunikation mit Pferden, mein Knowhow an wissbegierige Pferdemenschen weitergeben. Seit zwei Jahren bilde ich auch eigene Hippocampus-Trainer aus, die in meinem Namen deutschlandweit vor Ort unterrichten.

Zusätzlich haben wir unsere Onlinepräsenz erweitert: Inzwischen bieten wir auch online-Lehrvideos zum Streamen an. Und wir haben unsere eigene, handgefertigte Hippocampus-Ausrüstung entwickelt: Kappzäume und Knotenhalfter-Kappzäume für die feine Kommunikation…

Beziehung zum Pferd
Vielfältige Möglichkeiten (Foto: Maria Fotoristika)

Du hast schon so vieles erreicht in Deinem Leben – welche Pläne hast Du noch für die Zukunft?

Ich möchte mich selber weiterentwickeln und ein starkes Team fördern. Gern würde ich gemeinsam mit meiner Lektorin noch ein zweites Buch schreiben, das erste Mit Horsemanship zur Hohen Schule* war ein Bestseller. Ich möchte gern vielen Menschen helfen, mit der Ausbildung zum Hippocampus-Instruktor ihrem Traumberuf des „Pferdeflüsterers“ ein Stück näher zu kommen.

Welche persönlichen Rat möchtest Du zum Schluß anderen Pferdefreunden mit auf den Weg geben?

Resonanz ist Heilung – geht in Resonanz mit den Pferden und eurer Umwelt. Vertraut auf euer Herz, euer Gefühl und hört auf, Pferde endlos im Kreis zu schleudern und mit mechanischen Hilfsmitteln zu irgendwas zwingen zu wollen. Und vor allem: Hört nie auf zu lernen!

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