Kerstin Wickardt im Interview

Dem Alltag und Stress entfliehen, wie könnte man das besser als bei einem tollen Wanderritt in der schönen Landschaft des Naturpark Hohe Mark? Als Geländerittführerin beitet Kerstin Wickardt aus dem Westmünsterland genau dies an und ermöglicht uns damit, Augen und Herz zu öffnen und die Momente auf dem Rücken der Pferde zu genießen. Aber nicht nur im Wanderreiten kennt sie sich gut aus, auch in der Bodenarbeit und Naturheilkunde hat Kersten sich umfangreiches Fachwissen erworben. Dazu tragen sicher auch Ihre Ausbildungen zur Tierpsychologin und Tierheilpraktikerin bei. Aber nicht nur hier, sondern auch in allen anderen Bereichen der Pferdewelt hat Kerstin sich schlau gemacht.

Ob Extremtrail bei Andrea & Hardy Baumbach, Bewegungslehre nach der Franklin-Methode bei Christiane Maneke, Hufkurs bei Armin Kasper, Reiten aus der Körpermitte bei Vera Kehrer, das Sommercamp im Kommunikationszentrum Stephanshausen bei Ralf Heil und Susanne Neff, die Weiterbildung im Freizeitreitzentrum von Ursula Bruns bei Jochen Schumacher oder auch zahlreiche andere Kurse bei namenhaften Profis in Bodenarbeit, Verladetraining und Round-Pen, diese umfangreichen Erfahrungen ermöglichen es Kerstin auf jeden Fall, Pferd und Reiter ganzheitlich zu betrachten. Hinzu kommt nach eigener Aussage ihre Fähigkeit, sich gut in andere hineinversetzen zu können.

Dies kommt Kerstin besonders bei Reitern zugute, die eine Angst vor dem Pferd oder dem Reiten entwickelt haben, denn sie selbst hatte schon einen schweren Reitunfall. Mit Hilfe ihres umfangreich erworbenen Wissens und ihren langjährigen praktischen Erfahrungen hat sie es sich daher zur Aufgabe gemacht, Mensch und Pferd (wieder) in die Natur zu bringen. Dabei stehen der natürliche Umgang mit gegenseitigem Respekt, Verständnis, Einfühlungsvermögen für Mensch und Pferd bei ihr an erster Stelle. Diese Hingabe haben uns sehr beeindruckt und daher haben wir Kerstin einige für uns wichtige Fragen gestellt, um mehr über sie und ihren Umgang mit den Pferden zu erfahren:

Kerstin, Pferde sind einfach wunderbare Geschöpfe und sie faszinieren uns immer wieder aufs Neue. So mancher fühlt sich von diesen edlen Tieren magisch angezogen. Wie bist Du zu den Pferden gekommen und was fasziniert Dich an ihnen?

Tiere spielten schon im Kindesalter bei mir eine große Rolle. Die Liebe zu den Pferden habe ich meinem Vater zu verdanken, er brachte mich ans Pferd, wo immer sich eine Gelegenheit fand. So wurde ich mit dem Virus Pferd infiziert, was ich aber erst viel später bemerkte, das an ein Leben ohne Pferde nicht mehr zu denken ist. Mein Vater kaufte auch das erste Familienpferd, einen Angloaraber gerade mal 4 Jahre jung.

Aus Unwissenheit wurden viele Fehler gemacht, das wollte ich ändern und begann zu lernen, Bücher und Kurse folgten. Ein Ausbilder gab mir den Rat, mein bisher angeeignetes Wissen in eine Ausbildung zu wandeln, neben dem Beruf (gelernte Einzelhandelskauffrau) als Einrichtungsberaterin und der Kinder folgte darauf das Studium zum Tierheilpraktiker und später das Studium zum Tierpsychologen.

Reiterlich zog es mich schon immer in die Natur und kam so zum Wanderreiten. Was zeitlich manchmal etwas schwierig ist, aber auch nur für ein paar Stunden die hektische Welt zu verlassen und mit den Elementen eins zu werden bringt einem viel Energie zurück. Pferde inspirieren mich und lassen mich jeden Tag etwas Neues lernen. Ich habe gelernt im Hier und Jetzt zu sein und mich auf mein Gegenüber einzulassen, zuzuhören und genau hinzuschauen, mich nicht mit Dingen zu belasten, die ich weder in der Vergangenheit oder Zukunft beeinflussen kann.

Pferdetraining
Zuhören und genau hinschauen (Foto: Kerstin Wickardt)

Haltung, Gesundheit und Ernährung sind wesentliche Punkte für das Wohlergehen eines jeden Pferdes und haben auch Einfluss auf den Umgang mit ihm. Was bedeutet für Dich artgerechte Pferdehaltung, wie sollte sie Deiner Meinung nach aussehen und wie leben deine Pferde?

Es spielen viele Faktoren eine Rolle, um eine artgerechte Haltung bieten zu können, jeder Pferdemensch möchte natürlich das Beste für die Pferde, aber was ist das Beste? Offenstall, Aktivstall, Box/Paddock mit täglichem Weidegang, das Angebot ist vielfältig. Eine reine Boxenhaltung ohne freien Auslauf halte ich für ungeeignet. Die passende, individuelle Mischung für jedes Pferd zu finden, ist unsere Aufgabe. Pferde sollten die Möglichkeit haben, sich über einige Stunden ausgiebig frei bewegen zu können, Sozialkontakte pflegen und auch mal im Schutz der Herde auf der Wiese ein Nickerchen machen zu können.

Fütterung und Erhaltung des Gesundheitszustandes sind weitere wichtige Faktoren. Deshalb ist es so wichtig, sein Pferd zu kennen, um bei den Veränderungen der Bedürfnisse reagieren zu können. Ein körperlich und seelisch zufriedenes Pferd ist dann auch in der Lage, seinen Anteil der Arbeit zu leisten und ist mit Freude bei uns. Pferde freuen sich außerdem, wenn wir Zeit mit ihnen verbringen, wie Freunde das so machen. Nie mit Zeitstress zum Stall, sondern Zeit haben für das Pferd. Meine Pferde sind täglich in der Herde draußen und verweilen nachts in einer geräumigen Box, die Fütterung ist individuell an jedes Pferd angepasst.

Als Tier, welches immer noch sehr stark von der Natur und den eigenen Instinkten geprägt ist, stellt das Pferd besondere Anforderungen an einen artgerechten Umgang. Für uns als Partner ist es daher besonders wichtig, uns auf die Bedürfnisse der Pferde einzustellen. Was ist daher aus deiner Sicht als Tierheilpraktikerin, Geländerittführerin und Trainerin wichtig beim Umgang mit Pferden?

Genau! Das ist es, wir müssen uns einstellen, wir müssen lernen, in die Welt der Pferde einzutauchen, sie verstehen, mit ihren Sinnen denken zu lernen. Ich wollte ein Pferd, dann ist es auch meine Aufgabe, dem Pferd entgegenzutreten und zu sagen: Ja, ich will dich verstehen, ja, ich will dich als Partner. Ich bringe da gerne einen Vergleich, um meine Gedanken besser zu verstehen: Stell dir vor, du möchtest in einem Land Urlaub machen, in dem du nicht ein Wort dieser Sprache verstehst oder sprichst! Du findest aber das Land so faszinierend und hast schon viel davon gehört und willst unbedingt dahin. Erwartest du dann, das alle in diesem Land DEINE Sprache sprechen? Nein natürlich nicht. Und so sehe ich das mit der Kommunikation und Umgang mit Pferden.

Um in einen Dialog mit den Pferden zu treten, übernehme ich natürliche Verhaltungsmuster ihrer Körpersprache. Mein verschiedenes Fachwissen hilft mir dabei, „das Ganze“ zu sehen. Ich kann in der Bodenarbeit sowie beim Reiten im Gelände sehen und fühlen, zu was das Pferd in der Lage ist und wo sich Baustellen befinden. Oft bringt ein Verhalten, was als Verhaltensproblem gesehen wird, vielleicht eine körperliche Einschränkung hervor. Gerade, wenn man sich auf einem Tagesritt oder Wanderritt befindet, liegt das Augenmerk besonders beim Pferd, denn das leistet ja den Löwenanteil des Rittes. Hier lege ich ganz besonders Wert auf das Wohlergehen des Pferdes. Ausrüstung und Trainingszustand müssen der Anforderung angepasst sein. Ich habe Ritte schon verkürzt oder Reiter und Pferd abholen lassen, um so gesundheitlichen Schaden abzuwenden und es einfach dem Pferd gegenüber nicht vertretbar war.

Gemeinsame Zeit mit Pferden
Die gemeinsame Zeit mit Pferden ist wichtig (Foto: Kerstin Wickardt)

Bekannte Horsemen und Pferdemenschen dienen so manchem als Vorbild für die Ausbildung und den Umgang mit seinem Pferd. Auch wenn bei einigen Vorbildern nicht immer alles so pferdegerecht ist, wie es manchmal scheint: wer sind deine Vorbilder in der Pferdewelt und was fasziniert Dich an ihnen?

Ich habe mich in meiner Ausbildung sehr viel mit den einzelnen Methoden beschäftigen können und durfte namhaften Trainern über die Schulter schauen. Dabei habe ich viel gelernt und festgestellt, das es gar nicht die Methode ist, die zum Pferd führt, sondern das jedes einzelne Pferd etwas anderes benötigt. Pferde wollen verstanden werden. Besonders bei Silke Vallentin (Parelli Instruktor) habe ich gelernt, noch mehr auf Kleinigkeiten zu achten und das Pferd schon beim ersten Ansatz des Versuches der Aufgabe zu loben.

Jeder Pferdemensch bietet unterschiedliche Ansätze für verschiedene Ausbildungswege. Ich lasse mich immer wieder inspirieren, um noch besser zu werden und um jedem einzelnen Pferd gerecht zu werden. Man sollte nie auf dem Standpunkt stehen, man wisse alles, im Gegenteil, wir fangen jetzt erst an zu begreifen. Zudem empfinde ich in der Pferdewelt so etwas wie ein Generationswechsel. Viele junge Pferdemenschen betreten gerade die Pferdewelt mit neuen Inspirationen und Ansätzen, es ist schön zu sehen, wie das Wissen weitergegeben wird.

Es ist etwas unglaublich Schönes, seinen Weg mit den Pferden gefunden zu haben. Dein Ziel ist es ja, das Mensch und Pferd zueinander finden, egal welche Ziele diese haben. Wie würdest Du deine Arbeit mit den Pferden sowie Dein Konzept „equus-via“ beschreiben?

Menschen mit Pferden haben ein Idealbild, dem sie folgen möchten, egal welche Inspiration sie haben. Wir Menschen sind heutzutage geprägt von Telekommunikation und Television, wir wollen stets erreichbar sein. Dadurch haben wir verlernt, unser Gegenüber bewusst wahrzunehmen. Pferde lesen und beobachten uns, denn jede Bewegung, jede Mimik hat eine Bedeutung. Wer sich seine Sinne wieder zunutze macht und das Pferd nicht als ständigen Befehlsempfänger sieht, wird verstehen, warum die einfachsten Dinge zu Problemen werden können.

Ich möchte den Menschen die Welt der Pferde näher bringen und die Eigenverantwortung an Pferd und Mensch zurückgeben. Pferdebesitzer werden durch die Medien so gefüttert, das es aussieht, als ob man mit einem rohen Pferd nur ein paar Übungen macht, Halsring drüber und los Geht’s! Naja, ganz so einfach ist es eben nicht. Ich möchte den Menschen den Weg zum Pferd öffnen, ihm zeigen, warum manches eben nicht selbstverständlich ist und was Pferde für uns tun, obwohl ihre Natur was ganz anderes sagt. Ich bringe den Menschen dort hin, wo die eigene Wahrnehmung ihren Ursprung hat, ein Gefühl für sich selbst zu bekommen, für sein tun verantwortlich zu werden, dann kann er sein Handeln verstehen und mit seinem Pferd in den Dialog treten.

Ebenso ist es mir wichtig, dem Menschen ein Gefühl für Zeit zu vermitteln, beim erlernen verschiedener Aufgaben dem Pferd Zeit zum denken zu geben. Kleine Schritte bringen einen auch ans Ziel, man muss nur bereit sein, sich darauf einzulassen, so erhält man eine neue Perspektive der Dinge und kann vieles neu Beurteilen. So auch, wenn manche Übungen, die immer wieder zur Konfrontation zwischen Mensch und Pferd führen, wenn dann nur noch Widerstand herrscht, dort möchte ich durch meine Hilfe alternative Lösungen zeigen, um einen gemeinsamen Weg aus dieser Sackgasse zu finden. Dabei ist es völlig egal, welches Ziel ich mit meinem Pferd habe. equus-via bedeutet frei Übersetzt „Weg des Pferdes….“ – alle Wege für alle Pferde.

Wanderreiten
Alle Wege für alle Pferde (Foto: Kerstin Wickardt)

Kerstin, auch wenn Du deinen Schwerpunkt mittlerweile dahin gehend verlegt hast, dass Du Mensch und Pferd (wieder) in die Natur bringen möchtest, so hast Du doch auch eingehende Erfahrungen in der Pferdeausbildung und der Tierheilkunde. Wie sehen denn Deine Pläne für die Zukunft aus?

Ich erlebe es immer wieder, das Reiter sagen: „Ach, ich würde auch gerne mal an einem Ausritt oder Wanderritt teilnehmen, ABER ich habe Angst oder das Pferd kann das nicht“. Das tut mir dann in der Seele weh, denn ein Pferd, was durch die Evolution zum Laufen in der Natur gemacht wurde und ein Mensch mit der Sehnsucht „Natur“ so ausgebremst zu sehen, ist für keine von beiden Seiten zufriedenstellend.

Ich habe schon hochgradige Dressurpferde, die auf dem Turnier blockiert haben, schonend ins Gelände gebracht, um Reiter und Pferd die Möglichkeit zu geben, einfach den Kopf frei zubekommen. Mit dem Erfolg, das nun regelmäßig das Ausreiten im Trainingsplan aufgenommen wurde und andere dem Beispiel folgen. Oft habe ich auch Reiter, die durch eine Trauma Angst haben, wieder mit dem Pferd rauszugehen. Hier baue ich ein Konzept mit dem Reiter auf, um wieder neues Selbstbewusstsein zu erwerben, um dann wieder ans Ausreiten herangeführt zu werden.

Auch Pferde können durch Unfälle, Krankheit oder Überforderung an Traumen leiden, auch hier versuche ich, den richtigen Weg zu finden. Da kann ich dank meiner Tierheilpraktikerausbildung mit Homöopathie, Bachblüten, Massage etc. unterstützend weiterhelfen. Für die Zukunft kann ich auf Unterstützung von meiner Tochter Kathrin zählen, sie hat ein sehr gutes Gefühl für das Reiten. Wir wollen unser Programm dadurch vergrößern, um noch besser zu werden, um facettenreicher für Mensch und Pferd da zu sein.

Welchen Rat möchtest du zum Schluß anderen Pferdefreunden noch mit auf den Weg geben?

Ich wünsche mir, das viel mehr Menschen ihren Pferden besser zuhören, sie besser lesen lernen, ihre Mobiltelefone zur Seite legen, sobald sie mit dem Pferd ihre Zeit verbringen, um sich so ganz auf das Geschehen einzulassen. Zudem wünsche ich mir, dass sie den Mut haben, wenn es mal nicht so klappt und bevor sich Frustration breit macht zu sagen: „Ja ich brauche jemanden, der mir zur Seite steht, wenn es nicht mehr weiter geht“. Es sich einzugestehen, auf einer Stelle zu trappeln, ist kein Versagen, im Gegenteil, es zeigt von Stärke, es zeigt Mut. Es beweist, das man positiv etwas für die Beziehung zwischen sich und dem Pferd verändern möchte.

Kerstin, vielen Dank, dass du uns einen Einblick in deine tolle Arbeit und deine Gedanken zum Umgang mit Pferden geschenkt hast. Für deine weitere Zukunft wünschen wir dir auf jeden Fall alles Gute und wer weiß, vielleicht treffen wir uns das nächste mal zu einem gemeinsamen Wanderritt. ?

Wenn du jetzt noch mehr über Kerstin Wickardt und ihre tollen Angebote wissen möchtest, dann besuche doch einfach ihre Website equs-via. Oder du machst dich gleich auf eine Reise mit ihr durch die Haard im Naturpark Hohe Mark im Westmünsterland…

Gemeinsamer Ausritt
Wie wäre es mit einem gemeinsamen Ausritt? (Foto: Kerstin Wickardt)
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