Gehölzfutter – mehr als Knabberspaß fürs Pferd
Die intensive Verbindung zur Natur und das Wissen um natürliche Behandlungs- und Ernährungsmethoden ist uns heutzutage in großen Teilen abhanden gekommen. Auch die Ernährung unserer Pferde war früher viel mehr an der Natur ausgerichtet. So sagt z.B. eine alte Bauernweisheit: „Ist das Pferd krank, schick‘ es in den Wald!“. Was früher selbstverständlich war, wird heute leider nur noch selten praktiziert. Speziell die Bedeutung von Gehölzen in der Pferdefütterung wird häufig unterschätzt.
In einem natürlichen Lebensraum wie der freien Wildbahn oder bei wild gehaltenen Vierbeinern in Naturschutzgebieten steht den Pferden ein abwechslungsreiches Nahrungsangebot zur Verfügung. Dazu gehören neben Gräsern auch Kräuter, Laub, Rinden, Wurzeln, Blüten, Früchte und Zweige von Bäumen und Büschen, die je nach Jahreszeit verfügbar sind. So können die wilden Artgenossen unserer domestizierten Hauspferde ihren Bedarf an Spurenelementen und Mineralstoffen aus der Natur decken und überleben sogar ohne die Zugabe von Mineralfutter.
Im Rahmen einer Studie fanden Wissenschaftler bereits 2002 heraus, dass die Menge der Elemente Calcium, Kalium und Phosphor in den Baumrinden der im Gras oder Heu vergleichbar ist, der Anteil an Spurenelementen in den Rinden sogar deutlich höher ausfällt. Die Rinden von Bäumen, Büschen, Sträuchern und Hecken sind außerdem reich an sekundären Pflanzeninhaltsstoffen und weisen hohe Rohprotein- und Energiewerte auf. Daher sind zahlreiche Bäume und Büsche für die Verwendung in der Pferdefütterung durchaus geeignet.
Birkenblätter enthalten z.B. einen hohen Anteil an Calcium und Zink, dadurch wirken sie leicht desinfizierend und erhöhen die Harnausscheidung. Besonders gerne werden Brombeerblätter von Pferden verzehrt, denn sie enthalten viel Mangan, Kalium und Calcium. Die in den Blättern enthaltenen Gerbstoffe können bei Kotwasser und Durchfällen die Schleimhäute im Magen und Darm positiv beeinflussen. Da Brombeerblätter ganzjährig verfügbar sind, können sie aufgrund ihrer keimhemmenden und antiviralen Wirkung durchaus regelmäßig verfüttert werden.
Die Blätter der Himbeere sind Eisen- und Manganhaltig. Ihr Einsatzgebiet ist vergleichbar mit dem von Brombeerblättern, zusätzlich entfalten sie ihre positive Wirkung in der Geburtsvorbereitung, denn sie stärken die Wehenmuskulatur, wirken entspannend und krampflösend. Magnesium, Eisen und Zink liefert die Erle, deren Rinde gerbstoffreich ist und die innerlich wie äußerlich angewendet werden kann, z.B. bei Ekzemen und schlecht heilenden Wunden.
Über einen hohen Gehalt an Eisen, Mangan und Calcium verfügt die Haselnuss in ihren Blättern und der Rinde. Ihre Knospen, die sogenannten „Kätzchen“, enthalten viele Aminosäuren. Bekannt ist sie auch für ihre blutungsstillende Wirkung. Die Heckenrose mit ihren reifen Hagebutten ist ebenfalls besonders beliebt bei den Vierbeinern. Ihre Früchte sind reich an Vitamin C und K1, dem B-Komplex sowie ß-Carotin. Aufgrund ihrer entzündungshemmenden und gefäßerweiternden Wirkung sorgen sie für eine gute Durchblutung, mindern Beschwerden in den Gelenken und fördern das Hufwachstum.
Ebenfalls viel Eisen und Mangan enthalten die Rinde und die Blätter der Linde. Beide Baumbestandteile wirken krampflösend, während die Blüten als klassisches Mittel gegen Erkältungskrankheiten gelten. Die Weide mit ihren vielen verschiedenen Arten gilt als schmerzlindernd und blutverdünnend. Blätter, Blüten und Rinde weisen einen hohen Gehalt an Selen, Zink und Mangan auf – aber auch Salicylate, einer Vorstufe der in Schmerzmitteln enthaltenen Acetyl-Salicylsäure. Die natürlichen Salicylate werden erst im Darm aufgenommen und in der Leber in Acetyl-Salicylsäure verstoffwechselt. Auf diese Weise kann die Weide ihre volle Wirkung entfalten, ohne die Magenschleimhaut anzugreifen.
Diese und noch viele weitere „pferdegerechte Pflanzen“ bieten daher nicht nur unter dem Aspekt von Artenvielfalt und Naturschutz einen echten Mehrwert, sie stellen auch eine preiswerte und fast überall verfügbare Basis einer gesunden und nachhaltigen Ernährung dar. Das Knabbern an den Zweigen bietet vor allem auch im Winter Abwechslung und trägt außerdem dazu bei, dass die Zähne des Pferdes in natürlicherer Weise abgenutzt werden und das Zahnfleisch gestärkt wird. Wenn dein Pferd gesund ist und du ihm immer genügend Heu in guter Qualität zur Verfügung stellst, wird es auch nicht mehr Gehölz fressen, als ihm guttut. Welchen „Knabberspaß“ mag denn dein Pferd am liebsten?
Verwendete Quellen: Anke Klabunde, aid