Stefan Ostiadal im Interview
Unter „Colt Starting“ versteht man das schonende Anreiten (starten) von Jungpferden mit dem Ziel, eine solide Basis zu schaffen, die Grundlage für die weiterführende Ausbildung eines Pferdes ist. Leider verstand man lange Zeit vor allem in den USA darunter oft nur das schnelle Einreiten eines Pferdes, bis es aufgibt und nicht mehr buckelt. Zum Glück haben Menschen wie Tom Dorrance mit ihren Beobachtungen zur Kommunikation und dem Sozialverhalten der Pferde untereinander dazu beigetragen, dass sich hier so einiges zum Wohle der Pferde verändert hat.
Die Jungpferdeausbildung ist auch die Passion von Stefan Ostiadal. Seit den 80er Jahren war er als erfolgreicher Westernreiter in verschiedenen Disziplinen unterwegs und hat so manchen Titel gewonnen. Von Anfang an aber interessierte er sich auch für die Jungpferdeausbildung. Über 25 Jahre hat Stefan dann hauptberuflich Jungpferde eingeritten und All Aroundpferde trainiert. Dabei war es ihm immer wichtig, den jungen Pferden zu helfen und ihnen Sicherheit zu geben. Dies erreichte er zunächst mit Bodenarbeit, damit sie Vertrauen gewinnen und sich ihm anschließen konnten. Erst wenn dieser Schritt verstanden wurde, ging es zum nächsten. Dabei war und ist mentale Zufriedenheit des jungen Pferdes für Stefan nicht nur Vorrausetzung, sondern auch Ziel der Grundausbildung.
Nachdem er dann im Jahr 2010 seine aktive Laufbahn als Turniereiter beendet hatte, stellte Stefan im Sommer 2015 aus zeitlichen Gründen auch das Einreiten/Starten von fremden Pferden ein. Da ihm aber das Lehren und Vermitteln seines Wissens besondere Freude bereitet, ist er nach wie vor als Autor für Fachmagazine tätig, gibt bundesweit Reitkurse von Basis bis All Around, führt Trainerfortbildungen durch, gibt Messeauftritte und Demos auf Pferdeveranstaltungen und ist auch noch beratend in der Pferdeausbildung tätig. Es ist schon beeindruckend, mit wieviel Hingabe er seinen Schülern vermittelt, was sie tun und „was zu was“ führt. Daher wollten auch wir mehr über seine Arbeit sowie seine Einstellung zu den Pferden erfahren und haben Stefan Ostiadal einige für uns wichtige Fragen gestellt:
Herr Ostiadal, Pferde sind einfach wunderbare Geschöpfe und sie faszinieren uns immer wieder aufs Neue. Daher fühlt sich so mancher von diesen edlen Tieren angezogen. Wie sind Sie zu den Pferden gekommen und was fasziniert Sie an Ihnen?
Mein 13 Jahre älterer Bruder (Hufschmied) hat die Leidenschaft für Pferde in mir geweckt. Zugegeben, Anfangs war es als Teenager auch die Cowboyromantik des Westernreitens. Jedoch sehr bald interessierten mich mehr die Tiere und wie man sie zu solch zuverlässigen Reitpferden ausbildet. Ich spürte sehr bald, dass ich gerade einen Draht zu jungen Pferde bekam. Der Moment, in dem sie sich dem Menschen anschließen, bereit sind ihm zu folgen und „zuhören“, fasziniert mich immer wieder aufs Neue.
Haltung, Gesundheit und Ernährung sind wesentliche Punkte für das Wohlergehen eines jeden Pferdes und haben auch Einfluss auf den Umgang mit ihm. Was bedeutet für Sie artgerechte Pferdehaltung und wie sollte sie Ihrer Meinung nach aussehen?
Über 20 Jahre ritt ich Turniere. Zum Teil auch sehr wertvolle Pferde. Auch diese durften bei mir 365 Tage im Jahr mit Artgenossen auf die Koppel. Für mich käme es nie in Frage, ein Pferd isoliert zu halten, nur weil es ein „wertvolles Turnierpferd“ ist. Artgerechte Haltung, also Weidehaltung mit Artgenossen, sollte jedes Pferd bekommen. Egal welche Rasse und welchen Wert das Pferd hat. Jedoch sehe ich oft Offenstallhaltungen, die auf den ersten Anschein Artgerecht sind. Schaut man genauer hin, sind die Gruppen unglücklich zusammengestellt und es gibt Pferde, die nicht genügend Ruhezonen haben und keine Sicherheit bekommen, weil sie von „zu vielen“ überwiegend gejagt werden. Pferde brauchen Bewegung, Artgenossen und ausreichend Rückzugsgebiete.
Als Tier, welches immer noch sehr stark von der Natur und den eigenen Instinkten geprägt ist, stellt das Pferd besondere Anforderungen an einen artgerechten Umgang. Für uns als Partner ist es daher wichtig, uns auf die Bedürfnisse der Pferde einzustellen. Was ist aus Ihrer Sicht als Trainer, der sich besonders für junge Pferde einsetzt, wichtig beim Umgang mit Pferden?
Wir als Menschen sollten Leaderqualitäten haben. Ruhig und Souverän sollten wir auftreten. Wir müssen wie ein „großer Bruder“ sein. Dieser hat zwar mehr Rechte (weil älter), doch dafür auch mehr Pflichten. Er muss auf die „Kleinen“ aufpassen und ihnen Sicherheit bieten. Gelingt es uns, so aufzutreten, werden Pferde sich mehr und mehr anschließen und Vertrauen aufbauen. SICHERHEIT ist das Lösungswort. Können wir das bieten, bekommen wir langsam Vertrauen. Und das ist die Grundlage jeder guten Beziehung!
Bekannte Horsemen und Pferdemenschen dienen so manchem als Vorbild für die Ausbildung des Pferdes, auch wenn bei einigen Vorbildern nicht immer alles so pferdegerecht ist, wie es manchmal scheint. Haben Sie Vorbilder in der Pferdewelt und was fasziniert Sie an ihnen?
Auch ich hatte das Glück, von guten Pferdetrainern zu lernen. Jedoch muss ich sagen, dass ich immer und noch heute mit sehr offenen Augen durch die Pferdewelt gehe. Und wann immer ich beeindruckende „Pferdearbeit“ gesehen habe, war ich infiziert und wollte die Hintergründe des Gesehenen verstehen. Ich traf oft sehr gute Amateure, die über Jahre ihr Pferd ausgebildet haben. Es müssen nicht immer Profis sein, die gute Lehrmeister sind.
Es ist etwas unglaublich Schönes, seinen Weg mit den Pferden gefunden zu haben. Ihnen liegt ja besonders der Umgang mit jungen Pferden am Herzen. Wie würden Sie Ihre Arbeit mit den Pferden und Ihr Konzept konkret beschreiben?
Das Wichtigste für mich ist seit über 30 Jahren „die mentale Zufriedenheit des Pferdes“ bei der Arbeit. Klar, neue Dinge oder auch neue Regeln können kurzfristig auch Stress in diesen Tieren auslösen. Jedoch sollte die Arbeit mit Pferden immer zur mentalen Zufriedenheit/Sicherheit des Tieres führen. Mentale Zufriedenheit entsteht durch Sicherheit. Sicherheit durch Routine. Wir Menschen müssen die Bedürfnisse der Pferde verstehen und unser Handeln danach richten. Dann beginnen diese Tiere, sich uns mehr und mehr anzuschießen und sich wohl zu fühlen. Das kann man durch pferdeverständliche Bodenarbeit teilweise schon erziehen. Die Kunst liegt dann darin, die erarbeitete Sicherheit in den Sattel zu transferieren! Im Sattel möchte ich dann die klassischen Grundlagen wie Takt, Losgelassenheit und Körperausrichtung. Wenn das Pferd sich dabei dann wohl fühlt, fühle ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Und diesen Weg versuche ich meinen Schülern zu vermitteln.
Herr Ostiadal, Sie waren lange Zeit aktiv als Turnierreiter im Westernbereich unterwegs und haben sich auch um das Einreiten/Starten von fremden Pferden gekümmert. Mittlerweile unterrichten Sie vorwiegend Reiter mit ihren jungen Pferden. Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Unter der Woche arbeite ich meistens hier in Oberschwaben auf unsere Reitanlage. Hier besuchen mich Reiter mit ihren Pferden um sich weiterzubilden. Vom rohen bis weit ausgebildeten Pferd. Dabei versuche ich für jede Reiter/Pferd Kombination die richtigen Übungen zu erarbeiten, um Stärken auszubauen und um Schwächen abzustellen. Jedoch werde ich auch weiterhin sehr viel unterwegs sein und Lehrgänge in ganz Deutschland abhalten.
Neben dem All Around Bereich liegen mir die jungen Pferde besonders am Herzen. Hierfür habe ich ein deutschlandweites Theorieseminar entwickelt. Dabei zeige ich auf Großbildleinwand Videos zu sinnvollen Übungen mit jungen Pferden. Beginnend mit dem Fohlentraining bis zu Übungen für Halbstarke und natürlich die Arbeit unter dem Sattel. Gerade viele Besitzer von jungen Pferden können ja nicht auf Reitkurse gehen. Es hilft ihnen jedoch sehr, sinnvolle Übungen für die entsprechende Altersstufe zu sehen. Aus meiner Sicht sind die Zeiten vorbei, in denen man Pferde unvorbereitet schnell mal eingeritten hat. Wir können und sollten sie besser vorbereiten!
Welchen Rat möchten Sie zum Schluss anderen Pferdefreunden noch mit auf den Weg geben?
Die Arbeit mit Pferden ist eine lebenslange Reise des Lernens! Turniere und Abzeichen können dabei zwar motivierend sein, zeigen jedoch nicht immer die wirkliche Qualität eines Pferdemenschen. „Gute Reiter erkennt man an Turniererfolgen. Gute Horseman am Umgang mit dem Pferd, wenn es mal nicht die gewünschte Leistung gezeigt hat“. Dann können gute Horseman dem Tier sinnvoll und besonnen helfen, haben ihre Enttäuschung und Emotionen im Griff und wissen, dass man bei diesen Tieren nichts erzwingen kann! Und das versuche ich immer zu vermitteln. Wir als Reiter müssen dem Tier helfen. Und auf dem Weg des Lernens sollten wir IHM immer näher kommen! Dem kompletten Horseman!
Herr Ostiadal, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, unsere Fragen zu beantworten. Für Ihre weitere Zukunft wünschen wir Ihnen alles Gute, mögen noch viele Pferdefreunde von Ihren umfangreichen Erfahrungen profitieren. Wir freuen uns auf jeden Fall schon auf die nächste Begegnung mit Ihnen…
Wer jetzt noch weitere Informationen über Stefan Ostiadal und seine Arbeit sucht, findet diese auf seiner Website Starting Colts.