Springreiten mit Handicap?

„Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde“, wer kennt diesen Satz nicht? Allerdings ist das Reiten und besonders der Reitsport für so manchen mit Einschränkungen verbunden. Spätestens dann, wenn körperliche Beeinträchtigungen vorhanden sind, kommen viele an ihre Grenzen. Dabei ist Reiten für Menschen mit Behinderung eine ideale Sportart, die auch zusammen mit Nichtbehinderten ausgeübt werden kann. Speziell umgebaute Sättel oder andere Hilfsmittel ermöglichen das Reiten, Fahren oder Voltigieren inzwischen auch Menschen mit schweren körperlichen und geistigen Behinderungen.

Seit 2006 ist der Reitsport für Menschen mit Behinderung sogar achte Disziplin unter dem Dach des Weltreiterverbandes FEI, so dass sie auch bei Welt- und Europameisterschaften sowie Olympischen Spielen ihr reiterliches Talent zeigen können. Im Gegensatz zum Para-Dressursport und Para-Fahrsport ist der Para-Springsport bisher aber noch keine offzielle Disziplin der FEI, weil hier besondere Voraussetzungen erforderlich sind. Das es möglich ist, trotz Handicap auch im Springsport erfolgreich zu sein, zeigt der Para-Reiter Roland Boost.

Roland Boost
Roland Boost mit Trakehner Stute „Lady Couleur“ (Foto: Roland Boost)

Auch wenn man für diesen Sport von Grund auf viel Konzentration, Koordination und einen ausgeprägten Gleichgewichtssinn benötigt, sitzt der ambitionierte Springreiter trotz seiner Einschränkungen sicher im Sattel. Damit nun der Para-Springsport in Zukunft ebenso anerkannt, integriert und gefördert wird wie andere Parasportarten, hat sich Anfang des Jahres 2013 der Verein Para-Springreiten e.V. gegründet. Hier haben sich Reiterinnen und Reiter mit unterschiedlichsten körperlichen Handicaps zusammengefunden, die die gemeinsame Leidenschaft für den Springsport verbindet.

Um mehr über den Verein und den Para-Springsport zu erfahren, haben wir dem Championatssieger der Para-Springreiter Roland Boost einige Fragen gestellt:

Herr Boost, Pferde sind einfach wunderbare Geschöpfe, die uns immer wieder aufs Neue faszinieren. Wie haben Sie den Weg zu den Pferden gefunden?

Durch einen Klassenkameraden, bei dem damals die schwierigen hügeligen Äcker noch mit Pferden bearbeitet wurden. Ich durfte auf den Kaltblütern mit zum Acker reiten und Abends wieder heim. An Sonntagen konnten wir mit „Olga“ und „Lotte“, so hießen die beiden Süddeutschen Kaltblut-Damen, dann ausreiten.

Von Natur aus sind Pferde sehr feinfühlig. Welche Voraussetzungen müssen sie allerdings mitbringen, um im Para-Reitsport aktiv zu sein und wie gestaltet sich ihre Ausbildung?

Aus meiner Sicht muss ein Para-Pferd, hier insbesondere das Springpferd, sehr viel mehr ausgleichen als das Springpferd bei einem gesunden Reiter. Dies bedeutet, wir Para-Springreiter können uns ja nach Behinderung nicht sehr gut ausbalancieren, sei es während der Galoppade, am oder über den Sprung. Das Pferd muss uns sozusagen „mitnehmen“, muss viel mitdenken, wenn unsere Hilfen nicht eindeutig ankommen und daher sensibel und flexibel auf uns reagieren können. Auch ist bei uns die Stimmhilfe sehr wichtig, auf die unsere Pferde sehr fein reagieren sollten.

Roland Boost
Roland Boost mit seinem Wallach „A Crash Boom Bang“ (Foto: Roland Boost)

Springen ist ja nicht gerade ein ungefährlicher Sport. Wieso haben Sie sich gerade für diesen Reitsport entschieden und wie trainieren sie gezielt dafür?

Nun ja, das ist definitiv richtig. Ich selber bin vor meinen Verletzungen schon erfolgreich im Reitsport und vor allem im Springsport gewesen. Ich bin ein Mensch, der den Nervenkitzel mag und obendrein auch immer die besondere Beziehung zu meinen Pferden spüren möchte. So eine Verbindung kann nur durch großes Vertrauen und auch umgekehrt beiderseits vertieft werden.

Um auf mein spezielles Training einzugehen:
– Ich versuche alle paar Tage aufs Pferd zu kommen, egal welches Pferd, egal ob Springgymnastik oder Dressurarbeit oder eben auch mal Geländetraining.
– Zum Ausgleich fahre ich Mountainbike, gerne im Forst über Stock und Stein, da dies auch sehr gut für mein Gleichgewicht ist und obendrein auch noch die Kondition fordert.
– Als wöchentliche Krankengymnastik mache ich unter der Leitung meiner Trainerin sehr viel Gleichgewichtsübungen und Balancetrainings. Der Grund: vom behandelnden Arzt wurde bei mir ein Gleichgewichtssinn in etwa der eines 3 jährigen Kindes, das gerade laufen lernt, festgestellt.

Dressur gehört bereits seit Jahren zur paralympischen Disziplin der FEI, der Springsport allerdings noch nicht. Woran liegt das?

Das Problem ist hier, dass die FEI den Para Springsport noch nicht offizeill anerkennt. Ich gehe davon aus, dass es hier seitens der FEI noch mehrere Fragezeichen gibt. Dies kann z.B. fehlende Balance des Reiters sein, was deshalb zu einem größeren Risiko führen kann als dass es bei den Reitern im Regelsport ist. Ich denke auch, dass es vielleicht doch sogar eine gewisse Übervorsicht von Seiten der Funktionäre ist. Daher noch die geblockte Anerkennung als offiziell anerkannte Sportart bei der FEI. Der Weg dorthin wird aber bereits versucht, gerade auch mit unserem Verein „Springreiter mit Handicap“ und auch anderen Nationen, zu gehen.

Anfang 2013 wurde der Verein Para-Springreiten e.V. gegründet, um sich für den Para-Springsport einzusetzen. Was sind die konkreten Aufgaben und Ziele dieses Vereins?

Unsere Ziele bzw. die des Vereines unter der Leitung von Christian Feigl und Susanne Krusche sind an oberster Stelle die Förderung des Para-Springsport, dabei Förderung der nationalen und internationalen Gemeinschaft und Beziehungen im Para-Springsport sowie die Integration von Springprüfungen für uns auf nationalen und internationalen Turnieren. Wir wollen somit erreichen, dass wir so anerkannt werden wie die anderen Para Sportarten wie z.B. die Dressur oder auch das Fahren.

Siegerehrung
Siegerehrung (Foto: Roland Boost)

Herr Boost, Sie sind bereits erfolgreich im Para-Springsport unterwegs und waren 2019 und 2020 sogar Sieger des Deutschen Championats. Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

Ich möchte auf jeden Fall so lange wie möglich aktiv im Springsattel bzw. überhaupt im Sattel sein, zudem ein Vorbild für andere Behinderte, die sich evtl. nicht in der Öffentlichkeit zeigen wollen. Des weiteren liegt es mir am Herzen, unseren schönen Sport weiter zu bringen und dabei gerne andere Reiter zu unterstützen, denn nur gemeinsam können wir etwas bewegen und voran kommen.

Vielen Dank Herr Boost, dass Sie sich die Zeit für unsere Fragen genommen haben.

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