Schatz, ich fahr noch kurz zum Pferd…
Mit einer Reiterin oder einem Reiter zusammen zu sein, ist manchmal schon ein hartes Los. Die/der Geliebte riecht nicht nur ständig nach Pferd und läuft in Stallklamotten durch die Gegend (und hat kein Problem damit, so einkaufen zu gehen) – auch der Vierbeiner hat häufig mal Vorrang gegenüber dem/der Partner/in. Sei es, dass noch eben Mash gekocht werden muss, weil das Pferd etwas für den Magen braucht oder man zwei- bis dreimal pro Tag in den Stall muss, um Medikamente zu verabreichen. Der Medikamentenschrank des Pferdes verfügt dabei natürlich über alle wichtigen Mittelchen, während zuhause im häuslichen Schrank gähnende Leere herrscht und jegliche (für Menschen gedachte) Salben für den Fall der Fälle im Stall aufbewahrt werden.
Dann muss hier nur noch mal eben schnell longiert oder da noch eine Runde geritten werden – die Verabredung oder die Party am Abend müssen da schon einmal warten. Lange Partys sind ohnehin ungünstig, wenn man am nächsten (Sonntag-)Morgen um 5.00 Uhr auf ein 1,5 Stunden entferntes Reitturnier fahren „muss“, wo sich die Pferdemenschen stundenlang über die Biegung ihres Pferdes und dessen Fressgewohnheiten unterhalten oder am Turnierrand über die betrachteten Ritte fachsimpeln. Währenddessen steht der/die Partner/in etwas gelangweilt am Rand und ist froh, wenn der Bratwurst- und Waffelstand öffnet.
Auch das Auto führt bei Nichtreitenden häufiger mal zu Überraschungen, wenn nicht nur Pferdehaare, sondern zudem diverse (nicht immer saubere) Pferdedecken, Gamaschen, Futtersäcke und Stiefel – inklusive des Geruchs – mit transportiert werden. Die Ausrüstung des geliebten Pferdes umfasst außerdem diverse Outfits der neuesten Kollektionen, die entsprechend viel kosten. Partner/innen von Reitern machen da schon einiges mit. Das Gleichgewicht zwischen Pferd und der geliebten Person zu halten, ist da manchmal etwas schwierig und kann sich schon mal negativ auf die Beziehung auswirken. Wie Reiter/innen in Beziehungen dies sehen und ob die Partner/innen sich von der Pferdeliebe des/der anderen gestört fühlen, haben wir an der Hochschule Fresenius in verschiedenen Studien erforscht und genauer analysiert.
Forschungsergebnisse
Insgesamt nahmen 858 Personen im Alter von 14-60 Jahren an den Studien teil, knapp 90% davon waren weiblich. Sowohl die befragten Reiter/innen als auch die Partner/innen befanden sich zu den Befragungszeitpunkten ca. fünf Jahre in der aktuellen Beziehung. Die meisten sehen ihre/n Partner/in jeden Tag und fast die Hälfte der Reitenden verbringt mindestens 13 Stunden pro Woche im Stall. Rund 45% der „Pferdemenschen“ gaben in der Befragung an, dass ihr/e Partner/in sie nie mit zum Stall begleite, immerhin knapp 30% fahren mit der reitenden Person 1-3 Stunden pro Woche in den Stall. Rund die Hälfte der Partner/innen gab an, dass der Alltag zumindest teilweise durch den Reitsport eingeschränkt werde. Knapp 20% empfanden dies jedoch anders – sie gaben an, dass das Reiten den Alltag nicht einschränke.
Der Pferdegeruch stört die meisten (ca. 40%) zwar nicht, weitere knapp 20% der Befragten fühlen sich davon aber gestört. Rund ein Viertel der befragten Reiter/innen stimmte außerdem voll zu, dass das Pferd vor die Interessen des/der Partners/in gestellt werde, mehr als 30% stimmten hier teilweise zu und rund 15% lehnten dies vollkommen ab. Über 35% der Reiter/innen fühlen sich durch ihre/n Partner/in in ihrem Umgang mit dem Pferd unterstützt – nur 4% gaben an, dass ihr/e Partner/in sie gar nicht unterstütze. Rund ein Viertel der Reiter/innen sehen die Sportart nie als Disskussionsthema innerhalb ihrer Beziehung, für knapp 40% ist es zumindest hin und wieder ein Thema. Weitere 40% der Partner/innen gaben hier an, dass durch den Reitsport zumindest hin und wieder Streitigkeiten entstünden.
Es zeigt sich also, dass Reiter/innen viel Zeit mit ihrem Pferd verbringen und der Reitsport das eine oder andere Mal zu Diskussionen führen kann. Wer als Pferdemensch nicht gerade mit einem/r Reiter/in zusammen ist, sollte sich der Schwierigkeiten, mit denen die Nichtreitenden konfrontiert sein können, zumindest bewusst sein. Verständnis füreinander und für die Interessen, die nichts mit dem Reitsport zu tun haben, des/der anderen sollten ebenso (mal) in den Vordergrund und das Pferd (mal) in den Hintergrund gerückt werden. Unser Pferd wird es uns bestimmt verzeihen, wenn wir mal einen Tag nicht in den Stall kommen oder ihm nur einen kurzen Besuch abstatten. Ein Abend mit dem/der Partner/in, Freunden oder der Familie sollte schließlich auch mal Vorrang haben. So kann die Zufriedenheit mit der Beziehung beider Personen und dem weiteren sozialen Umfeld erheblich gesteigert werden.
Ergänzung
Kathrin Schütz, die diesen Gastbeitrag verfasst hat, ist selbst begeisterte Reiterin und Pferdebesitzerin, Wirtschaftspsychologin und Hochschuldozentin mit mehrjähriger Erfahrung in der Lehre und Forschung sowie in der Praxis als Führungskraft und Coach. Mehr über ihre Interessen und ihr umfangreiches Angebot findest du auf ihrer persönlichen Homepage. Auf der Website Pferdecoaching Eifel erfährst du mehr über ihre Coaching-Seminare mit Pferden als Co-Trainer.