Unser Blick lenkt die Aufmerksamkeit und damit das Pferd
Wer wünscht sich nicht ein schwungvolles Pferd, das gut von hinten nach vorne über den Rücken geht? Leider sieht die Realität häufig ganz anders aus: Pferde, die Mühe haben von der Stelle zu kommen, die klemmig sind und gegen den Schenkel gehen. Dann kommt noch der passende Reiter dazu, der sich abmüht und plagt und nicht so recht durchkommt. Leichtigkeit, Spaß und Harmonie sehen anders aus und die Folge ist, dass das Pferd zunehmend auf der Vorhand läuft.
Natürlich können die Ursachen vielfältig sein, aber nicht selten steckt nur eine Kleinigkeit mit großer Wirkung dahinter – unser Blick. Da, wo wir hinschauen, da geht es auch hin! Häufig lässt sich folgendes beobachten: Viele Reiter schauen immer wieder gerne und mit schöner Regelmäßigkeit nach unten. Sie fixieren mit den Augen die Schulter ihres Pferdes, letztlich, um etwas mehr Kontrolle zu haben. Über das Pferd und vielleicht auch über sich selber. Sie „überwachen“ sozusagen das Laufen.
Zähe Pferde, ackernde Reiter
Auch Birgit Heigel von Reitercoaching beobachtet auf den Reitplätzen durchaus häufig Reiter, die Mühe haben, ihre Pferde vorwärts zu bekommen. Da wird dann gerne mal mit dem Schenkel geklopft oder auch mal mit der Gerte gewedelt. Der Effekt ist aber entweder der Gegenteilige oder hält nicht lange an. Da wird möglichst abwechslungsreich gearbeitet, damit es nicht langweilig wird und die Motivation erhalten bleibt. Der Sattel wird gecheckt, Physio gemacht und die Kraftfutterration erhöht. Das Pferd kommt trotzdem nur bedingt von der Stelle. Und die Reiter sitzen mit gesenkten Köpfen auf ihren Pferden, den Blick nach unten gerichtet.
Dazu kommen Pferde, die Probleme damit haben, in Schwung zu kommen und ihre Reiter dadurch noch mehr in Nöte bringen. Die strampeln sich immer mehr ab, treiben, was das Zeug hält, machen sich fest, schieben. Und schauen feste nach unten. Wie reagiert das Pferd? Es macht sich noch fester, drückt den Rücken weg, geht immer mehr gegen den Schenkel oder reagiert gar nicht mehr darauf. Es fällt zudem immer mehr auf die Vorhand.
Der Blick lenkt die Aufmerksamkeit und damit das Pferd
Was ist passiert? Warum helfen alle Maßnahmen dagegen nicht oder nur bedingt. Unser Blick leitet die Bewegung ein. Das ist nichts Neues. Dahin, wo man blickt, da geht der Weg hin. Wenn man jetzt also regelmäßig und intensiv nach unten sieht, geht die Aufmerksamkeit natürlich auch nach unten. Pferde folgen immer der Aufmerksamkeit des Menschen, weil die die Energie leitet. Und somit in diesem Falle auf den Boden.
Das Pferd wird also fixiert und der Reiter wundert sich, dass er immer weniger vorwärts kommt. Wenn jetzt immer mehr getrieben, also mit dem Schenkel und mit dem Becken immer mehr Druck erzeugt wird, geht das Pferd immer mehr dagegen. Druck erzeugt Gegendruck! Die Energie kann eben nicht nach vorne heraus, weil der Weg quasi versperrt ist. Ein freies, schwungvolles Vorwärts wird für das Pferd schwer möglich.
Alles im Blick haben
Der Blick nach unten resultiert oft aus einer Unsicherheit des Reiters heraus. „Alles im Blick haben“ bedeutet ja auch, rechtzeitig zu sehen, wenn etwas schief läuft oder vielleicht sogar gefährlich ist. Für viele ist es wichtig, diese Kontrolle zu haben. Über sich und das Pferd. Was damit aber in Vergessenheit gerät, weil es eben nicht mehr im Fokus ist, ist der Weg, bzw. das Ziel. Die Aufmerksamkeit ist ja woanders.
Der Blick nach unten hat also noch eine weitere Konsequenz: Das Pferd mag nicht nur nicht so recht vorwärts, sondern es landet auch nicht wirklich da, wo der Reiter eigentlich hinwill. Wenn beispielsweise eine Bahnfigur korrekt ausgeführt sein soll, ist es wichtig, die Punkte der Bahn und die Linie zu fokussieren, die es dafür braucht. Mit dem Blick nach unten ist das immer nur so ein irgendwie Genau.
Allerdings bedeutet das Abwenden des Blickes vom Pferd auch, dass man es loslässt. Ein Stück weit die Kontrolle aufgibt und dem Pferd zugesteht, seinen Teil der Verantwortung selbst zu tragen. Das wiederum hat ganz viel mit Vertrauen zu tun, und zwar in erster Linie mit Selbstvertrauen. „Ich habe alles im Griff und ich kann mögliche Probleme lösen, obwohl ich nicht hinschaue.“ Spontan fällt das nicht immer so leicht und es braucht ganz einfach Übung und Gewöhnung. Mit ein bisschen mehr Wissen um die Macht und Wirkung unserer Blickrichtung lässt sich auf leichte und relativ problemlose Art und Weise im wahrsten Sinne des Wortes wieder Schwung in die Sache bringen.
Schau hin, wo du hinwillst
Was ist also zu tun, um hier eine Veränderung herbeizuführen und wieder ins Vorwärts zu kommen? Eigentlich ist es ganz einfach. Birgit Heigel empfieht ihren Kunden als erstes, den Kopf heben zu, uns zu überlegen, wo wir denn überhaupt hinwollen und dann den Blick darauf richten. Dies aber nicht nur einmal, sondern in jeder Sekunde, da wir ja in Bewegung sind und sich unser Ziel auch immer wieder ändert.
Wird die Aufmerksamkeit nach vorne gerichtet, fängt die Energie, die zuvor durch den nach unten gerichteten Blick festgehalten war, wieder an zu fließen. Wichtig ist es, nicht wieder ins Fixieren zu kommen. Fixieren hat immer etwas mit festhalten zu tun. Das ist aber ja auf keinen Fall das Ziel. Das weiche und bewegliche fokussieren des Ziels sorgt dafür, dass das Pferd sich lösen kann und so der Aufmerksamkeit seines Reiters folgt – nach vorne. Auch hier gilt allerdings wie so oft: das braucht Geduld und Zeit. Die sollte man sich und natürlich dem Pferd immer geben.
Um gleichzeitig das Heben der Vorhand noch etwas zu aktivieren um dadurch wiederum das Vorwärts noch weiter zu unterstützen, kann ein inneres Bild genutzt werden. Wenn also der Blick nach vorne gerichtet ist, stellt man sich vor, man reitet auf einer Wiese. Auf einer schönen grünen Wiese. Die ist unendlich lang. Und, ganz wichtig, die ist jetzt nicht steil, aber doch deutlich ansteigend. Da reitet man innerlich hoch. Die Vorstellung und das Gefühl dazu dürfen ruhig so intensiv wie möglich sein. Was passiert:
- Der Körper wird dieser Vorstellung folgen und sich auf die Steigung einstellen
- Dieser Vorstellung und der dadurch ausgelösten Körperreaktion wird das Pferd folgen
- Es wird Stück für Stück in der Vorhand leichter werden
- Der Schwerpunkt verschiebt sich in Richtung Hinterhand
- Das Pferd kann dadurch leichter, motivierter und schwungvoller nach vorne gehen
- Der Reiter kann immer mehr loslassen
- Er wird entspannter
- Reiter und Pferd kommen miteinander in Schwung und unterstützen sich gegenseitig
Letztendlich wird der Mensch durch dieses innere Bild viel schneller und feiner in seinen Reaktionen. Er arbeitet nicht mit Muskelkraft, die immer langsam und zäh ist, sondern mit seiner Vorstellung und dem Bild. Sein Körper und das Pferd folgen dem. Leicht, ohne Druck, einfach so…
Verwendete Quellen: Pressemeldung Reitercoaching Birgit Heigel