Das Gesetz des Gleichgewichts als Ansatz für gesunde und erfüllte Pferde

Wie das universelle Gesetz des Gleichgewichts uns dabei helfen kann, eine natürliche Beziehung zu unseren Pferden aufzubauen und Gesundheit, Harmonie und Leichtigkeit in unsere Beziehung verstärkt einzubringen.

In unserer Welt gibt es ein interessantes Gesetz: das Gesetz des Gleichgewichts. “Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort”, heißt es im Volksmund. Auf einem kurzen Zeitstrahl ist jedes Ein- und das darauf folgende Ausatmen ein Ausgleich. Auf sehr lange Sicht finden wir hier Karma – der universelle Ausgleich verschiedener Lebensumstände über mehrere Leben hinweg (stark vereinfacht :-)).

Und zwischendrin gibt es eine ganze Menge davon: Tag und Nacht, Yin und Yang, hell und dunkel, Sommer Hitze und Winter Kälte, Stress und Entspannung, die Liste ist unendlich.

Wenn es um unsere Verbindung zu Pferden geht, kann dieses universelle Konzept unsere Beziehung und die Gesundheit unserer Pferde entscheidend beeinflussen. Alles, was es bedarf, ist ein bisschen Aufmerksamkeit und ein Hinterfragen von alltäglichen Dingen, die wir zusammen erleben und beobachten.

Fangen wir ganz einfach an: Jeder Input verlangt nach einen Output. Oder anders gesagt, energy in = energy out. Alles hat einen Gegenpol, jede Aktion oder Nicht-Aktion hat eine Reaktion. Nichts, wirklich nichts bleibt unbemerkt und das ist ein universelles Gesetz.

Dazu ein praktisches, alltägliches Beispiel: Wenn wir einen Stein werfen, dann generieren wir Energie, die sich irgendwo als Ausgleich wieder entladen oder bemerkbar machen wird. Höchstwahrscheinlich wird der Aufprallbereich des Gesteins eine Delle aufweisen, wodurch Energie weggedrückt wird. Oder wenn man den Stein durch eine Scheibe wirft, wird Energie beim Zerbrechen des Glases freigesetzt. Du verstehst den Punkt richtig?

Als bewusster Pferdemensch würde ich dich gerne einladen, dass wir uns zusammen die Balance im Leben unserer Pferde vor diesem Hintergrund anschauen. Hier sind ein paar Inspirationen für dich und dein Pferd:

Foto: Michelle Wiesner

Das Herdenverhalten

Wenn Pferde untereinander agieren, kann man oft drei Reaktionen beobachten.

Sobald ein Artgenosse Druck aufbaut, z.B. im Sinne von Ohrenspiel, Energieaufbau und/oder Beißen / Treten, erzeugt es einen zielgerichtete Energie. Hier kann man nun das “betroffene Pferd” gut beobachten.

Die Frage ist, was unternimmt dieses Pferd, um den Druck auszugleichen, wenn es von einem anderen Pferd weggebeten wird? Gibt es den Druck an ein anderes Herdenmitglied weiter, reagiert es am eigenen Körper (z.b. durch Schweif oder Halsschlagen) oder weicht es in dem es die Situation verlässt.

Allein diese einfache Beobachtung zeigt uns viel darüber, wie ein Pferd Input (oder Druck) verdaut. „Wütende Pferde“ werden oft zum nächstniedrigeren in der Hierarchie ausweichen und den Druck an diese Pferde durch ähnliches Verhalten weitergeben. Pferde mit ausgeglichenen Emotionen setzen freundliche Grenzen, die Reaktion kann hier sanfter ausschauen. Emotional unterdrückte Pferde zucken möglicherweise nicht einmal zurück und nehmen diesen Druck in ihren Körper auf. In anderen Worten: wählt das Pferd Konfrontation, kann es den Druck natürlich regulieren oder unterdrückt es einen Druckausgleich und verinnerlicht die Situation?

In diesem einfachen Beispiel finden wir bereits einen wichtigen Anhaltspunkt für die Druckverarbeitung unseres Pferdes. Möglicherweise wird es in anderen Situationen ähnlich reagieren und somit haben wir bereits ein Anzeichen, wie das Nervensystem deines Pferdes Druck verarbeitet und durchlässt oder angestaut.

Auf lange Sicht gesehen kann dieses Wissen sogar bei grossen und kleinen Gesundheitsproblematiken wie Muskelverspannung, Wurmbefall oder Koliken sehr hilfreich sein. Heilung erfordert oftmals eine “Druckentlastung”, sei es im Nervenkostüm (Nervensystem) oder in den Haltungsbedingungen. Dazu später mehr.

Ein Blick auf Reiten & Bodenarbeit

Reiten und Bodenarbeit sind ein gutes Beispiel und unheimlich wichtig, denn hier haben wir als Menschen einen direkten Einfluss auf den Energie Input – maßgeblich durch unsere Hilfengebung (Schenkel, Stimme, Hilfsmittel), aber auch durch unsere eigene Energie und Emotionen.

Fragen, die wir uns hier stellen können, sind: Bewegt sich mein Pferd mit meinen Beinhilfen im Gleichgewicht vorwärts? Oder habe ich das Gefühl, ich gebe “viel hinein und es kommt nichts heraus” (viel Schenkel/ Sitz / Peitsche und wenig vorwärts)? Ist das Verhältnis zwischen Input und Output ausgeglichen?

Hier fallen mir immer „faule Pferde“ ein. Wenn unsere Beine (Sitz oder Hilfsmittel) stark und nörgelnd werden, das Pferd sich aber nicht schneller bewegt (weil es das nicht kann!), wo landet dann diese gesamte zugeführte Energie? Abgesehen davon, dass es eine Menge Frustration oder eine abstumpfende Einstellung hervorruft, sitzt dieser Druck auch irgendwo im Körper fest und staut sich an. Der Physiotherapeut wird diese Energie dann als Muskelverspannung wahrnehmen. Wir selbst können diese Überfluss- Energie auch oft als “ungewolltes Verhalten” (Beißen, Scharren, Nibbeln) erkennen.

Längerfristig könnte dieses Pferd eines Tages explodieren – scheinbar völlig aus dem Nichts. Doch dieses “plötzliche” Explodieren ist ein Ausgleich von angestautem Druck und wurde über längere Zeit aufgebaut.

Wälzen

Das Wälzen mag ich ganz besonders und hier sind ein paar Fragen zur Inspiration: Wälzt sich dein Pferd nach einem Ausritt oder getaner Arbeit, weil es sich gut fühlt? Ist es ein positives Loslassen? Oder weil dein Pferd den Stress und Druck ausgleichen muss, der bei eurer Aktivität entstanden ist (z.B. durch Wetter, extreme Hilfengebung, deine Erwartungen, gruselige Ereignisse, etc.)?

Meine Einladung ist hier, ganz genau hinzuschauen und zu fühlen – gerne auch in Kombination mit dem Verhalten zu Herden-Mitgliedern nach dem Wälzen. Was spürst du hier? Ein gelassenes Wälzen oder einen extremen Energieausgleich?

Tip: Druck kann kaum vermieden werden, bereits ein bisschen Wind oder eine Begegnung mit Hunden / Autos kann Druck auf das Nervensystem ausüben. Wenn das Pferd aber die Möglichkeit hat, sich nach dem Reiten (Bodenarbeit etc.) ausgiebig und mit Ruhe zu wälzen, kann hier viel reguliert und ausgeglichen werden. Ein ungesundes Extrem wäre es, das Pferd sofort in den Stall zu stellen und ihm damit jegliche Möglichkeit zu nehmen, Stress durch Bewegung zu regulieren und so möglicherweise diesen Druck nun im Körper in Form von Anspannung festzusetzen.

Foto: Michelle Wiesner

GÄHNEN

Gähnen ist super gern gesehen, vor allem von uns Therapeuten – denn es bedeutet meistens, dass sowohl körperliche als auch emotionale Spannungen gelöst werden. Frage dich gerne in diesem Zusammenhang: Welche Spannung löst sich gerade? Gleicht das Pferd möglicherweise zusätzlichen Druck aus, den der Therapeut auf den Körper ausübt? Oder löst sich hier im Körper tatsächlich altes Traumata und Restspannungen?

Eine gute Möglichkeit, dies zu beobachten ist die Art und Weise, wie das Pferd mit dem Therapeuten zusammenarbeitet. Wenn man eine zweite Person benötigt, die das Pferd festhalten muss, damit der Therapeut “in Ruhe” arbeiten kann, wird vermutlich sehr viel Druck auf das Pferd ausgeübt. Hier kannst du unter Umständen ein Gähnen deines Pferdes beobachten, weil das Pferd während der Behandlung überfordert und zusätzlich angespannt ist.

Pferde, die MIT einem Therapeuten zusammenarbeiten, werden sehr entspannt und geben sich der Behandlung gut hin, oft mit gesenktem Kopf und halb-geschlossenen Augen. Dann ist Gähnen ein schönes und ehrliches Hingeben und Loslassen von physischer oder emotionaler Anspannung. (Ich liebe das!)

Grundsätzlich ist es wie beim Wälzen. Pferde, die gähnen, haben hier einen Vorteil, ihr Nervensystem regulieren zu können. In meiner Arbeit sehe ich oft, dass Pferde das Gähnen vergessen haben und nur noch selten dazu in der Lage sind. Gähnen erfordert ein gewisses Vertrauen und Ruhe (dadurch dass die Augen teilweise geschlossen werden) und wenn das für einen längeren Zeitraum nicht möglich ist, wird diese Art der Regulierung oft „abgestellt”.

Als Therapeut frage ich daher oft meine Kunden: ”Gähnt dein Pferd?”. Wenn die Antwort nein ist, bedarf das Pferd möglicherweise mehr Ruhe und Zeit, vor allem in der Beziehung mit seinen Menschen.

Tip: Auch zu enge Fliegenmasken können der Grund dafür sein, dass Pferde aufhören zu gähnen. Hier also aufgepasst!

DER KÖRPER DES PFERDES

Ein bisschen Blickschulung kann uns viel über die physische Balance deines Pferdes verraten. Hat dein Pferd von vorne und hinten optisch das gleiche Aussehen? Oder ist ein Bereich stärker entwickelt als der andere? Welche Körperteile möchten das Gleichgewicht wiederherstellen, gibt es irgendwo starke Muskeln, wo sie nicht sein sollten?

Bei Vollblütern, die aus dem Rennsport kommen, sehe ich oft Muskel-Taschen an der Innenseite der Vorderbeine, nahe dem Brustmuskel. Da diese Pferde selten (oder nie) lernen, gesund über die Oberlinie und mit aktiver Hinterhand zu arbeiten, muss die Vorderhand besonders hart arbeiten und das gesamte Pferd “ziehen”. Diese Muskeln gleichen die schwache Hinterhand aus und sind deutlich sichtbar.

Als Fluchttier ist der Körper des Pferdes darauf ausgelegt, ineffiziente Bewegungen auszugleichen und zu kompensieren. Kurzfristig ist das auch ok, doch auf längere Sicht ist es wichtig, diese Inbalancen im Körper zu beobachten und auszugleichen. Nützliche Fragen zur Beobachtung sind hier: Wo darf mehr körperliches Gleichgewicht hergestellt werden und wie kann mein Training das Pferd hier sinnvoll unterstützen? Der Therapeut eures Vertrauens kann hier sicherlich auch gute Tips geben.

GESUNDHEIT & KRANKHEIT

Dieses Thema ist eines meiner Lieblingsthemen. Immer wenn meine Pferde oder die Pferde meiner Kunden krank sind oder ein bestimmtes Symptom zeigen, frage ich mich: Was wird ausgeglichen? Wovon braucht das Pferd eine Pause?

Bei Sehnen- und Beinverletzungen verordnet der Tierarzt häufig Ruhe und davon viel und lange. Wovon braucht das Pferd also Ruhe und hätten wir die Verletzung vermeiden können, wenn wir die Bedürfnisse des Pferdes, z.B. durch regelmäßige (Trainings-)Pausen oder einen sanfteren Trainingsansatz respektiert hätten?

Ein weiteres Beispiel sind EMS-Pferde. Diese speichern viel Energie und haben nur eine sehr geringe Fähigkeit, das Leben durchzulassen. Stattdessen nehmen sie das Leben in sich auf und lassen schlecht los. Was steckt also hinter all diesen Fettpölsterchen und Fettansammlungen? Was wird ausgeglichen, indem man es in den Körper aufnimmt und festhält? Das sind ganz wertvolle Fragen, um diese Pferde ganzheitlich – natürlich zusammen mit der richtigen Haltungsform und Ernährung – wahrzunehmen und zu behandeln. Hier findet die Tierkommunikation oder ein emotionales Einfühlen oft gute Ansätze.

Die zweite Komponente ist ebenso faszinierend: Warum JETZT? Mit ein wenig Perspektive ist das Timing nie zufällig, sondern immer auf den Punkt gebracht. Was auch immer gezeigt wird, ist also ein Ausgleich und mit ein bisschen Recherche kann man hier oft Einblicke in das “Warum” einer Krankheit finden.

Leben mit der NATUR

Natur ist Balance. Die Jahreszeiten, Mondphasen, Tag & Nacht – Natur ist Gleichgewicht in Aktion. Pferde sind primär Naturwesen und leben in starker Verbindung mit der Natur. Wie bringt dein Pferd die Natur ins Gleichgewicht? Verhält es sich jeden Tag gleich? Oder im Einklang mit Sonne, Wind oder Regen? Was tut es, um mit der Natur im Einklang zu leben?

Vorausgesetzt, dein Pferd lebt naturnah, so können wir beobachten, dass Pferde einen heißen Tag anders verbringen als ein Regentag. Denn es braucht ein anderes Gleichgewicht im Körper. Wenn wir als Reiter jedoch jeden Mittwoch den gleichen Plan haben, anstatt uns darauf einzustellen, was für die Harmonie an diesem Tag nötig ist – entsteht hier nicht ein Ungleichgewicht? Wir werden sicherlich irgendwo im Körper oder im Verhalten des Pferdes ein Spiegelbild sehen. Anstatt also jeden Mittwoch gleich anzugehen, könnten wir uns fragen: Was ist heute möglich, um in Balance miteinander zu arbeiten und zu sein? Was ist NATÜRlich?

Ein anderer Ansatzpunkt sind die Phasen am Tag: Welche Phasen sind Phasen der Stille und wie werden sie mit Phasen der Aktivität in Einklang gebracht? Beobachten kann man das ganz prima in Herden – diese haben Ruhe-, Spiel- und Weidephasen. Es ist ein schönes Spiel der Balance zwischen Aktivität und Inaktivität. Wenn wir das wissen und diese natürliche Weisheit respektieren, zu welcher Tageszeit wählen wir dann unsere Ritte und Aktivitäten aus? Stören wir den natürlichen Fluss oder arbeiten wir mit ihm zusammen? Zusammenarbeit ist Balance!

INAKTIVITÄT

Und schließlich: Wieviel Zeit widmest du dem SEIN mit deinem Pferd, um all das TUN auszugleichen?

Wir Pferdemenschen sind gut im TUN. Es gibt eigentlich immer was zu tun: Hufe auskratzen, Halfter aus, Trense an, das Auge schnell sauber machen, Massage hier, Hufpflege da, Ausritt, Spazierengehen, Sorgen machen, trainieren, reden, bürsten … die Liste ist lang. 🙂

Das SEIN hat keine Aktivität. Es IST einfach. Meine Einladung ist es: SEI im Leben deines Pferdes präsent, ohne sich einzumischen, und teile dennoch den intimsten und liebenswertesten Raum der Verbindung mit ihm/ ihr. SEIN bedeutet: Beobachten mit einem stillen Geist; die Natur spüren, das Leben zwischen euch wahrnehmen, ohne es ändern zu wollen.

Es geht im Wesentlichen darum, das zu imitieren, was Herden in Ruhezeiten auf natürliche Weise gemeinsam sind. Wieviel SEIN bringst Du in das Leben deines Pferdes und bist somit im Ausgleich zum TUN? Meiner Meinung nach schlummert hier das größte Potential für bewusste und harmonische Pferd-Mensch-Beziehungen und dieser Aspekt ist die gute Seele meiner Arbeit mit Tieren und ihren Menschen.

Foto: Michelle Wiesner

Zusammen sein mit Herz

Balance bedeutet Gesundheit, Harmonie, Freude und Wachstum. Balance mit Pferden hat auch viel mit Vertrauen und Sicherheit zu tun! Je weniger Druck mein Pferd aufnimmt, desto sicherer fühlt es sich in dieser Welt der Menschen. Es trägt weniger Verspannung und Schmerzen, ist gesünder und erfüllter und natürlich auch ein wesentlich sicherer Partner für uns. Für uns Menschen ist dies ein Weg mit viel Gefühl und Intuition, Verbundenheit zur Natur und weniger Planung im Kopf. Balance ist ein Herzensweg.

Danke, dass ich dich heute ein bisschen inspirieren durfte. Es gibt so viel zu lernen und zu beobachten. Wenn du dich hierzu mehr austauschen möchtest, melde dich gerne in den Kommentaren oder direkt bei mir.

Mit Liebe, Anne

Über Anne Scharlow

Anne Scharlow ist Tierkommunikatorin, Therapeutin und Mentorin und bietet Tieren und ihren Menschen eine ganzheitliche Sicht in ihrer Beziehung an. Sei es, um alltägliche Herausforderungen zu bewältigen oder um sein Tier spirituell tiefer kennenzulernen. Die Beziehung steht bei dieser Arbeit im Mittelpunkt und öffnet tiefe Einblicke nicht nur auf unsere Tiere, sondern auch auf uns selbst. Anne bietet ihre Termine sowohl online an als auch Behandlungen und Workshops in Deutschland & Südafrika.

Webseite: https://www.annescharlow.com/de/start-de/
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Online Kurs Bewusstes Horsemanship: https://www.udemy.com/course/bewusstes-horsemanship/

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