Anspruchsvoll gebisslos reiten mit dem LG-Zaum
Jürgen Grande von Minimal Horsemanship hat sich ausführlich mit dem Buch „Anspruchsvoll gebisslos reiten mit dem LG-Zaum“ auseinandergesetzt und teilt uns hier seine Eindrücke mit: (Stand: 01/2023)
Die „eisenfreie“ Ära des Pferdes ist angebrochen. – Nachdem am Ende des 20. Jahrhunderts eine Handvoll Pioniere begann, die Hufe von Beschlag zu befreien, wankt nun auch das Dogma, man könne das Pferd nur mit Gebiss „kontrollieren“. Gebisslos zu reiten ist eigentlich nicht neu, wie beispielsweise die diversen Hackamore-Varianten oder das traditionelle Beduinen-Halfter zeigen. Jedoch war und ist hier der Hauptzweck das Gebrauchsreiten.
Monika Lehmenkühler geht da einen großen Schritt weiter und zeigt, wie mit ihren selbst entwickelten Zäumen anspruchsvolles Reiten, bis hin zur Hohen Schule, möglich ist. Im Zentrum steht dabei der LG-Zaum (auch als „Glücksrad“ bekannt). Zwei Speichenrädchen, die hinter den Maulspalten locker anliegen, sind mit einer Halfterkonstruktion so verbunden, dass mit einer leichten Drehung via Zügelzug Druck auf Kinn, Nase und/oder Genick entsteht. Intensität und Verhältnis der Einwirkung wird reguliert durch die Position, mit der der Zügel am Rad gekoppelt ist.
Anders als Gebisse und zum Teil auch schärfere gebisslose Zäumungen, verursacht das „Glücksrad“ keinen Schmerz oder zumindest Unbehagen, sondern dient lediglich als kommunikativer, gefühlsbetonter Hinweis an das Pferd. Lehmenkühler sagt sehr richtig, dass Vertrauen und Klarheit eigentlich jede Art von Zäumung ersetzen könne. Der LG-Zaum sei zudem nur eine Ergänzung zu den viel wertvolleren Gewichtshilfen. Wer sich noch mehr für Letzteres interessiert, sollte sich, nebenbei bemerkt, mit Brigitte Kaluzas Buch „Reiten nur mit Sitzhilfe“ beschäftigen.
Lehmenkühler sei, wie sie ausführt, durch reine Intuition auf die Idee gekommen, Gebisse wegzulassen. Sie habe immer wieder gespürt, wie Reiten „ohne“ ganz einfach besser funktioniert. Erst später habe sie ihre Ansicht durch die wissenschaftlichen Untersuchungen von Robert Cook und Hiltrud Straßer bestätigt gefunden. Ganz neu ist die Sache dennoch nicht, denn schon der großartige Antoine de Pluvinel deutete es vor gut 400 Jahren an: „ … la plus grande incommodité [du cheval est] de souffrir la bride: car il souffre bien plus volontiers l’homme sur luy que la bride dans la bouche.“
„ … [für das Pferd ist] die Zäumung zu erleiden die größte Unannehmlichkeit: sogar den Menschen auf sich erleidet es um einiges bereitwilliger als den Zaum im Maul.“ [Übersetzung von mir]
Lehmenkühlers Einflüsse sind vielfältig: die Schule des Barock, die iberische / altkalifornische Reitweise, Nuno Oliveira, Monty Roberts (um nur einige zu nennen). Das Buch ist gut bestückt mit praktischen Tips. Was mich jedoch am meisten freut, ist die allgemeine Einstellung gegenüber Pferden als fühlenden und denkenden Wesen, die hier unmissverständlich zum Ausdruck kommt, sowie der deutliche Seitenhieb auf die in vielen Reitställen anzutreffende Ignoranz.
Was die Leser von Anfang an am meisten in Verwirrung stürzen dürfte, ist die Ansicht Lehmenkühlers (die ich sehr wohl teile), Pferde zu reiten sei per se unnatürlich. Reiten sei immer ein Kompromiss. Ich möchte ergänzen: Anspruchsvolles Reiten nach Lehmenkühler-Prinzipien ist einer der besseren Kompromisse.
Es gibt freilich auch diverse Passagen, die nicht meine volle Zustimmung finden, welche aber an der Grundsubstanz des Buches kaum rütteln. „Anspruchsvoll gebisslos reiten“ (sowie die ergänzenden DVDs) gehören in jede halbwegs vernünftige Pferdebibliothek…
Jürgen Grande (MinimalHorsemanship@email.de)
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