Angst vor dem eigenen Pferd oder beim Reiten?

Als Kinder oder Jugendliche haben wir uns selten Gedanken darüber gemacht, ob der Ausritt mit unserem Pferd oder ein gewagtes Manöver mit ihm gefährlich sein könnten. Angst kannten wir nicht und der Galopp über die Stoppelfelder konnte nicht wild genug sein. Mit zunehmendem Alter aber wird man nachdenklicher und wenn dann auch noch ein Sturz mit ernsten Folgen dazu kommt, dann schwindet schon mal diese Unbekümmertheit.

Schnell können daraus Gedanken wie „Was kann nicht alles passieren?“ oder „Was wenn mein Pferd scheut?“ entstehen. Nicht selten wird daraus Angst vor dem nächsten Ausritt oder gar Angst vor dem eigenen Pferd in bestimmten Situationen. Manchmal wollen wir uns diese Angst vor anderen aber gar nicht eingestehen oder schämen uns sogar deswegen. Aber wäre es nicht besser, offen damit umzugehen, denn schnell können sich Situationen weiter hochschaukeln.

Ausritt
Aus Unsicherheit kann schnell Angst werden (Foto: Sergiu Vălenaș / Unsplash)

Das vielleicht ehemals brave Pferd wird ebenfalls unsicher und fragt aufgrund mangelnder Führung durch unsere eigene Unsicherheit häufiger nach und entscheidet in immer mehr Situationen sogar selbst – Kontrollverlust kann eine Folge sein. Was aber kann ich tun, damit es erst gar nicht soweit kommt? Ein erster Schritt ist, sich seine Angst oder Unsicherheit einzugestehen und offen damit umzugehen. Außerdem gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sich Hilfe zu holen.

Jemand, der sich mit diesem Thema auskennt und aus eigener Erfahrung weiß, wie man sich fühlt, ist Jutta Blumhagen. Sie selbst war vom Thema Angst in Bezug zu ihrem Pferd betroffen, war sogar fast so weit, ihr Pferd zu verkaufen. Aber letztendlich besann sich Jutta auf ihre Erfahrungen aus ihrer 15-jährigen psychologischen Praxis und entwickelte schließlich sogar eine eigene Methode, um die Angst und Unsicherheit zu überwinden.

Jutta Blumhagen
Sie weiss, wovon sie spricht – Jutta Blumhagen (Foto: Jutta Blumhagen)

Sie behauptet sogar: „Ich bringe Reiter, die sich unsicher und ängstlich mit ihrem Pferd fühlen durch meine 3-Schritte-Methode zu dem Punkt, an dem sie sich auch in heiklen Situationen gelassen und souverän fühlen.“ Kann das wirklich so einfach sein und wie sieht diese Methode überhaupt aus? Dazu wollten wir natürlich mehr erfahren und haben Jutta Blumhagen einfach einige Fragen dazu gestellt:

Hallo Jutta, zunächst einmal vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für unsere Fragen nimmst. Kommen wir daher gleich zur Ersten. Wie bist Du selbst zum Thema Angst beim Reiten gekommen?

Danke für die Gelegenheit zum Interview. Also, auch ich war von dem Thema Angst in Bezug zu meinem Pferd betroffen. Alles fing damit an, dass ich mir meinen Traum, ein eigenes Pferd zu besitzen, erfüllt hatte. Ich habe meine PRE Stute roh aus Mallorca importiert und selber am Boden ausgebildet. Das hat alles ganz wunderbar geklappt. Als es so weit war, dass wir das Einreiten starten konnten, habe ich mir Unterstützung von Bereitern/Trainern geholt – weil ich eine eher unerfahrene Reiterin bin. Und damit nahm das Unglück seinen Lauf.

Mein Pferd war überfordert und wehrte sich heftig. Am Schluss riss es sich bei jedem los, sobald man auf dem Platz war und durchbrach auch mit Panik die Umrandung. Ich bekam Angst vor den heftigen Reaktionen meines Pferdes. Es ging so weit, dass ich nur noch mit mulmigem Gefühl zum Stall gefahren bin und immer wieder Ausreden gesucht habe, umzudrehen und nicht an den Stall zu fahren. Nach einem Jahr hatte ich die Angst immer noch nicht im Griff – im Gegenteil, ich dachte ernsthaft daran, mein Pferd zu verkaufen. Es war für mich eine furchtbare und sehr unglückliche Zeit mit meinem Pferd und mein Traum schien zu zerbrechen… 

Nur ungerne geben wir zu, wenn wir Angst beim Reiten haben oder uns unsicher fühlen. Warum ist das so und warum wird aus Deiner Sicht immer noch zu wenig über dieses Thema gesprochen?

Für mich gibt es zwei Hauptgründe:

1) Die Reiterwelt als solches befindet sich meiner Meinung nach in vielen Bereichen noch im tiefen Mittelalter. Was meine ich damit? Aussagen wie: steig nach dem Sturz sofort wieder auf!! Achtung: Dein Pferd verarscht Dich!!! gehören nicht mehr in unsere heutige Zeit. Reiter die sich ein freundschaftliches Miteinander mit ihrem Pferd wünschen, haben noch keinen Platz gefunden mit ihrer neuen Herangehensweise zum Partner Pferd, ohne ausgelacht, kritisiert oder sogar verhöhnt zu werden.

2) Wir wissen im Allgemeinen sehr wenig oder gar nichts über die Funktionsweise unserer eigenen Psyche. In der Schule lernen wir etwas über den Körperbau der Honigbiene, aber wie unsere eigene Psyche funktioniert, ist den Meisten von uns schleierhaft. Wir haben das Gefühl, nichts gegen unsere Emotionen tun zu können, fühlen uns ausgeliefert. Schämen uns sogar für unser Versagen, unser Scheitern, unsere Angstgefühle.

Was können denn die Ursachen für Angst beim Umgang mit dem Pferd sein und könnte dies auch auf andere Probleme im Leben hindeuten?

Generell können die Ursachen so vielfältig sein wie es Blumen auf der Wiese gibt. Deshalb sind wir auch verloren im Dschungel unserer eigenen Gedanken, Erfahrungen und Emotionen. Wir können alleine die tatsächlichen Auslöser, die im Unterbewußtsein verborgen sind, nicht herausfinden. Manche verbringen Jahre mit den Nachdenken (im Verstand) – aber da ist die Lösung eben nicht zu finden.

Aber um Dir konkreter zu antworten: meistens sind die Ursachen in der Kindheit zu finden. Gefühle der Überforderung, der Hilflosigkeit usw. wurden dort erlebt und sind noch abgespeichert. Durch ein Erleben einer Situation mit dem eigenen Pferd, in der wir uns z.B. hilflos fühlen, wird diese alte gespeicherte Erfahrung ausgelöst. Jetzt bin ich dann in der Hilflosigkeit des kleinen Kindes gefangen und kann erst recht nicht mein Pferd händeln.

Also….ja – es hängt immer von Deiner vergangenen Erfahrung ab, die Du in Deinem Leben gemacht hast. Deshalb ist es so wunderbar, dass nach der Angstauflösung beim Pferd auch der Alltag generell extrem leichter wird.

Pferd führen
Vertrauen zwischen Pferd und Mensch (Foto: Jutta Blumhagen

Du sagst, dass uns ein Reitlehrer nicht helfen kann und sogar schadet, wenn wir Angst vor unserem Pferd oder beim Reiten haben. Warum ist das Deiner Ansicht nach so?

Deine Idee ist vielleicht: mein Reitlehrer soll mir helfen, meine Angst oder sogar Panik beim Reiten und vor meinem Pferd zu überwinden. Ein Reitlehrer ist Experte und Profi zum Thema Reitunterricht – Du brauchst aber einen Experten für die Psyche. Wenn Du Haare schneiden möchtest, gehst Du ja auch nicht zum Zahnarzt. Niemand „von außen“ kann Dir Deine Angst nehmen. Der Reitlehrer nimmt Dich an die Longe, ihr arbeitet nur im Schritt etc., aber die eigentliche Ursache der Angst wird dadurch nicht behoben. 

Wenn Du bei Flugangst vorher Tabletten einnimmst und Dein Partner die Hand hält während dem Flug, überstehst du damit wahrscheinlich halbwegs den Flug – aber deine Angst verändert sich dadurch nicht, oder? Leider passiert oft das Gegenteil: weil Deine Psyche merkt, die hört ja gar nicht auf das Alarmsignal „Angst“ und geht aus der Situation raus – verstärkt die Psyche die Angst und es wird das nächste Mal noch schlimmer. Auch da gilt – die Ursache muß behoben werden!

Wie können wir das Thema Angst und Unsicherheit beim Umgang mit dem Pferd denn am besten angehen?

Indem wir die hinderlichen Gedanken des Reiters auflösen und gleichzeitig optimieren, was der Reiter für sein Pferd benötigt. Ich nenne das: „Leitpferd-Qualitäten“ lernen und entwickeln. Es ist hilfreich, generell zu wissen, wie ich selbständig positiv auf meine Psyche einwirken kann. Und es ist wichtig, selbst alle Fähigkeiten zu erlernen, die mein Pferd von mir benötigt. Die wichtigsten Schlagworte dazu sind: Kontrolle, Führung, Sicherheit, Vertrauen.

Du hast eine eigene Methode entwickelt, um mit dem Thema umzugehen. Wie sieht diese Methode aus und wie ist der genaue Ablauf?

Im 1:1 Online-Coaching machen wir wieder den Weg frei zu Deinem Reiterlichen Potenzial. Das bedeutet:

1) Reiter: Analyse und Optimierung – wir lösen hinderliche Gedanken des Reiters auf und optimieren, was Du für Dein Pferd benötigst

2) Pferd: Analyse und Optimierung – wir finden tiefliegende Ursachen für Verhaltensauffälligkeiten bei Deinem Pferd heraus und lösen eventuelle Trauma nachhaltig auf

3) Einheit Pferd-Reiter – Dein Pferd und du bilden eine magische Einheit, wir bringen Vor- und Nachteile von Reiter und Pferd zu einer optimalen und magischen Einheit zusammen

Auf mehrfachen Wunsch haben wir zum 12.9.2022 einen brandneuen Online-Kurs zum Thema „Angst vor Kontrollverlust“ erstellt. Hier kannst Du in Deinem eigenen Tempo die einzelnen Module durchgehen. Das Wichtigste in diesem Kurs ist das Lernen und Verstehen der eigenen Psyche. Damit bist Du in der Lage, Deine Emotionen zu beherrschen – und nicht umgekehrt. Ein Live-Gruppen-Call rundet das Paket ab. Dort kannst Du alle Fragen rund um den Kurs direkt an mich stellen.

Ist Dein Coaching für jeden geeignet und wie schnell kann man das Angstproblem lösen?

Das Coaching ist für Einsteiger und Fortgeschrittene geeignet. Das 1:1 Coaching hat eine Dauer von 4-8 Wochen. Je nach Vorgeschichte des Reiters. Du sieht also, es ist extrem effizient und komprimiert. Falls Du Dich in dieses Thema erst „herantasten“ möchtest, ist der Online-Kurs am Besten geeignet.

Jutta Blumhagen
Zwei, die ihren Weg gefunden haben (Foto: Jutta Blumhagen)

Welchen Rat möchtest Du zum Schluss „Angstreitern“ noch mit auf den Weg geben?

Niemand muss an sich zweifeln, mit mulmigen Gefühl zum Stall fahren oder sich ständig überfordert fühlen mit seinem Pferd. Aus Verzweiflung die Idee zu entwickeln, seinem Pferd nicht gerecht zu werden und es deshalb zu verkaufen, muss nicht sein.

Drehe jetzt an der richtigen „Stellschraube“. Das bist nämlich DU. Schmeiss die hinderlichen Gedanken raus und genieße wieder das Zusammensein mit Deinem Pferd.

Als Gründerin des „Riders Competence Center“ ist es mir deshalb ein besonderes Anliegen, dem Freizeitreiter alle Fähigkeiten zu vermitteln, die er benötigt, um seinen Wunsch nach Harmonie, Einheit, Sicherheit und Freude mit seinem Pferd zu erfüllen. Souverän, sicher und in einem Gefühl der tiefen Verbundenheit mit seinem Pferd – das ist das Ziel…

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