Pferde, Forschung & Psychologie
Reiter und Pferdefreunde sind sich einig: Pferde haben einen positiven Einfluss auf Menschen. Sie reagieren auf feine, nonverbale Signale und sind intelligente Lebewesen. Der Einsatz von Pferden im psychotherapeutischen Bereich und in weiteren pferdegestützten Interventionen (z. B. im Coaching oder im Therapeutischen Reiten) scheint ebenfalls wirksam zu sein. Doch stimmt diese eher alltagspsychologische Sicht auch im Hinblick auf den Stand der wissenschaftlichen Forschung? Prof. Dr. Kathrin Schütz vom Pferdecoaching Institut hat dies näher untersucht:
Pferde und Menschen interagieren seit jeher in den unterschiedlichsten Bereichen miteinander. Auch im therapeutischen Kontext und in der Persönlichkeitsentwicklung werden Pferde seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt. Wissenschaftliche Studien zu Pferd-Mensch-Interaktionen und zum Einsatz von Pferden in Interventionen zeigen, in welchen Bereichen die Tiere einen positiven Einfluss auf Menschen haben und uns bei der Persönlichkeitsentwicklung unterstützen können.
Im Pferdecoaching Institut forscht Prof. Dr. Kathrin Schütz zu pferdegestützten Interventionen und bietet in der Nähe von Düsseldorf wissenschaftlich fundierte Ausbildungen an (Pferdecoaching Institut). Mittlerweile ist auch die zweite Auflage ihres Buchs „Pferde, Forschung & Psychologie – Wissenschaftliche Befunde zu Fähigkeiten von Pferden und deren Wirkung auf Menschen„* erschienen, in dem zahlreiche (größtenteils internationale) Studien anschaulich zusammengefasst wurden (ca. 200 Seiten; Schütz, 2020).
Weshalb Pferde in Interventionen eingesetzt werden
Die Interaktion mit Tieren kann unseren Stress senken, uns im Handeln motivieren und emotional berühren. In diesem Zusammenhang gibt es zahlreiche Forschungserkenntnisse, die sich auf den Einsatz von Pferden im therapeutischen Kontext beziehen. In der Psychotherapie und im Therapeutischen Reiten werden Pferde seit einigen Jahrzehnten eingesetzt. Auch im Coaching werden sie immer häufiger einbezogen, weil sie im aktuellen Moment agieren, wenn sie mit einem Menschen in Kontakt kommen. Dabei – so wird vermutet – agieren Pferde offen und ehrlich.
Nach dem aktuellen Stand der Forschung geht man davon aus, dass sie nicht dazu in Lage sind zu lügen (Dorrance & Desmond, 1999; Gehrke, 2009). Als Beutetiere müssen sie außerdem immer auf feine, nonverbale Signale und vor allem auf die Körpersprache ihres Gegenübers achten. Sie sind laut Gehrke (2009) daher sehr gut in nonverbaler Kommunikation und im Lesen der Körpersprache. Als Interaktionspartner lohnt sich der Einsatz von Pferden, da sie laut Krüger (2018) Emotionalität vermitteln und unbewusst emotionale Zustände widerspiegeln können.
Wie Pferde auf Menschen reagieren und diese „lesen“ können, wurde bislang wenig erforscht. Was bereits im Jahr 2016 von Proops und Kollegen gezeigt werden konnte, ist, dass Pferde bei Menschen zwischen glücklichen und bösen menschlichen Gesichtern unterscheiden und auf diese reagieren können. In einer Folgestudie von Smith und Kollegen (2018) ging es um die soziale Intelligenz von Pferden, wobei die Tiere menschliche Gesichter auf Bildern sahen, die entweder freundlich oder böse schauten.
Dabei trafen die Pferde einige Stunden später auf die „echten“ Personen, die allerdings nicht wussten, ob die Pferde von ihnen jeweils ein freundliches oder böses Gesicht gesehen hatten. Die Pferde konnten sich auch nach drei bis sechs Stunden noch an die Gesichter erinnern und reagierten entsprechend auf die Personen, die bei der Begegnung mit den Pferden neutral schauen sollten.
Obwohl Pferde bereits seit mehreren Jahrzehnten im heilpädagogischen, therapeutischen Kontext und auch im Coaching immer mehr eingesetzt werden, liegen im Bereich des pferdegestützten Coachings und dessen Wirkung auf KlientInnen jedoch nur wenige Studien vor. Aus diesem Grund widmen wir uns im Pferdecoaching Institut der Erforschung der Wirksamkeit des pferdegestützten Coachings in Kombination mit psychologischen Konstrukten. Ziel ist es, die Wirkung pferdegestützter Interventionen näher zu analysieren und wissenschaftlich zu untermauern.
Pferde in der Psychotherapie und im Coaching
Tiere bewegen Menschen dazu, sich emotional zu öffnen und eine Vertrauensbasis zu anderen Mitmenschen aufzubauen, was sich positiv auf die Beziehung zwischen Coach und KlientIn auswirken kann (Greiffenhagen & Buck-Werner, 2011). Besonders Pferde eignen sich hierzu, da sie durch Training, Sozialisierung und einer vermehrten Interaktion mit dem Menschen in der Lage sind, menschliche Signale feinfühlig zu lesen (Krüger et al., 2011).
Pferde können mit Personen interagieren und sind in der Lage, menschliche Mimik, Gestik und Tonlage zu interpretieren, wie Nakamura und Kollegen (2018) herausfanden. Diese Form des Feedbacks kann bei KlientInnen Lernprozesse anregen, die über Wochen oder Monate nachwirken (Meyer, 2009). Zudem reagieren Pferde in der Kommunikation mit Menschen individuell, je nach Situation und dem von dem Menschen ausgehenden Verhalten. Sie lernen im Coaching keine Übungen auswendig, sondern reagieren auf die jeweilige Person, wie wir bereits in einer Studie herausfinden konnten (Schütz et al., 2018).
Andersen (2009) konnte zeigen, dass die Fähigkeit zu führen gefördert werden konnte und dass die untersuchten Personen durch das Coaching mehr auf ihre Gefühle und Fähigkeiten achteten. Auch Gehrke (2009) betont, dass (gesunde) Menschen in den Bereichen Führung und Management von pferdegestützten Interventionen profitieren können. Pferde können helfen, menschliche Führungsqualitäten durch den Fokus auf das eigene Selbstbewusstsein zu fördern bzw. zu entwickeln.
In dieser Studie diente die Veränderung der Pulsfrequenz als Indikator. Waren die untersuchten Personen in der Gegenwart emotional anwesend und voll und ganz auf sich und das Pferd konzentriert, zeigten sie und das Pferd einen ähnlichen Rhythmus. Hier erfuhren die Personen tief empfundene Verbindungen zwischen sich und dem Pferd. Weiterhin wird in der Studie betont, dass man in der Interaktion mit Pferden nicht nur kognitionsbasiert, sondern vor allem auch emotionsbasiert arbeitet. Das Agieren allein mit dem Kopf helfe demnach nicht, sondern auch auf emotionaler bzw. Herzensebene müsse agiert werden.
In unserer Studie (Schütz & Steinhoff, 2019) haben wir erforscht, inwiefern Pferde eingesetzt werden können, um die Selbstwirksamkeitserwartung von Erwachsenen zu erhöhen. Darunter versteht man die subjektive Überzeugung, unbekannte / schwierige Anforderungssituationen mit Hilfe der eigenen Kompetenzen zu bewältigen. Die 106 Versuchspersonen der Studie gehörten entweder der Versuchsgruppe an, die ein pferdegestütztes Coaching erhielten oder der Kontrollgruppe ohne Coaching. Die Selbstwirksamkeitserwartung wurde jeweils zu zwei Messzeitpunkten gemessen.
Zusätzlich wurde untersucht, inwiefern sich die Selbstbewertung durch die selbstreflektierende Methode der Videoanalyse verändert. Hierzu wurde die Selbstbewertung der Coaching-TeilnehmerInnen sowohl vor als auch nach einer Videoanalyse erfasst. Die Ergebnisse zeigen, dass sich sowohl die Selbstbewertung als auch die Selbstwirksamkeitserwartung durch ein pferdgestütztes Coaching nachweislich positiv veränderten. Die Selbstwirksamkeitserwartung stieg bei Menschen ohne Pferdeerfahrung mehr an als bei Menschen mit Pferdeerfahrung.
Aktuell untersuchen wir im Zusammenhang mit dem pferdegestützten Coaching das Powerposing, das Stresserleben von Einsatzkräften, positive und negative Emotionen und den Einfluss der Videoanalyse als Aspekt der Selbstreflexion. Unsere Veröffentlichungen und die Inhalte der Ausbildungen zum pferdegestützten Coach und HASR®-Coach sind auf der Homepage des Pferdecoaching Instituts zu finden.
Gastbeitrag von: Prof. Dr. phil. Kathrin Schütz, E-Mail: mail@kathrin-schuetz.com
– Professorin für Wirtschaftspsychologie
– Promotion der Psychologie
– pferdegestützter Coach und Inhaberin (Pferdecoaching Eifel)
– Ausbilderin und Inhaberin (Pferdecoaching Institut)
– Forscherin im Reitsport und Inhaberin (Prof. Dr. Kathrin Schütz – Psychologie im Reitsport)
Literatur:
Dorrance, B. & Desmond, L. (1999). True horsemanship through feel. Novato, CA: Diamond Lu Publications.
Gehrke, E. K. (2009). Developing coherent leadership in partnership with horses – a new approach to leadership training. Journal of Research in Innovative Teaching, 2, 222-233.
Greiffenhagen, S. & Buck-Werner, O. N. (2011). Tiere als Therapie. Nerdlen: Kynos Verlag.
Krüger, K. (2018). Erfasst ein Pferd die menschliche Psyche? In C. Opgen- Rhein, M. Kläschen & M. Dettling (Hrsg.). Pferdegestützte Therapie bei psychischen Erkrankungen (2. Aufl., S. 23-35). Stuttgart: Schattauer.
Krüger, K. Flauger, B. Farmer, K. & Maros, K. (2011). Horses (Equus caballus) use human local enhancement cues and adjust to human Attention. Animal Cognition, 14, 187-201.
Meyer S. (2009). Pferde als Medium im Coaching: natürlich, ehrlich und nachhaltig! Coaching-Magazin 4, 42.
Nakamura, K., Takimoto-Inose, A. & Hasegawa, T. (2018). Cross-modal perception of human emotion in domestic horses (Equus caballus). Scientific Reports, 8, 8660. doi: 10.1038/s41598-018-26892-6
Proops, L., Grounds, K., Smith, A.V. & McComb, K. (2018). Animals Remember Previous Facial Expressions that Specific Humans Have Exhibited. Current Biology, 28, 1-5.
Schütz, K. (2020). Pferde, Forschung & Psychologie. Wissenschaftliche Befunde zu Fähigkeiten von Pferden und deren Wirkung auf Menschen. Norderstedt: Books on Demand.
Schütz, K., Rötters, A. & Oebel, L. (2018). Können Pferde als Co-Trainer agieren? Individuelle Reaktionen von Pferden in der Persönlichkeitsentwicklung auf unterschiedliche Klienten. Tiergestützte Therapie, Pädagogik & Fördermaßnahmen, 1/2018, 22-26.
Schütz, K. & Steinhoff, J. (2019). Einfluss von pferdegestützten Coachings auf die Selbstwirksamkeitserwartung. Coaching | Theorie & Praxis, 5, 1-12.
Smith, A.V., Proops, L., Grounds, K., Wathan, J. & McComb, K. (2016). Functionally relevant responses to human facial expression of emotion in the domestic horse (Equus caballus). Biology Letters, 12(2), 20150907.
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