Natalie Acker im Interview

„Verbindung statt Dominanz“ und „Klarheit durch Führung“, diesen Leitmotiven folgt Natalie Acker bei ihrer Arbeit mit den Pferden und ihren Besitzern. Um die körperliche, geistige und emotionale Balance von Pferd und Reiter zu fördern, nutzt sie sowohl Tellington-Touch als auch Centered Riding. So lernt der Reiter z.B., wie er sein Pferd auf sich konzentrieren, es entspannen und motivieren kann und wie er mehr Verbindung und Partnerschaft mit ihm aufbaut. Mit Hilfe von bestimmten Verhaltensregeln und einfachen Tipps zeigt Natalie den Menschen dann, wie sie sich besser auf ihr Pferd einlassen können.

Besonders wichtig ist ihr, dass das Pferd unser Partner ist und wir mit ihm so umgehen, dass es uns möglichst leicht verstehen kann, wenig Missverständnisse entstehen und wir Situationen schaffen, für die das Tier gelobt werden kann. Schließlich hat sich herausgestellt, dass Menschen und auch Tiere deutlich schneller lernen, wenn sie ausreichend entspannt sind und außerdem durch positive Rückmeldung in ihrem Tun bestärkt werden. Daher funktioniert Natalies Training auch über Lob und nicht über Strafe.

Positive Verstärkung
Positive Verstärkung schafft Vertrauen (Foto: Natalie Acker)

So hilft sie als Tellington-Practitioner, Centered-Riding-Instructor und zertifizierte Stressmanagementtrainerin anderen Pferdebesitzern, Probleme, die sie mit ihrem Pferd haben, zu lösen bzw. aufzuklären. Durch ihr umfangreiches Wissen gelingt es ihr, bei Mensch und Tier Stress abzubauen, Blockaden zu lösen sowie Vertrauen, Kooperationsbereitschaft, Körperbewusstsein und Konzentrationsfähigkeit aufzubauen. Die Ursache für die meisten Probleme sind laut Natalie Verständigungsschwierigkeiten oder Angst. Diese verschwinden nach eigener Aussage durch ihre Form der Zusammenarbeit meist ganz von selbst.

Das hört sich alles sehr interessant an und um mehr über den Menschen Natalie Acker und ihre Arbeit zu erfahren, haben wir ihr einfach einige für uns wichtige Fragen gestellt:

Frau Acker, Pferde sind einfach wunderbare Geschöpfe und sie faszinieren uns immer wieder aufs Neue. Daher fühlt sich so mancher von diesen edlen Tieren angezogen. Wie sind Sie zu den Pferden gekommen und was fasziniert Sie an Ihnen?

Ich verbrachte meine gesamte Jugend im Reitstall. Pferde haben mich einfach magisch angezogen. Ich hätte gern ein eigenes Pferd gehabt, aber meine Mutter hatte Angst vor Pferden und ich hatte vier Geschwister. Also hatte ich viele verschiedene Reitbeteiligungen und konnte mit einer Vielzahl von Pferden und ihren Eigenarten vertraut werden.

Pferde sind einfach wunderbare Geschöpfe, edel und anmutig, und sie kommunizieren mit uns auf eine so feinfühlige Art und Weise. Sie sind in der Regel sehr friedfertig und harmoniebedürftig, sofern die Verhältnisse geklärt sind. Es ist immer wieder ein Wunder für mich, dass diese großen und starken Tiere uns auf ihren Rücken reiten lassen, obwohl sie physisch dafür ja gar nicht gemacht sind. Heute begreife ich mehr und mehr, dass sie uns „spiegeln“. Das aber ist ein Geheimnis, das ich in Zukunft noch weiter lüften möchte.

Natalie Acker
Die Pferde spiegeln uns (Foto: Natalie Acker)

Haltung, Gesundheit und Ernährung sind wesentliche Punkte für das Wohlergehen eines jeden Pferdes und haben auch Einfluss auf den Umgang mit ihm. Was bedeutet für Sie artgerechte Pferdehaltung und wie sollte sie Ihrer Meinung nach aussehen?

Ich kannte als Kind noch die Ständerhaltung, vorwiegend für Schulpferde. Gottseidank haben wir diese nicht mehr. Ob Boxen- oder Gruppenhaltung ist pauschal nicht zu beantworten. Da Pferde soziale Lebewesen sind, wie wir auch, kann man sie nicht permanent im Stall isolieren, ohne ihnen seelischen und gesundheitlichen Schaden zuzufügen. Boxenhaltung kann also nur mit täglichem Auslauf an Licht und Luft funktionieren. Grundsätzlich befürworte ich tägliche Kontaktmöglichkeiten mit anderen Pferden. So die Theorie.

Ich habe einen Wallach, den ich im Lauf der Jahre einzeln mit wechselnden Kumpels zusammen auf die Weide oder Paddock gestellt habe, weil ich ihm Gutes tun wollte. Er mochte keinen von ihnen, hat sie komplett ignoriert und war genervt. Uns beide hat die Situation derart unglücklich (und krank) gemacht, daß ich ihn letztlich in eine Rentnerherde aus Stuten gestellt habe, allesamt Pferde, die nicht mehr geritten werden. Er hat seit zwei Jahren keine einzige Kolik mehr, und er hatte viele davon – als starker Kopper. Wenn ich ihn so sehe, bekomme ich Ehrfurcht, so anmutig erscheint er mir heute.

Summa summarum: für Reitpferde finde ich die Kombination aus Boxen- (nachts) und Gruppenhaltung (tags) durchaus praktikabel. So kommen auch rangniedere Tiere gut zum Ausruhen und an ihr Futter. Ein großräumiger, gut funktionierender Offenstall ist aber auch prima und für so manches Pferd die bessere Wahl.

Pferde auf der Weide
Pferde sind soziale Lebewesen (Foto: Natalie Acker)

Als Tier, welches immer noch sehr stark von der Natur und den eigenen Instinkten geprägt ist, stellt das Pferd besondere Anforderungen an einen artgerechten Umgang. Für uns als Partner ist es daher besonders wichtig, uns auf die Bedürfnisse der Pferde einzustellen. Was ist aus Ihrer Sicht als Tellington-Practitioner, Centered-Riding-Instructor und zertifizierte Stressmanagementtrainerin wichtig beim Umgang mit Pferden?

Erst einmal finde ich, sollten wir das Pferd als vollständiges Lebewesen mit einer eigenen Persönlichkeit wahrnehmen, wertschätzen und achten. Was ich manchmal erlebe, ist, dass mechanisch und kommunikationslos mit Pferden umgegangen wird, als ob sie weder hören noch fühlen noch denken könnten. Jedoch, sie „reden“ ständig mit uns durch ihren Körper, stellen Fragen, antworten, reagieren, aber viele nehmen das überhaupt nicht wahr. Erst wenn sich die Pferde dann heftiger bemerkbar machen, finden sie Aufmerksamkeit. Das Pferd ist dann aber schon entnervt, wird widersetzlich oder – häufig nicht wahrgenommen vom Besitzer – schaltet ab, weil es keine Lust mehr hat auf diese Nicht-Kommunikation.

Darum möchte ich meinen Kunden heute vermitteln, was es heißt, gut zu führen: bestimmt und freundlich zugleich; wenige, kleine Signale, aber verbunden mit einer glasklaren Vorstellung. Vergleichbar mit einem tanzenden Paar, wo ja auch einer die Führung innehat und haben muss. Ich darf fordern, um zu fördern, aber Stress, Zwang und Druck helfen mir nicht auf diesem Weg. Ich frage mich stets, wenn ICH jetzt das Pferd wäre und das Pferd ich, würde ich wollen, dass man so mit mir umgeht? Wollte ich diese Art oder nicht lieber eine andere? Wenn ich also mit meinem Pferd in der Bahn zum Beispiel Handarbeit mache und ich merke, heute klappt es nicht, mein Pferd ist unkonzentriert, macht sich fest, was tue ich dann? Welche Möglichkeiten habe ich? Dann versetze ich mich in dieses Pferd und dann wünsche ich mir, mit Nachsicht, Respekt, Liebe und Konsequenz geleitet zu werden.

Dieser Mangel an Kooperation, das ist doch zugleich ein Schrei nach Hilfe! Und ja, die Hilfe kann auch sein, dass ich meinen Anteil an Führung verstärken muss oder mich klarer ausdrücken, eine andere Art der Hilfengebung für DIESES Pferd finden, zum Beispiel, wo es touchiert werden will, damit es so reagieren kann, wie ich mir das vorstelle. Bei der kleinsten Verbesserung, dem passenden Angebot des Pferdes in die richtige Richtung, mache ich: ein Pause. Sofort. So lernen Pferde zügig und bleiben motiviert.

Von Manuel Jorge de Olivera (Schüler von Nuño Oliveira), habe ich folgendes gelernt: wenn ich in der Bahn beginne, mit einem Pferd zu arbeiten, dann stelle ich mir diese Frage: „Was braucht dieses Pferd heute von mir?“ – und nicht: was will ich heute von ihm! So herum passt es. Ich frage mich, wie ich das Pferd unterstützen kann. Darin sehe ich meine Aufgabe. Das will ich Pferdebesitzern vermitteln: Wir können unsere Haltung und Einstellung verändern. Dadurch wird häufig erst der Weg frei zu mehr Freude und Freundlichkeit, zu echter Partnerschaft, Verbindung und Kooperation mit unserem Pferd. Sie spüren diese Haltungsveränderung ganz genau und reagieren exakt darauf.

Pferdetraining
Wie kann ich mein Pferd unterstützen? (Foto: Natalie Acker)

Bekannte Horsemen und Pferdemenschen dienen so manchem als Vorbild für die Ausbildung des Pferdes, auch wenn bei einigen Vorbildern nicht immer alles so pferdegerecht ist, wie es manchmal scheint. Haben auch Sie Vorbilder  oder Inspirationsgeber in der Pferdewelt und was fasziniert Sie an ihnen?

Ich habe mittlerweile einige Vorbilder. In den letzten Jahren sind die Möglichkeiten, von großen Pferdepersönlichkeiten zu lernen, durch das Internet sehr viel besser geworden. Aber ich freue mich auch, wenn ich einen Frederic Pignon, eine Linda Tellington oder einen Bent Branderup live erleben kann. Oder Angelika Engberg, sie hat mir alles über Centered Riding beigebracht und ich schätze ihre Persönlichkeit und besonders die Art, mit Menschen umzugehen. Das erlebt man ja häufig, dass viele Koryphäen zwar mit Tieren, aber nicht gut mit Menschen sind. Sie kann es, und ich finde das so wichtig, denn der Schlüssel zur Lösung der Schwierigkeiten mit dem Pferd liegt bei den Menschen!

Reiterlich profitiere ich am meisten von meinen derzeitigen Trainern wie José Miguel Silva und Desmond O‘ Brien, der übrigens gerade im Training eine tolle Einstellung zum Pferd hat – er spricht wirklich mit ihnen (und nicht über sie)! Und er kann Pausen machen, die sind von höchster Qualität. José Miguel bin ich dankbar für die Einführung in die klassisch-portugiesische Bodenarbeit; sie ist mir eine äußerst wertvolle Hilfe bei der Arbeit mit schwierigen Pferden.

Es ist etwas unglaublich Schönes, seinen Weg mit den Pferden gefunden zu haben. Besonders gerne arbeiten Sie mit den Methoden von Linda Tellington-Jones und Sally Swift. Wie würden Sie Ihre Arbeit mit Pferden und Ihr Konzept beschreiben?

Meine Arbeit ist ein Kompendium an all diesen Vorbildern, Büchern, Kursen, plus meine eigenen Erfahrungen, Ansichten und Gaben, die Pferde zu begreifen. Besonders wichtig ist es, Schmerz und Angst als Motiv für ein unerwünschtes Verhalten zu erkennen, oder festzustellen: es ist mangelnde Klarheit bei der Führung. In Wahrheit vermischt sich das, aber wenn ich das Pferd gut genug kennenlerne, um es auseinanderzukriegen, dann kann ich so viel Veränderung bewirken.

Linda Tellington hat mich dabei unendlich viel gelehrt und eine völlig neue Dimension in meinem Leben erschlossen. Was Hände alles können!!! Ich brauche dazu keinen teuren Apparat, ich muss nur die Fähigkeiten nutzen, die die Natur mir mitgegeben hat. Linda hat daraus glücklicherweise eine (im übrigen auch vielen neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen standhaltende) Methode gemacht, die gelehrt und weitergegeben werden kann. Nicht nur der TTouch, auch ihr Einsatz der Körperbänder oder der Lernparcours, das sind für mich so elementar wichtige Werkzeuge, die ich in meiner täglichen Arbeit nicht missen möchte.

Linda Tellington
Zusammen mit Linda Tellington (Foto: Natalie Acker)

Sie erleichtern einfach alles, das Neu-Lernen, das Ver-Lernen von Verhaltensweisen und das gefühlsmäßige „Umbewerten“ von Gewohntem. Ich bin aber auch ganz persönlich eine große Anhängerin der Feldenkrais-Methode – die Linda einst als Grundlage diente – und weiß ihre Vorteile für mich zu nutzen. Auch meditiere ich sehr gern. Manchmal habe ich den Eindruck, wenn Pferde den TTouch genießen, fallen sie in eine Art Trance, einem Geisteszustand ähnlich dem der Meditation. Es sind bestimmte Gehirnwellenmuster, die für die Erfrischung des Gehirns und seiner Leistungsfähigkeit sorgen.

Mit der Centered Riding Methode kann ich den Reiter optimal unterstützen. Es ist ja keine neue Reitlehre, sondern der Weg vom „Was“ zum „WIE“! Erdung, Atmung, Zentrierung, klare Absicht, weicher Blick (und ruhige Gedanken), für mich persönlich war das nicht nur eine Offenbarung, sondern ganz viel Erleichterung. Es ist nicht der einzige Weg zum feinen, leichten Reiten, aber wie ich finde, ein sehr gangbarer und reiterfreundlicher. Schließlich will ich die komplexe gefühlsmäßige Wahrnehmung des Reiters erreichen und schulen.

Heute kann ich sagen, ich habe das Glück mit den Pferden wiedergefunden. Darum geht es. Es ist genau das Gefühl, warum ich einmal als kleines Kind losgezogen bin, um mit diesen viele Stunden meines Lebens zu verbringen. Wo sich zwischenzeitlich Platz für negative Gefühle eingeschlichen hatte, ist heute Raum für klare, positive Vorstellungen. Wo früher Gespür verdrängt wurde, frage ich heute meinen Bauch und ich höre auch auf ihn (die Gehirnforschung spricht mittlerweile vom sog. „Bauchhirn“). Ich frage auch nicht, ob ich an die Tierkommunikation glaube, sondern ich arbeite mit ihren Ergebnissen, wenn ich sie für nützlich halte. So ist das Leben mit den Pferden und ihren Besitzern für mich heute so viel kreativer und spannender geworden, als ich es jemals für möglich gehalten hätte. Dies alles weitergeben zu können, ist das größte und späte Glück meines Lebens.

Natalie Acker
Glücklich sein mit Pferden (Foto: Natalie Acker)

Frau Acker, Sie haben bereits umfangreiches Wissen erworben und bilden sich regelmäßig weiter. Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

Meinen Weg konsequent weitergehen. Offen, neugierig und flexibel sein, mich nicht überfordern – denn dazu neige ich. Gerne möchte ich ein bisschen mehr Schreiben, das macht mir Spaß. Ich will besser werden, jeden Tag Neues von den Pferden lernen. Oder von ihren Menschen. Meine Persönlichkeit formen. Was ich in meinem Inneren bin, kann ich nach Außen für Andere sein.

Welchen Rat möchten Sie zum Schluss anderen Pferdefreunden noch mit auf den Weg geben?

„Alle (menschlichen) Verfehlungen sind das Ergebnis eines Mangels an Liebe“ sagte Alfred Adler. Macht euch bewusst, wo die Schwierigkeiten, die ihr mit euren Pferden habt, ursprünglich herkommen. Verurteilt und urteilt nicht. Analysiert mit Herz und Verstand. Bleibt oder werdet unabhängig von einzelnen Ratgebern. Bildet euch eure eigene Meinung, stellt auch diese immer wieder in Frage und bildet euch weiter.

Entspannt euch, wenn ihr mit den Pferden zusammen seid. Dann werdet ihr Schwierigkeiten lösen können. Liebe heißt nämlich, ehrlich zu sich selbst zu sein, Führung und Verantwortung zu übernehmen, Geduld zu haben, Freude im Hier und Jetzt zu empfinden und diese Freude mit den Pferden zu teilen. Denn Liebe ist das einzige, was wächst (und zu euch zurückkommt), indem ihr sie verschwendet. (Ricarda Huch)

Ich danke ihnen, Herrn Gerwers für diese Möglichkeit, meine Gedanken mit anderen Pferdemenschen zu teilen. Möge es den Pferden zugutekommen.

Auch ich möchte mich ganz herzlich bei ihnen bedanken, Frau Acker, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Ihre Gedanken mit uns zu teilen und meine Fragen zu beantworten. Ich bin mir sicher, dass viele Pferdemenschen darin Anregungen für ihren eigenen Weg finden. Ich wünsche Ihnen weiterhin alles Gute für Sie und Ihre Arbeit mit den Pferden und würde mich freuen, wenn wir uns bei einem Pferde-Event wiedersehen…

Auf ihrer Website Pferde-Probleme findest du noch weitere interessante Informationen über Natalie Acker und ihre Arbeit mit den Pferden und ihren Menschen.

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