Wiederholt Pferde als Jagdopfer – muß das sein?

Die Jagd in ihrer heutigen Form gerät zunehmend in die Kritik. Immer wieder liest man in der Presse von Unfällen bei Jagden, verletzten Menschen durch Jäger oder „aus Versehen“ getöteten Tieren. Auch so mancher Reiter und Pferdehalter kann ein Lied von Problemen mit Jägern singen. Inzwischen gibt es aber zahlreiche Organisationen, die eine grundlegende Reform unserer Jagdgesetze fordern. Auch Karin Oswald hat sich dies mit ihrer „Initiative zur Eindämmung der Hobbyjagd“ zum Ziel gesetzt. Hier erzählt sie uns von ihren Erfahrungen:

In Deutschland gibt es aktuell mehr als 400.000 Hobbyjäger, Tendenz steigend. Die Jagdverbände bejubeln diesen fragwürdigen Trend – für den Rest der Bevölkerung wird diese Entwicklung jedoch zunehmend zum Problem. Auseinandersetzungen zwischen Jägern und anderen Naturnutzern häufen sich, immer öfter werden Anwohner, Spaziergänger, Radfahrer oder Reiter durch die Jagdausübung gefährdet, verletzt und sogar getötet.

Proportional zur Anzahl der Jäger nimmt auch die Zahl der Fehlschüsse zu. Kugeln verirren sich in Autos, Freibäder, Kinderzimmer, Menschen werden auf dem eigenen Grundstück angeschossen und teils erheblich verletzt oder geraten während eines Spaziergangs oder Ausritts in lebensgefährliche Situationen. In schöner Regelmäßigkeit fallen auch Pferde übereifrigen Jägern zum Opfer. So wurde erst Anfang Juni wieder ein Pferd von einem Jäger erschossen. Der Kaltblüter stand zusammen mit seiner Herde auf einer Sommerkoppel, als der tödliche Schuss fiel. Der örtliche Revierpächter war gegen 22.00 Uhr auf der Jagd gewesen und gibt an, das Pferd mit einem Wildschwein verwechselt zu haben.

Auch Pferde werden Opfer auf Jagden (Foto: rihaij / Pixabay)

Ein Alptraum für jeden Pferdebesitzer – und doch kein Einzelfall. Immer wieder kommt es zu derartigen „Verwechslungen“. Schnell ist nach solchen Zwischenfällen von „tragischen Einzelfällen“ und „schwarzen Schafen“ die Rede oder von „Querschlägern, die bei aller Umsicht nie ganz auszuschließen seien“. Es soll der Eindruck vermittelt werden, als handele es sich bei derartigen Fehlschüssen um zwar bedauerliche, in letzter Konsequenz aber dennoch schicksalhafte Vorkommnisse, welche auch durch eine strengere Reglementierung der Jagd nicht hätten verhindert werden können. Dabei liegt der Fehler eindeutig im System. Und die Probleme beginnen schon sehr viel früher – nicht erst, wenn ein Pferd tot auf der Koppel liegt, ein Hund vor den Augen seiner entsetzten Besitzer erschossen wird oder ein Kind beim Spielen auf dem eigenen Grundstück angeschossen und verletzt wird.

Der Fehler liegt im System, weil sich durch entsprechende Sicherheitsvorschriften, eine adäquate und an die Erfordernisse der heutigen Zeit angepasste Jägerausbildung, eine regelmäßige Überprüfung der gesundheitlichen und psychischen Eignung von Jagdscheininhabern sowie durch die Schaffung von unabhängigen Kontrollinstanzen durchaus für mehr Sicherheit bei der Jagdausübung sorgen ließe.

Schon die Jägerausbildung selbst ist äußerst fragwürdig. Das hochgelobte „Grüne Abitur“ umfasst lediglich 120 Ausbildungsstunden, in immer mehr Jagdschulen kann man die Jägerprüfung bereits nach einem zweiwöchigen Crash-Kurs ablegen. Während dieser wenigen Unterrichtseinheiten soll den angehenden Jagdscheininhabern alles Wissenswerte über das Ökosystem Wald, wildbiologische Zusammenhänge, Jagd- und Schonzeiten der verschiedenen Tierarten, rechtliche Rahmenbedingungen, Tier- und Naturschutz sowie das Schießen und der sichere Umgang mit Waffen vermittelt werden. Dass das erworbene Wissen unter diesen Umständen allenfalls oberflächlich sein kann, erschließt sich von selbst. Bereits hier wird der Grundstein für viele der später auftretenden Probleme gelegt.

Der Fehler liegt im System (Foto: PublicDomainPictures / Pixabay)

Ausgestattet mit einem Wissen, welches sich hauptsächlich an Tradition und Brauchtum orientiert und neuere Erkenntnisse der wildbiologischen Forschung außer Acht lässt, streifen diese Jäger dann durch Wald und Flur – und setzen ihre eigenen Interessen knallhart durch. Dabei bewegen sie sich in einem System, welches sie nahezu perfekt schützt. Es wird selbst dann nicht eingegriffen, wenn die Probleme offenkundig sind, wie folgender Fall aus Unterfranken exemplarisch zeigt:

Dort waren im Jahr 2020 zwei Reiterinnen mit ihrem Hund unterwegs, als sie auf den örtlichen Revierpächter trafen. Der Jäger beschimpfte die beiden Reiterinnen aufs übelste, gefährdete sie durch seine rücksichtslose Fahrweise, er drohte damit, den Hund zu erschießen und zielte sogar mit seinem Gewehr auf ihn. Der aggressive Jäger wurde zwar zu einer Geldstrafe verurteilt, die Jagderlaubnis wurde ihm aber nicht entzogen.

Und so konnte auch dieser Jäger weiterhin sein Umfeld terrorisieren und gut zwei Jahre später den Hund eines Touristenpaares aus Österreich erschießen. Der Hund war keine 30 Meter von seinen Besitzern entfernt auf einer Wiese, um sich zu erleichtern, als der Jäger den Schuss abgab. Er verließ den Tatort, ohne sich um den sterbenden Hund oder dessen Besitzer zu kümmern. In beiden Fällen sieht sich der Jäger nach wie vor im Recht. Ob dieser Vorfall nun zum Entzug der Jagderlaubnis führt, bleibt abzuwarten.

(Foto: Med Ahabchane / Pixabay)

Viele gefährliche Situationen entstehen auch dadurch, dass es kaum verpflichtende Sicherheitsvorschriften gibt. Sicherheitsabstände zu Wohnhäusern, Pferdekoppeln oder Straßen sind nicht vorgesehen. Treib- oder Drückjagden müssen weder genehmigt noch angemeldet, Anwohner nicht informiert werden. Es gibt keine Genehmigungspflicht für jagdliche Einrichtungen, die Entscheidung darüber, wo ein Hochsitz errichtet wird, liegt allein beim zuständigen Jäger. Und wenn dieser der Meinung ist, dass ein solcher Hochsitz direkt an einem Gartenzaun oder einer Pferdekoppel aufgestellt werden muss, haben Betroffene kaum Möglichkeiten, sich dagegen zu wehren.

Zwar darf durch die Jagdausübung – zumindest in der Theorie – niemand gefährdet werden. In der Praxis aber kommt es immer wieder zu brenzligen Situationen. Spaziergänger oder Reiter geraten in unzureichend abgesicherte Treibjagden und werden massiv gefährdet, Pferde werden auf ihren Koppeln aufgescheucht, versuchen in Panik zu flüchten und verletzen sich dabei. In einem besonders drastischen Fall überlebte ein Pferd eine in der Nähe stattfindende Treibjagd nicht: ausgelöst durch den Stress erlitt das Pferd eine Aorten-Ruptur mit Herztamponade und verstarb. In einem weiteren Fall gerieten zwei Pferde durch die Jagdausübung in unmittelbarer Nähe zu ihrer Koppel in Panik und verletzen sich bei ihrem Fluchtversuch am Stacheldraht der Koppel so schwer, dass sie notgeschlachtet werden mussten.

Wie aber kommt es nun dazu, dass Jäger immer wieder friedlich auf ihrer Weide grasende Pferde, Kühe, Esel und andere Tiere mit Wildschweinen verwechseln? Warum scheitern Jäger in schöner Regelmäßigkeit an einer Aufgabe, die in der Regel schon Kindergartenkinder problemlos bewältigen? Leider ist davon auszugehen, dass bei derartigen Vorfällen schlicht und ergreifend die wichtigste Regel im Umgang mit Schusswaffen nicht beachtet wird: nämlich erst dann zu schießen, wenn man sich zu 100% sicher ist, worauf man schießt. Regelmäßige Schulungen und verpflichtende Schießübungen für Jäger könnten das Risiko solcher Fehlschüsse zumindest reduzieren – doch selbst die verpflichtende Teilnahme an einem jährlichen (!!!) Übungsschießen ist bisher gegen den Widerstand der Jagdlobby nicht flächendeckend durchzusetzen.

Ein weiteres großes Problem ist, dass weder die gesundheitliche noch die psychische Eignung von Jagdscheininhabern in ausreichendem Maß überprüft wird. Selbst bei hochbetagten Jägern findet keine regelmäßige Überprüfung der Seh- oder Reaktionsfähigkeit statt. Und auch an Demenz erkrankte Jagdscheininhaber können durchaus noch im Besitz einer gültigen Jagderlaubnis sein, wie ein Vorfall in Cuxhaven zeigt, bei dem ein 84-jähriger, demenzkranker Jäger einen Einsatz des SEK ausgelöst hat, nachdem seine zuvor von ihm attackierte Ehefrau die Polizei gerufen und darauf hingewiesen hatte, dass ihr Mann trotz seiner Demenzerkrankung als Jagdberechtigter Zugang zu Waffen und Munition hat.

Auch die Überprüfung der psychischen Eignung von Jagdscheininhabern sollte viel stärker in den Fokus rücken. Als in den Niederlanden im Jahr 2019 eine solche Überprüfung verpflichtend eingeführt wurde, bestanden rund 25% der Jäger diesen Test nicht – die betroffenen Waidmänner mussten ihre Waffen abgeben, die Jagderlaubnis wurde ihnen entzogen. Überträgt man die Zahlen auf Deutschland, bedeutet das, dass auch bei uns etwa 100.000 Menschen schwer bewaffnet durch Wald und Flur laufen, die für den Umgang mit Waffen von ihrer psychischen Konstitution gänzlich ungeeignet sind.

Kommt es vor Ort zu Problemen zwischen Jägern und anderen Naturnutzern bzw. Anwohnern, ist von den Behörden in den wenigsten Fällen Unterstützung zu erwarten. Die zuständigen Kontrollbehörden sind in der Regel überwiegend mit Jägern besetzt, teilweise kennt man sich sogar persönlich und letztlich verfolgt man dasselbe Ziel: das Bild vom Jäger als verantwortungsbewussten Natur- und Tierfreund soll unter keinen Umständen beschädigt werden. Beschwerden oder Anzeigen von Betroffenen werden nicht selten einfach ignoriert, selbst offensichtlich fahrlässiges und regelwidriges wird noch mit zum Teil haarsträubenden Erklärungsversuchen gerechtfertigt. Man muss schon sehr hartnäckig sein und ordentlich öffentlichen Druck aufbauen, wenn man hier etwas erreichen will.

(Foto: Ulf Åkesson / Pixabay)

Seit wir im Jahr 2011 unsere „Initiative zur Eindämmung der Hobbyjagd“ ins Leben gerufen haben, unterstützen wir Betroffene im gesamten Bundesgebiet. Egal, ob Waldwege von Jägern unberechtigterweise gesperrt werden, Spaziergänger mit selbst gestalteten Schildern vom Betreten bestimmter Gebiete abgehalten werden sollen, ein Hund während eines Spaziergangs in eine nicht vorschriftsmäßig gesicherte Falle gerät oder von einem übereifrigen Jäger erschossen wird, sich die eigene Katze mit Schrotkugeln durchsiebt schwer verletzt nach Hause schleppt, Menschen durch die Jagdausübung in Gefahr geraten, ein Hochsitz direkt neben einem Wohnhaus oder einer Pferdekoppel aufgestellt wird oder Verstöße gegen das Tierschutzgesetz beobachtet werden – gemeinsam mit den Betroffenen versuchen wir, genug Druck auf die Behörden aufzubauen, um eine Verbesserung der Situation vor Ort zu erzielen.

Gleichzeitig haben Betroffene die Möglichkeit, ihre Geschichte auf unserer Homepage zu veröffentlichen. Wir vermitteln Kontakte zu anderen Organisationen, die im betreffenden Fall unter Umständen effektiver helfen können. Gleichzeitig versuchen wir, sowohl die Öffentlichkeit als auch die Politik für das Thema zu sensibilisieren: wir verteilen Flyer, organisieren Infostände, verfassen Leserbriefe und sind im Austausch mit Politikern und Medienvertretern.

Da die herrschenden Zustände schon lange nicht mehr akzeptabel sind, setzen wir uns für ein völliges Verbot der Hobbyjagd ein und plädieren stattdessen für ein modernes Wildtiermanagement durch speziell ausgebildete Wildhüter. Diese sollten ihr Wissen während einer mindestens dreijährigen Ausbildung oder durch ein Studium erwerben. Der Schwerpunkt sollte hierbei auf der Wildbiologie und den ökologischen Zusammenhängen liegen. Durch die jahrzehntelange allgegenwärtige Jagdpropaganda werden Wildtiere oft nur noch als Schädlinge, Krankheitsüberträger oder gefährliche Raubtiere wahrgenommen – hier könnten Wildhüter mit fundiertem Fachwissen gegensteuern und mit so manchem fest in den Köpfen der Bevölkerung verankerten Jägermärchen aufräumen.

Um dieses Ziel in absehbarer Zeit erreichen zu können, ist noch sehr viel Aufklärungsarbeit nötig. Vor allem aber müssen Betroffene endlich ihr Schweigen brechen und anfangen, sich gegen die herrschenden Missstände zur Wehr zu setzen. Viel zu oft wird übergriffiges und gefährliches Verhalten von Jägern noch immer schulterzuckend hingenommen – man möchte nicht noch mehr Ärger, hat Angst, dass die Situation vor Ort weiter eskaliert und nimmt nicht selten völlig ungerechtfertigte Einschränkungen in Kauf: um eine erneute Auseinandersetzung mit seinem ganz persönlichen Problem-Jäger zu vermeiden, verzichtet man auf die gewohnte Joggingrunde, man kehrt um, wenn man das Auto des Jägers von weitem erblickt oder nimmt vorsorglich den Hund an die Leine, obwohl dieser gut abrufbar ist und keine Leinenpflicht herrscht. Das kann aber nicht die Lösung sein…

Zum Schluß würde uns noch interessieren, wie Du zum Thema Jagd stehst. Teile uns Deine Meinung gerne in einem Kommentar mit. Und wenn Du auch ähnliche Erfahrungen wie oben beschrieben gemacht hast, würde sich Karin Oswald freuen, wenn Du Deine Erfahrungen mit ihr teilst: Karin Oswald, 85084 Reichertshofen, Mail: chicco471@aol.de

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