Reitsport und die sozialen Medien
Bilder, die bearbeitet sind, besonders außergewöhnliche Pferde und scheinbar unfehlbare Reiter – die sozialen Medien haben den Reitsport in eine Scheinwelt gehüllt, die mit der Wirklichkeit nicht immer etwas zu tun hat. Und das bleibt nicht ohne Wirkung: Viele Reiter fühlen sich mit ihrer eigenen Entwicklung zunehmend überfordert, weil sie glauben, den unrealistischen Standards nicht zu genügen.
Während also in den sozialen Medien oft nur eine sehr unrealistische Seite des Reitsports gezeigt wird, sieht die Realität meist ganz anders aus: harte Arbeit, Rückschläge und auch mal die ein oder andere ungeschminkte Wahrheit gehören beim Reiten einfach dazu. Viele wissen zwar, dass ihnen gerade das Vergleichen mit anderen Reitern auf Social Media nicht guttut, doch die wenigsten ahnen, wie stark es sich sogar auf die Leistung beim Reiten und den Umgang mit dem Pferd auswirkt. Wie aber kann man sich dem negativen Einfluss auf die eigene Leistung zu entziehen?

Der Einfluss der Social-Media
Social Media hat einen starken Einfluss auf die Psyche und damit auch auf die mentale Kapazität und Nervenstärke beim Reiten – denn der Einfluss von Instagram & Co. Blase im Reitsport ist riesengroß und und läßt sich nicht einfach ignorieren. Es gibt zahlreiche Influencer im Reitsport, die Einblicke in ihr Leben geben. Auch die Profisportler zeigen immer wieder, wie so ein Alltag im Sport aussehen kann. So viele schöne Seiten Social Media und das Internet auch haben, gibt es leider auch einige dunkle Seiten. Social Media beeinflusst uns alle in irgend einer Form, und das nicht unbedingt zum Positiven. Nachfolgend beleuchtet Vanessa Klett, Mental-Coach für Reitsportler, drei Punkte, die einen negativen Einfluss haben:
Vergleichen
Die meisten Reiter kennen das Gefühl, sich ständig mit anderen Reitern zu vergleichen. Evolutionsbedingt strebt der Mensch danach, zu einer Gruppe dazuzugehören und in dieser anerkannt zu sein, was die grundsätzliche Tendenz von Menschen zum Vergleichen erklärt. Das Problem heutzutage ist nur, dass durch das Internet und Social Media die Gruppen, mit denen wir uns vergleichen, riesengroß geworden sind – zu groß. Das menschliche Gehirn ist jedoch nicht darauf ausgelegt, sich mit einer so großen Masse zu vergleichen und es ist schlichtweg überfordert.
Zudem wird auf Social Media häufig eine wunderschöne Welt präsentiert: Turniererfolge, hervorragend ausgebildete Pferde, selbstsichere Reiter und immer die neueste Kollektion der beliebtesten Reitsportmarken am Pferd. Fehler und Scheitern werden aber meist weniger und minimal dosiert gezeigt. Das ist nicht unbedingt der Fehler von Influencern, sondern einfach die Charaktereigenschaft der Social Media Plattformen. Schließlich kann niemand jeden einzelnen Schritt und Gedanken dokumentieren. Diese geschönte Darstellung wirkt jedoch für die Follower oft sehr anziehend und führt zu unrealistischen Standards in den Köpfen der Reiter.
In der Realität sieht der Prozess schließlich oft anders aus: Fehler, Rückschläge und Herausforderungen gehören dazu, doch der Vergleich mit unrealistischen Maßstäben verstärkt die eigenen Zweifel an sich selbst und der eigenen Kompetenz beim Reiten. Selbst mit dem Wissen, dass Social Media eine verzerrte Welt zeigt, fällt es vielen schwer, sich davon zu lösen. Langfristig schadet das der mentalen Gesundheit und der eigenen Nervenstärke. Die Selbstzweifel und das negative Gefühl werden schließlich auch ins Training mitgenommen und bei teilweise auch nur kleinen Fehlern kommen schnell Gedanken auf, wie: „Warum bin ich nicht so gut wie die anderen?“

Abhängigkeit
Social Media macht abhängig – das ist mittlerweile vielen bewusst. Das liegt nicht nur an der tollen Scheinwelt, die viele Reiter anzieht, sondern auch an dem grundsätzlichen Design der Apps. Denn Formate wie Reels oder Kurzvideos sind darauf ausgelegt, möglichst viel Dopamin auszuschütten. Dopamin ist ein Neurotransmitter, der vom Gehirn als Belohnung ausgeschüttet wird. So signalisiert das Belohnungssystem, dass ein gerade ausgeübtes Verhalten gut war und wiederholt werden sollte.
Früher war es nötig, echte Anstrengungen zu unternehmen, um solche existenziell wichtigen Erfolgserlebnisse zu erzielen und Dopamin zu erhalten. Heute fehlt dieser Aufwand, aber die Belohnungen in Form von Dopamin gibt es trotzdem. Social Media liefert diese Belohnung mühelos: Ein simpler Wisch mit dem Finger reicht für den nächsten Dopamin-Kick, ohne weitere Anstrengungen unternehmen zu müssen.
Aufgaben, die mehr Einsatz erfordern und weniger Dopamin liefern, erscheinen dem Gehirn dadurch sofort unattraktiv. Bei Fehlern und Rückschlägen also weiterzukämpfen und nicht den Kopf in den Sand zu stecken und sich lieber ins Handy zu flüchten, fällt dadurch vielen Reitern zunehmend schwerer. Social Media beeinträchtigt also Willenskraft und Disziplin – beides essenzielle Fähigkeiten im Reitsport.
Generell sollte der Umgang mit Social Media immer bewusst erfolgen. Dies kann helfen, die negativen Einflüsse zu minimieren. Es ist wichtig, unkontrolliertes Scrollen zu vermeiden, Social-Media-Pausen einzulegen und am besten die ersten 1,5 Stunden des Tages ohne Handy zu beginnen. So wird einer Social Media Abhängigkeit mit seinen negativen Effekten entgegengewirkt.
Negative Gedankengänge
Vieles, was Reiter auf Social Media sehen, triggert ihre eigenen negativen Gedankengänge, auch Glaubenssätze genannt. Dabei denken viele, dass andere Reiter und deren scheinbar mühelose Erfolge ihnen ein schlechtes Gefühl geben. Tatsächlich entsteht dieses Gefühl aber aus den eigenen Überzeugungen heraus. Der Erfolg anderer triggert nur, wenn in einem selbst bereits bestehende Zweifel an den eigenen Fähigkeiten oder sich selbst im Allgemeinen bestehen.
Die Meinung und Erfolge anderer Reiter auszublenden und Schritt für Schritt seinen eigenen Weg bis zur Erreichung seiner Ziele zu gehen, kurzum mentale Stärke und ein optimaler Leistungsabruf, setzen also eine Arbeit an sich selbst und den eigenen Gedankenmustern und Glaubenssätzen voraus. Schließlich entstehen solche Trigger durch innere Zweifel und negative Gedanken. Sie sind also niemals angeboren, sondern durch Erfahrungen erlernt.
Somit können diese aufgelöst werden, indem man sich bewusst mit den eigenen Themen auseinandersetzt. Das ist manchmal leichter gesagt als getan, aber nur so kann das eigene Selbstbewusstsein gestärkt werden und Erfolge anderer lösen keine negativen Gefühle oder Druck mehr aus. Wie sind Deine Erfahrungen mit den sozialen Medien?
Verwendete Quellen: Pressemitteilung Vanessa Klett Coaching LLC