Reiten im Capitol Reef Nationalpark

Schon 700 n.Chr. lebten Indianer der Fremont-Kultur entlang des Fremont River. Heute gehört das Gebiet in Utah um den Fremont River zum Capitol-Reef-Nationalpark, dessen Kernstück die Waterpocket Fold ist. Hierbei handelt es sich um eine über 150 km lange geologische Formation, die sich in Nord-Süd-Richtung erstreckt. Durch Erosion entstand hier eine ‚Falte‘, die ähnlich einer Verwerfung markante Trennlinien zwischen geologischen Schichten aufweist. Warum diese Gegend nicht einmal auf dem Rücken eines Pferdes erkunden, dachte sich die Weltreiseforum Autorin Marion Schwartzkopff und setzte dies in die Tat um:

Ich bin auf einer Rundreise durch Utah, dem Staat mit den meisten Nationalparks, und begonnen hat mein Mietwagenabenteuer in Las Vegas. Frankfurt – Las Vegas in 11 Stunden per Direktverbindung, das war nicht zu toppen. Ziel, Sinn und Zweck meiner dreiwöchigen, selber organisierten Tour: Reiten in allen Nationalparks! 

Etliche Dutzend Stunden Vorbereitung daheim am Rechner, mit 3 Reiseführern und einer analogen Straßenkarte parallel zur Hand waren notwendig gewesen, um diese ReiterInnentour auszutüfteln. Internetrecherche, in welchen der Nationalparks man reiten kann – und wenn ja, versuchen, übers Internet herauszukriegen, welcher der Anbieter hält, was er verspricht. Ein bisschen ist es ja die Katze im Sack zu buchen, und bis ich den Fuß vor Ort im Steigbügel habe, weiß ich nie, ob ich wohl auf meine Kosten komme oder auf einem lahmen Esel lande, vor und hinter mir Touristen, die noch nie auf einem Pferd saßen.

Cowboy
Waschechter Cowboy (Foto Marion Schwartzkopff

Waschechter Cowboy

Brad ist ein waschechter Cowboy, ein wrangler, wie die Pferde-Cowboys hier genannt werden und er wird mein „Berittführer“ sein, wenn es auf Quarter Horses durch die eher unbekannten, aber unglaubliche schöne Landschaft des Capitol Reef Nationalparks im Südwesten der USA geht. Vor meiner USA Reise verband ich das Wort „Wrangler“ nur mit der gleichnamigen Jeansmarke. Vor Ort lernte ich dann, dass ein wrangler ein Cowboy ist, der sich hauptsächlich um Pferde, nicht um Rinder kümmert. Bei den Trailritten sind es also die „Berittführer“.  

Brad war in seiner Jugend er Rodeoreiter, auf Broncos, gesattelt und bareback und auch in der Königsdisziplin, dem Bullenreiten. Davor hatte er mit Prädikatsabschluss Betriebswirtschaft studiert, aber all die Theorie, das war nichts für ihn. Schon sein Vater hat immer mit Pferden gearbeitet, warum sollte er dann im Büro enden? Nach den Jahren auf den Rodeos tourte er lange Jahre als „mobiler“ Trainer für Rennpferde kreuz und quer durch die den USA, dem Bedarf hinterher. Als die Kinder kamen, kaufte er eine Ranch und richtete in Utah sein eigenes Trainingszentrum für Vollblüter ein. Nun, mit 64, hat er sie wieder verkauft, weil er doch ein kleines bisschen kürzer treten möchte – aber natürlich nicht ohne Pferde.

Vor drei Jahren kaufte er zusammen mit Susan, seiner Frau 15 Quarter Horses und bietet seitdem mit „Wilderness Ridge Adventures“ Trailritte im Capitol Reef Nationalpark an. Ach ja, und Lamas züchtet er noch, sie sind in den Staaten beliebte Packtiere für Jäger und Wanderer, dort, wo man mit Mulis nicht mehr weiter kommt. 500 hat er davon, die größte Herde der USA. Brad hat also etwas zu erzählen – und das tut er ausgiebig und gerne auf unserem dreistündigen Ritt zu der Falte in der Erdkruste, lustig und interessant allemal.

Cowboy
Die Aussicht genießen (Foto: Marion Schwartzkopff)

Eine riesige, gekrümmte Falte in der Erdkruste ist Hauptelement des eher unbekannten Capitol Reef Nationalparks. Sie erstreckt sich über 160 km im mittleren Süden Utahs. Diese Faltung entstand vor rund 65 Millionen Jahren durch Aufwölbung der Erdkruste und wird Waterpocket-Fold (Wassertaschen-Falte) genannt. Der Capitol Reef Nationalpark erscheint wie ein Wirrwarr bunter Klippen, massiver  Wölbungen, thronender Säulen, sich windender Schluchten, gelbroter Felsenungetüme. Durch ihn führt ein Scenic Drive, die Utah State Route 24, eine Aussichtsstraße und auch die einzige, die die beiden Städtchen Hanksville und Torrey, östliche und westlich dieses Faltengebirges, verbindet. Sie windet sich entlang des Fremont Rivers, zwängt sich durch dessen enge Täler, um dann wieder über einem Kamm anzusteigen, ein bisschen ist es wie auf einer Achterbahn….hoch und runter auf dieser einen Straße und rechts und links die bizarren Bergformationen. 

Ich aber wollte ein Stückchen reitend diese bizarre Gegend erkunden und eine Stunde vor geplantem Abritt fand ich mich an Brads Corral ein, um mir die Pferde in Ruhe anzusehen. Natürlich sind es Quarter Horses. Was für Deutschland seine Warmblüter, das ist für die USA das Quarter Horse. Mit über 4,6 Millionen registrierten Tieren die zahlenmäßig größte Pferdepopulation der Welt. Das American Quarter Horse ist ein Symbol nationalen Stolzes: es ist das Pferd, mit dem der Westen erobert wurde, das Pferd der Cowboys, damals wie heute. Die Vielfalt der vorkommenden Farben ist für mich beeindruckend – schon alleine bei den Gefleckten ( ich nenne sie mal so, denn ob die Pferde als Paint offiziell registriert waren und Papiere hatten, wage ich bei den Ranch- und Trailhorses zu bezweifeln. Wie Brad trocken meinte: „auf Papieren kannst du nicht reiten, zahlst aber ne Menge Geld dafür.“). Ich bin auf Buckskin-Pintos ebenso geritten wie auf Palomino-Pintos, von den „normalen“ schwarz- bzw. braun gefleckten mal ganz abgesehen. Obwohl nur mit einem Stockmaß so um die 150 cm, selten mehr, sind sie doch so rahmig, dass sie mich und lange Beine viel besser abdecken als mein Araber daheim. Viel machen dabei auch die Westernsättel aus, die den ReiterIn noch gut und gern 15 bis 20 cm höher über den Widerrist bringen.

Als Brad hörte, dass ich von Kindesbeinen an reite und einen Araber habe, war für den alten Haudegen klar, dass ich eines der flotteren Modelle seiner kleinen Herde bekomme und dass die Strecke anspruchsvoll werden darf. Überhaupt hatte ich auch schon bei den anderen Ritten festgestellt, dass die Erwähnung meines Arabers immer mit fast ehrfürchtigem, auf jedem Fall aber anerkennendem Nicken und dem besten Pferd im Coral quittiert wurde. Ich glaube es lag daran, dass die Reiter dieser coolen Quarters hier wohl annahmen, dass Araber verrückte Spinner, verkappte Durchgänger und irgendwie in dieser Mischung nahezu unreitbar sein müssten….daher trauten die wrangler der Deutschen, die das hinbekam, hier einiges zu….

Reitergallery
Reiterperspektiven (Foto: Marion Schwartzkopf)

Mir war es recht, ich ritt den hübschen Palominowallach „Sam“, ein erfahrenes, ehemaliges Ranchhorse, also ein Allrounder, der auf der Ranch das, was beim Turnier im Cutting. Roping, Reining oder Trail verlangt wird, jeden Tag abliefern musste. Brad ritt einen 40.000 $ teuren Grauschimmel, der zur Reha bei ihm war. Der Graue, erst 6jährig, liebevoll „Ash“ genannt, war nach kurzem Einsatz beim Teamroping auf den Rodeos „mit den Nerven am Ende“, ganz und gar nicht mehr cool drauf, sondern ein verschrecktes Bündel Pferd. Bei Brad und auf dessen Traiiritten sollte er lernen, wieder ein entspanntes Reittier zu werden. Und obwohl er seine Sache bei den Trails schon ganz wunderbar machte – war Brad skeptisch, ob er je wieder professionell auf Rodeos würde starten können.

Vor lauter Reden vergaßen wir ganz, schneller zu reiten und zockelten gemütlich im Schritt in den Nationalpark, der gleich hinter dem Corral beginnt. Ich hatte noch nie einen Rodeoreiter kennen gelernt und nun konnte ich endlich meine ganzen Fragen loswerden: „Wie kommt man überhaupt auf die Idee, sich auf diese wild buckelnden Broncos – oder, noch schlimmer, auf die Bullen zu setzen??“ „Well“, Brad grinste breit: „If you don´t fall, it is just fun!“. Wenn du nicht fliegst, ist es echt ein Spaß!

Reitersiluette
Schattenspiele (Foto: Marion Schwartzkopff)

Mich interessierte dann vor allem, was es für Pferde waren, die da zum Einsatz kamen, diese sogenannten Broncos, wie die bockenden Pferde genannt werden. Denn derweilen es zu den Anfängen der Rodeos wirkliche wilde Mustangs waren, kommen nun extra für das Rodeo gezüchtete Pferde zum Einsatz. Brad erklärte: „Ein Millionengeschäft. Es gibt sogar eine „Bucking Horse Breeder Association“- eine Vereinigung der Züchter von Bockenden Pferden. Die Pferde sind Kreuzungen verschiedener Rassen, auch durchaus schwererer Pferde, damit sie kraftvoll und rahmig werden, mit kräftigen Beinen und starken Gelenken. Sie müssen außerordentlich athletisch sein, kräftig und langlebig.“

Diese speziell gezüchteten Tiere leben, so erklärte mir Brad, außerhalb der Rodeosaison, d.h. meist vom Herbst bis zum Frühjahr nahezu wild in Herden auf riesigen Weiden, um dann, mit Beginn der Saison, von einem „roughstock contractor“ von Rodeo zu Rodeo gefahren zu werden. Dieser Unternehmer wird von den einzelnen Veranstaltern gebucht, damit er für die Rodeos die Broncos oder auch Bullen bereitstellt. Mit dem Begriff „roughstock“ werden in den USA Rodeopferde und -Bullen bezeichnet. Irgendwie fühlte ich mich ein bisschen an unsere Turnierpferde erinnert, die ja auch oft jedes Wochenende im Hänger von einer Veranstaltung zur nächsten kutschiert werden – aber im Winter leider nicht frei haben.

Rodeos erfreuen sich im modernen Amerika immer größerer Beliebtheit. Mehr als 600 große Rodeos werden in knapp 40 Staaten während der Saison abgehalten. Rodeo gilt als Sport, von Profis organisiert, mit ständig wachsenden Mitgliedern und ist sogar eine Sportdisziplin an einigen der Highschools. Und darüberhinaus ein Millionengeschäft: So werden allein bei den National Finals in Las Vegas, oft der Super Bowl des Rodeos genannt, 113 Millionen Dollar umgesetzt. Mit Tickets, Hotels und allem, was sonst noch so dazu gehört hängen etliche Tausend Arbeitsplätze an der Rodeoindustrie. 

Wir ritten entlang der roten und gelben Felsen, durch prärieartige Steppe und durch Creeks, also durch derzeit ausgetrocknete Bachläufe. Brad erklärte, dass so ein Creek schnell zur Todesfalle wird, für Camper oder Hiker, sobald es im Gebirge nur 10 Minuten regnet. Denn was bis dahin einfach ein staubiger und trockener Flußlauf war, würde binnen kürzester Zeit zum reißenden Strom. Ich konnte mir das gut vorstellen, denn die steilen Wände neben mir waren gut und gerne zwischen zwei und drei Metern hoch – hier gab es kein Herauskommen – und wir ritten bereits eine Stunde, ohne an einem flachen Uferbereich entlang gekommen zu sein, an dem wir den Creek wieder hätten verlassen können. Nur zu gut waren die Spuren der letzten „flash flood“, einer Sturzflut, die hier in der vergangenen Woche langgefegt hatte, zu erkennen. 

Und, na klar, wenn man vom Teufel spricht, so zeigten sich an dem sonst scheinbar stets so blauen Himmel Utas auf einmal dicke, dunkle Regenwolken und mir wurde etwas bange in diesem schlauchartigen Gefängnis, in dem wir ritten. Auch Brad hielt die Augen auf, um möglichst schnell einen Ausstieg aus der Röhre zu finden. Nach weiteren 15 Minuten, in denen der Himmel immer dunkler wurde, fand er endlich eine Stelle, die aber nicht ganz ohne war: sie führte auf einem kleinen, schmalen Weg raus aus dem Creek, der nun vor uns einen scharfen Rechtsknick machte und genau vor dem Knick gab es den Ausstieg.

Brad ritt hin, kam zurück und meinte: „Marion, now you have to take the lead with good old Sam, Ash will follow, but he will not go first“. Ich sollte also mit dem erfahrenen Sam vorausgehen, Brad war der Ansicht, die Stelle aus dem Creek heraus würde Ash überfordern. Als ich gedreht hatte, um voran zu gehen, sah ich auch bald, warum: der breite Ausstieg, die dort noch flache Stelle am Ufer, verjüngte sich recht bald, in die Höhe steigend, zu einem schmalen, steilen Pfad von vielleicht 50 cm Breite, links das 3 Meter hohe Steilufer des Creeks und rechts lief der Pfad in eine Böschung aus, die nicht ganz so steil wie die linke Flanke war, aber dennoch Angst einflößend.

Diesen Weg wäre ich daheim mit meinem Pferd nie und nimmer heil hinauf gekommen, ich hätte nicht mal die Idee entwickelt, es überhaupt reitend zu versuchen, vermutlich wären wir kopfüber die Böschung hinab. Aber Sam bewies die Nervenstärke und Trittsicherheit eines Mulis, die Coolness eines Quarters eben, und nahm die schmale Steigung mit Anlauf, ohne auch nur „anzufragen“, wieso er nun vorne sei. Ash kam mutig hinterher. Wir blieben noch genau 10 Minuten trocken, ehe sich das Gewitter entlud. Glück gehabt – und ein Quarter Horse unterm Sattel!!!

Überall selbst im Sattel

Mit Erfahrungsberichten aus erster Hand und zahlreichen Empfehlungen nimmt uns Marion Schwartzkopff in ihrem Reiseführer „USA – Utah und Arizona: Reiten in den Nationalparks“ mit auf ihre wunderbare Reise. Eigens für Reiterinnen und Reiter konzipiert, hilft er dabei, die besten Anbieter und interessantesten Ritte im Vorfeld einer USA Reise mit einzuplanen. Es richtet sich an diejenigen, die nicht die gesamten Ferien im Sattel verbringen möchten, sondern nur an einigen ausgewählten Orten und für einige Stunden. Zu beziehen ist es u.a. bei Amazon*…

Buchcover
Wir freuen uns, wenn Du den Beitrag mit Deinen Freunden teilst oder einen Kommentar hinterläßt...

Ähnliche Beiträge

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert