Auf den Spuren von Lawrence von Arabien

Bist Du mit Deinem Pferd schon einmal in der Wüste geritten oder warst Du überhaupt schon einmal dort? Nicht so viele werden das von sich behaupten können. Wüstengebiete gibt es eine ganze Reihe, aber das Wadi Rum im Süden Jordaniens gilt als eine der schönsten Wüsten der Welt. Auf einer Hochebene gelegen wird das Wadi Rum von skurrilen Steingebilden und mächtigen Felsformationen durchzogen, die entfernt an das Monument Valley in Utah erinnern. Die wohl authentischste Art, diese Wüste zu durchqueren, ist auf dem Rücken arabischer Pferde. Dies hat die Weltreiseforum Autorin Marion Schwartzkopff gemacht, indem sie dort acht Tage lang von Zeltplatz zu Zeltplatz geritten ist. Ihre Eindrücke schildert sie hier:

45°im Schatten. Das ist selbst für Atallah zu viel : „Marhaban – willkommen. Morgen wird es kühler, inshallah – so Gott will!“ begrüßt er uns und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Atallah hat im kleinen Dörfchen Rum seinen Stall und seine Pferdezucht – doch Recht sollte er leider nicht behalten. Jordanien litt in diesem August unter einer Hitzewelle, wie sie der 45 jährige Atallah noch nicht erlebt hatte. Seine 40 arabischen Vollblutpferde hingegen zeigten sich davon unbeeindruckt. Die sieben, die unser kleiner Reittrupp für die bevorstehende Tour auswählte, machten einen munteren Eindruck und schienen zufrieden, endlich aus der Koppel zu kommen und wieder arbeiten zu dürfen. 

Pferd im Wüstental
Morgenstimmung im Wadi Rum (Foto: Marion Schwartzkopff)

Die Talsohlen des Wadi Rum liegen rd. 1000 Meter über dem Meeresspiegel, darüber erheben sich seine Felsmassive noch etliche hundert Meter weiter, so dass der Djebel Rum – mit seinen 1.754 Metern die höchste Erhebung – gleichzeitig der zweithöchste Berg Jordaniens ist. Aus diesem Grund gilt das Klima im Wadi Rum im Sommer zwar als warm,  aber für uns Europäer als geeignet, höchstens um die 30 Grad, nicht wärmer. Im Normalfall. „Im Winter wird es hier oben oft schneidend kalt, und es fällt sogar Schnee.“ Uns sechs Reiterinnen und Reitern fällt es an diesem Tag schwer, dem Beduinen Atallah dies zu glauben.  

Das Wadi Rum bildet, zusammen mit der alten Nabatäerstadt Petra – bekannt aus dem Film Indiana Jones und der letzte Kreuzzug* – und dem Ort Aqaba am Roten Meer die Haupttouristenattraktion im Süden Jordaniens. Und es ist auch wieder ein Film, der das Wadi Rum weltberühmt machte und jedes Jahr die Heerscharen von Touristen anzieht, die sich vor dem Besucherzentrum im Dörfchen Rum auch an unserem Ankunftstag knubbeln. Sie kommen aus Europa, den USA oder Japan und wollen mit dem Jeep oder dem Fesselballon die Orginalschauplätze besichtigen, an denen der legendäre, mit sieben Oscars preisgekrönte Film „Lawrence of Arabia*“ spielte. Davin Lean drehte ihn 1962 mit Peter O´Toole, Omar Sharif und Anthony Quinn in den Hauptrollen vor der Kulisse des Wadi Rum – und verhalf der Wüste damit zu internationalem Ruhm.

Das große Tal im Wadi Rum
Wo Anthony Quinn zum Angriff auf Aqaba blies – das große Tal im Wadi Rum (Foto: Marion Schwartzkopff)

Auch wir, Fabrissa, Marie, Daniele und Astrid aus Frankreich, Hermann aus Österreich und ich aus Deutschland mussten zugeben, dass wir Reiter den Film nie vergessen konnten, zu eindrucksvoll, zu schön war diese Kulisse gewesen. Wir sechs hatten lange davon geträumt, einmal selber durch diese sandige Ebene zu galoppieren, vorbei an bizarren Felsnadeln und massiven Formationen aus Sandstein, die meterhohen Dünen mit Rössern zu erklimmen.

Und das Wadi Rum ist wirklich ergreifend schön: Vor dem Hintergrund eines strahlend blauen Himmels wechselt der Sand von flammendem Rot bis zu fahlem Gelb, felsiger Untergrund geht über in weiche, meterhohe Dünen. Immer wieder wird die Szenerie grün getupft von harten Büschen und Gräsern oder auch ab und zu von einem einsamen Baum inmitten der Wüste. Und dann diese Felsen! Über 30 Millionen Jahre schliffen Wind und Wetter aus dem weichem Sandstein spektakuläre Gebilde. Die Erosion ließ Felsbrücken, Löcher, Kuppeln und Kegel entstehen, schliff Rundungen und Nasen, Säulen, Höhlen, Krater und Schluchten in das Gestein. Nicht ohne Grund ist das Wadi Rum auch für Kletterer und Trekkingbegeisterte ein Eldorado. Da es sich um ein Naturschutzgebiet handelt, muss man sich einheimischen guides anschließen und sich an ausgewiesene Routen und Strecken halten. 

Mit unseren Pferden entgehen wir dem Ansturm jener Tagestouristen, die nur ein Foto aus dem Jeep von jenem spektakulären Tal schießen möchten, in dem zum  Angriff auf Aqaba gebliesen wurde. Denn unser Abritt ist am nächsten Morgen um 6 Uhr, der hohen Tagestemperaturen wegen. Das bedeutet Aufstehen gegen halb fünf, Pferde füttern, tränken, putzen, satteln, selber Tee trinken und frühstücken. Aber Atallah weiß ohnehin, wann und wo die Jeeps mit den ausländischen Besuchern zu erwarten sind, und während der sieben folgenden Tage werden wir außer einem Kamelreiter niemanden mehr in dem insgesamt 74.000 Hektar großen UNESCO Weltnaturerbe des Wadi Rum zu Gesicht bekommen.

Weite Wüste
Morgenstimmung liegt über dem Lager (Foto: Marion Schwartzkopff)

An diesem ersten wie an den übrigen Tagen reiten wir stets rund 40 Kilometer,  in zwei Etappen. Von 6 Uhr bis 10 oder 11 Uhr, dann kommt eine lange Mittagspause, bis 16:00, der Hitze geschuldet. Danach geht’s nochmals im Licht der nachlassenden und untergehenden Sonne weiter bis zum jeweiligen Zeltplatz und Etappenziel des Tages. Sowohl mittags als auch abends erwarten uns bereits Mohammed, unser Koch und sein Bruder Ibrahim, der beim Versorgen der Pferde, dem Aufbau der Zelte hilft, auch schon mal ein loses Hufeisen festklopft. Mittagsrast ist da, wo Schatten ist: im Schutz roter Schluchten oder der gewaltigen Felsen. Unsere arabischen Pferde wälzen sich erst im Sand, dann dösen sie, an Büschen lose befestigt, von Sattel und Zaum befreit, direkt neben uns. Jeder aus dem Trupp bekommt von Mohammeds Proviant- Zelt- Wasser- und Versorgungswagen ein Tässchen Wasser zum Händewaschen zugeteilt. Die Pferde werden aus den auf dem uralten Jeep vertäuten großen Wassertanks getränkt, bis sie nur noch verächtlich ins kühle Nass schnauben. Das bedeutet, dass sie zuvor schon drei zehn-Liter-Eimer leer gesoffen haben. 

Für uns gibt es den obligaten süßen Minztee und Mineralwasser. Wir haben bis dahin, am Sattel in Taschen verstaut, schon an die drei bis vier Liter Wasser getrunken. Der Ritt ist anstrengend. Nicht nur wegen der unglaublichen Hitze, die spätestens ab 9 Uhr wirklich unerbittlich ist. Und nicht nur, weil fünf Stunden Reiten am Stück ohnehin kein Kinderspiel ist. Nein, vor allem, weil diese Pferde stürmisch voran wollen, die mörderische Glut scheint sie lediglich auf Betriebstemperatur zu bringen. Wir Reiter haben im wahrsten Sinne alle Hände voll zu tun, ihr arabisches Temperament bei den langen Galoppaden im Zaume zu halten. Als wir sechs, allesamt „alte Hasen“, unser grenzenloses Erstaunen über die schier unglaubliche Kondition von „Tiber“, „Shams“, „Aziz“, „Fadwa“, „Ghandil“, „Mabrouka“ und „Sheitan“ äußern, lacht Atallah. „Ach, das ist doch gar nichts für die. Die sieben sind ausgebildete Distanzpferde. Die gehen sonst Rennen über 160 km am Stück. Wisst ihr, wie lange die dafür brauchen? 11 Stunden!!!“ Der Stolz über seine selbstgezogenen Rennpferde blitzt aus den braunen Beduinenaugen. 

Mittags und abends zaubert Mohammed dann Köstlichkeiten in seinen zwei Kochtöpfen auf dem Propangaskocher für uns, und hungrig wie wir immer waren schworen wir einhellig, nie besser bekocht worden zu sein. Wenn wir abends am Etappenziel ankommen, hat Ibrahim die kleinen Einmann-Zelte bereits aufgebaut, Mohammed schmeißt den Kocher an und wir dürfen in der Zwischenzeit duschen. Dazu bekommt jeder eine Plastikkaraffe mit anderthalb Litern Wasser, mit der wir Mädels uns in Felsennischen zurückziehen, um dort die köstlichste Dusche unseres Lebens Abend für Abend zu zelebrieren. Beim Haare waschen helfen wir uns gegenseitig, damit nichts von dem wenigen Nass ungenutzt daneben geht. Anderthalb Liter reichen tatsächlich aus, um Kopf und Körper vom Staub des Tages zu befreien und uns in Entzücken zu versetzen. Wir haben Hunger wie die Wölfe und nicht nur wegen des Sprachgewirrs aus arabisch, englisch, französisch und deutsch geht es beim Essen still zu, wir sind müde – und konzentriert darauf, satt zu werden. Danach geht’s beim Lagerfeuer zum gemütlichen Teil über, es wird erzählt, geradebrecht und Reiterlatein hin-und-her übersetzt.

Rastplatz in der Wüste
Von Zeltplatz zu Zeltplatz – 300 Kilometer durch die schönste Wüste der Welt (Foto: Marion Schwartzkopff)

Hermann hat die Geschichte von Lawrence von Arabien vergessen und ich muss sie ihm noch mal in Kurzfassung ins Gedächtnis rufen: „Thomas Edward Lawrence war Leutnant bei den Engländern. Während des 1. Weltkrieges wurde er damit beauftragt, die Araber zum Aufstand gegen die osmanische Vorherrschaft aufzustacheln. Damit wollten die Engländer, ihren Kriegsgegner Türkei auf der arabischen Halbinsel maßgeblich schwächen. Aufgrund seiner hervorragenden Kenntnisse der arabischen Dialekte und dem engen, von gegenseitigen Respekt getragenen Kontakt zu den arabischen Stämmen wurde Lawrence von Arabien, wie er bald genannt wurde, zur Schlüsselfigur des –vermeintlichen- arabischen Freiheitskampfes. Die arabischen Stämme besiegten mit Lawrence Hilfe die Türken – doch die Freiheit erzielten sie nicht. Arabien wurde nach dem Krieg zwischen den Engländern und den Franzosen aufgeteilt. Viele Abenteuergeschichten ranken sich um ihn, der mit dishdasha, dem arabischen Gewand, und ghutra, dem strahlend weißen Kopftuch bekleidet, den Krummsäbel schwingend, höchstpersönlich die Guerillaangriffe auf die Hedschasbahn ausführte. Seine Lebenserinnerungen „Die sieben Säulen der Weisheit“ wurden zum Bestseller und machten ihn und das Wadi Rum weltbekannt.“ 

Der runnig gag des Lagers aber entstand gleich zu Anfang zwischen Muhammed und mir und brachte mir dann auch den Spitznamen „Schwiegermutter“ ein, der sich hartnäckig bis zum letzten Tag hielt: Ich hatte Muhammed Bilder meiner 16 und 20 jährigen Töchter gezeigt. Muhammed war hin und weg, Feuer und Flamme und fing gleich an, einen Brautpreis mit mir auszuhandeln. Er habe zwar schon eine Frau, aber das sei ja hier, in Jordanien im Allgemeinen und für einen Moslem im Speziellen kein Hinderungsgrund, sich nicht noch eine 20-jährige Zweitfrau zuzulegen… Muhammed flachste natürlich, und unsere Gruppe hatte ihren Spass, als er mir zwei Kamele für die älteste meiner Töchter anbot. Wir kamen aber nicht ins Geschäft, da ich, bei der Schönheit meiner Tochter und auch bei ihrer Klugheit, vor allem aber der Glut ihrer braunen Augen einen Brautpreis von 20 Distanzpferden und einem arabischen Deckhengst für nicht unangemessen hielt. Muhammed war so erstaunt, dass Deutsche so frech feilschen können, dass er mich fortan nur noch „Schwiegermutter“ rief und jeden Abend aufs Neue am Lagerfeuer das Schachern um meine Töchter anfing. Bis zum letzten Tag wurden wir uns nicht handelseinig, obwohl ich ihm zum Spass dann gar beide Schwestern zum absoluten „Freundschaftspreis“ von nur 35 arabischen Vollblütern anbot….!

Hufe im Sand
Der Ritt durchs Wadi Rum, die wohl authentischste Art, diese Wüste zu erkunden (Foto: Marion Schwartzkopff)

Als wir nach sieben Tagen Abschied nehmen mussten, flossen Tränen auf allen Seiten. Ein wunderbares Team, eine Landschaft aus alf layla wa layla – aus 1001 Nacht -, ein Wüstenabenteuer, wie man es sich nicht schöner wünschen kann. Ich habe die Grand Erg Oriental in Tunesien gesehen, war in der marokkanischen Sahara, bin im Sand der ägyptischen Pyramiden geritten, ließ mich von der Rub al Khali im Oman in ihren Bann schlagen, aber die weiten, roten und goldenen Felsentäler des Wadi Rum sind einfach unvergleichlich. Wadi Rum – ich komme wieder! Inshallah!

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