Kristina Janssen im Interview

„Gutes Reiten bedeutet für mich, dass etwas entsteht, das weit mehr ist als ein Mensch, der auf dem Rücken eines Pferdes sitzt.“ Dieser Satz von Kristina Janssen zeigt schon, wie sehr ihr das Wohl ihrer zwei- und vierbeinigen Schüler am Herzen liegt. Seit 2009 arbeitet sie hauptberuflich als Dressurausbilderin und begleitet Pferd und Mensch ganz individuell auf ihrem gemeinsamen Weg. Dabei verlief ihr eigener reiterlicher Weg nicht ganz ohne Probleme.

Obwohl Kristina selbst schon mit acht Jahren im Sattel saß und bereits als Jugendliche zahlreiche Erfolge im Turniersport verzeichnen konnte, kam Sie bei der Ausbildung ihrer Pferde immer wieder an einen Punkt, der sie einfach frustrierte. Bei der Suche nach Antworten und Alternativen führte sie ihr Weg schließlich zu Philippe Karl, bei dem sie die Arbeit an der Hand kennen und schätzen lernte.

Dressurunterricht
Mit fundierter Fachkenntnis und viel Herzblut bei der Sache (Foto: Marie-Christin Zurbrüggen)

Zurück in Deutschland führte sie zwar ihr Studium der Kulturwissenschaften zu Ende, bei dem sie in ihrer Abschlussarbeit dem Thema Kritik im (Reit-)Fachbuch widmete, war aber gleichzeitig auch als Ausbilderin tätig. Mit fundierter Fachkenntnis und viel Herzblut bringt Kristina uns nun die relevanten biomechanischen Zusammenhänge näher und hilft uns den Weg zu finden, der uns genau von unserem aktuellen Startpunkt aus zu unseren Zielen bringt. Dafür veranstaltet sie auch überregionale Dressurlehrgänge und Vorträge.

Wie sehr Kristina dabei auch die ganzheitliche Betrachtungsweise auf unsere Pferde in den Focus stellt, verdeutlicht ihre Aussage: „Wir sind in das Leben der Pferde getreten, nicht umgekehrt. Deswegen ist es unsere Verantwortung, die gemeinsame Zeit (und das Leben der Pferde) so gut und so nah wie möglich an den physischen und psychischen Bedürfnissen des Pferdes zu gestalten.“ Besser kann man es eigentlich nicht ausdrücken. Dies war daher mit ein Grund, Kristina Janssen einige für uns wichtige Fragen zu stellen:

Kristina, Pferde sind wunderbare Geschöpfe, die uns immer wieder aufs Neue faszinieren. Wie bist Du zu den Pferden gekommen?

Pferde haben mich schon ganz früh begeistert. Von den ersten geführten Ausritten über das Voltigieren und den Reitunterricht im Verein führte mein Weg zum Glück schnell zum ersten eigenen Pony. Meine Mutter, die ebenso pferdebegeistert ist wie ich, hat mich dabei immer sehr unterstützt. Da habe ich viel Glück gehabt.

Kristina Janssen
Verantwortung für unsere Pferde übernehmen (Foto: Marie-Christin Zurbrüggen)

Du sagst, dass es unsere Verantwortung ist, die gemeinsame Zeit (und das Leben der Pferde) so gut und so nah wie möglich an den physischen und psychischen Bedürfnissen des Pferdes zu gestalten. Was bedeutet für Dich artgerechte Pferdehaltung?

Eine gute und schwierige Frage: Ich glaube, dass es wichtig ist, individuell zu gucken, was für Bedürfnisse das jeweilige Pferd hat. Ich kenne Pferde, denen es in einem sinnvoll gemachten Offenstall so gut geht wie nie zuvor in ihrem Leben. Aber auch solche, die richtig aufgeblüht sind, nachdem sie nachts wieder in einer eigenen Box geschlafen haben. Tagsüber ist es mir aber sehr wichtig, dass die Pferde eine große Weide zur Verfügung haben und in einem möglichst stabilen Herdenverband leben können. Ein wichtiges Kriterium bei der Stallauswahl ist für mich immer eine reichliche Fütterung mit hochwertigem Raufutter.

Auch im Umgang stellen Pferde besondere Anforderungen an uns. Was ist daher aus Deiner Sicht wichtig dabei?

Spontan aus dem Bauch heraus würde ich sagen, immer weiter an bzw. mit sich selbst zu arbeiten. Das kann die körperliche Beweglichkeit, Fitness und das eigene Körpergefühl betreffen, aber auch die eigene Einstellung, mit allen Herausforderungen, die die Ausbildung eines Pferdes mit sich bringt umzugehen. Ich finde es hilfreich, Probleme als Wachstumschance zu begreifen und nicht als Indikator, was man noch nicht kann.

Kristina Janssen
Es ist wichtig, Probleme als Wachstumschance zu begreifen (Foto: Marie-Christin Zurbrüggen)

Wie im normalen Leben orientieren wir uns häufig auch in der Pferdewelt an Vorbildern oder holen uns zumindest Anregungen. Wer in der Pferdewelt inspiriert Dich am meisten und vor allem weshalb?

Es gibt so viele tolle Ausbilder in der Pferdewelt, die mich in ihren jeweiligen Fachbereichen faszinieren oder durch die Bücher, die sie geschrieben haben. Hier eine kleine Auswahl:

– Eckart Meyners, weil er die Tür zu ganz neuen Wegen in der Arbeit an dem Reitersitz aufgestoßen hat.
– Frédéric Pignon für seine feine Kommunikation mit den Pferden und differenzierte Beobachtung.
– Alfonso Aguilar schätze ich neben seiner tollen Arbeit für seine Warmherzigkeit und wertschätzende Haltung, mit der er den Teilnehmern seiner Kurse begegnet.
– Stefan Stammer bin ich für sein Buch „Das Pferd in positiver Spannung*“ sehr dankbar, weil es hilft, die körperlichen Herausforderungen des Pferdes beim Geritten werden besser zu verstehen.
– Und natürlich die Menschen, mit denen ich arbeiten darf: Unsere gemeinsame Suche nach richtigen Antworten in der Pferdeausbildung, die gemeinsamen Erfahrungen und die entstehenden inneren Bilder, bringen uns alle zusammen weiter.

Es ist etwas unglaublich Schönes, seinen eigenen Weg mit den Pferden gefunden zu haben. Wie würdest Du Deinen Weg und Deine Ziele mit den Pferden beschreiben?

Auf meinem Weg versuche ich herauszufinden, wie die Pferde den Menschen möglichst lang und gesund tragen kann. Dabei geht es mir darum, dass der Mensch seinen Körper und Geist möglichst gut mit dem Pferd „synchronisiert“, wodurch die dressurmäßige Ausbildung immer harmonischer wird. Als Lehrerin geht es mir natürlich auch darum, wie ich die Inhalte Mensch und Pferd möglichst eingängig und gut umsetzbar nahebringe. Und dass alle Beteiligten dabei so viel Spaß wie möglich haben!

Ich freue mich über die „relativen Erfolge“ von Mensch und Pferd. Damit meine ich, dass es wichtig ist, sich bewusst zu sein, wo man gestartet ist, und wo das eigene Ziel ist. Ich benutze diesen Begriff gerne, um zu verdeutlichen, dass es beim Reiten nicht um den Vergleich – egal ob mit dem Boxennachbar oder auf dem Turnier – gehen sollte, sondern darum, was du selbst mit deinem Pferd von deinem individuellen Startpunkt aus hinbekommt. Und wie beim Wandern ist auch beim Reiten der Weg das Ziel. Es geht nicht darum, möglichst schnell anzukommen (beim Reiten sind wir ja eh nie fertig), sondern die Zeit unterwegs möglichst bewusst zu genießen.

Reiten
Beim Reiten ist der Weg das Ziel (Foto: Marie-Christin Zurbrüggen)

Kristina, Aufklärung und Wissensvermittlung in der Pferdewelt ist nach wie vor dringend erforderlich. Wo gibt es aus deiner Sicht als Dressurausbilderin den größten Nachholbedarf?

Ein wichtiger Punkt ist meines Erachtens der Sattel. Ein passender Sattel kann es dem Pferd so viel leichter machen, das Richtige zu tun. Ich finde es schlimm, wie oft mit viel reiterlicher Einwirkung oder der Aussage „er braucht halt so lange bis er locker ist“ gegen die Auswirkungen eines nicht passenden Sattels angeritten wird.

Du hast bereits eine Artikelserie zur Dressur-Ausbildung in der Zeitschrift „Phryso“ und 2015 auch das Buch „An die Hand genommen*“ veröffentlicht. Welche weiteren Pläne hast Du noch für die Zukunft?

Im Moment macht es mir viel Freude, meinen Blog Horsemindset.com weiter zu führen: Die Möglichkeit, themenspezifische Beiträge zu schreiben, aus denen sich meine Leser die Inhalte raussuchen können, die für sie gerade aktuell sind, gibt mir das Gefühl, über den Reitunterricht hinaus helfen und mein Wissen weiter geben zu können. Wenn daraus vielleicht irgendwann ein zweites Buch wird, würde mich das freuen!

Außerdem habe ich angefangen, zusätzlich zu den Fotos in den Beiträgen Zeichnungen zu erstellen, die bestimmte Bewegungsgefühle beim Reiten veranschaulichen. Da kann ich einem lang vernachlässigtes Hobby, dem Zeichnen, nachgehen und dabei Bilder schaffen, die vielleicht dem ein oder anderen Reiter helfen, sich einen bestimmten Zusammenhang besser vorzustellen. Die Zeichnungen sollen auf jeden Fall noch mehr werden.

Piaffe
Kristina Janssen weiß, wovon sie spricht (Foto: Marie-Christin Zurbrüggen)

Welchen Rat möchtest Du zum Schluss anderen Pferdefreunden noch mit auf den Weg geben?

Hört nie auf, Fragen zu stellen und den Antworten wirklich zuzuhören (sowohl denen des Pferdes als auch des Menschen). Und gebt eurem Bauchgefühl immer ein Mitspracherecht!

Vielen Dank Kristina, das Du dir die Zeit für unsere Fragen genommen haben. Wir wünschen dir weiterhin viel Freude bei der Arbeit mit Mensch und Pferd.

Wenn du noch mehr über Kristina Janssen und ihren Weg erfahren möchtest, findest du weiter Informationen auf ihrer Website.

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