Horse Brain – Human Brain von Janet L. Jones

Viele der Probleme zwischen Mensch und Pferd beruhen darauf, dass die Gehirne beider Wesen so unterschiedlich funktionieren. Wenn der Mensch aber weiß, wie das Pferd tickt, kann die Partnerschaft leicht und verständnisvoll sein. Die Kognitionswissenschaftlerin und Pferdetrainerin Janet L. Jones nutzt daher die Erkenntnisse der Neurophysiologie für das Training von Pferd und Reiter. Ihre Erfahrungen hat sie in ihrem Buch Horse Brain – Human Brain zusammengefaßt. Jürgen Grande von Minimal Horsemanship hat sich ausführlich mit diesem Buch auseinandergesetzt und teilt uns hier seine Eindrücke mit:

Wer denkt, in all den Jahrhunderten der Reitliteratur sei doch bestimmt schon längst alles gesagt worden, wird heute immer wieder eines besseren belehrt. Fortschritte in der Wissenschaft und das Durchbrechen alter Denkmuster bringen in letzter Zeit Veröffentlichungen hervor, die nichts weniger sind als Paradigmenwechsel im Umgang mit Pferden. Das Buch von Janet L. Jones gehört meiner Meinung nach dazu.

Foto: Jürgen Grande

Auf den gut 300 Seiten gibt es reichlich Details, deswegen möchte ich hier lieber herausstellen, was die Leser im wesentlichen erwartet und warum Horse Brain – Human Brain Standardlektüre für Pferdeleute sein sollte.

Gleich zu Anfang erfahren wir, was Jones uns im Kern sagen will:

“One thing to do is reject the notion that horses must always bow to human ways of thinking. Of course, you set clear boundaries and firm expectations, but training is much more effective – and more rewarding – when you listen to what your horse is trying to convey. Hollywood sells that romantic myth of horse whispering, but the best trainers don’t whisper – they watch, listen, learn, and think. The horses do the whispering. The human’s job is to rivet attention to their faintest hints. Let’s try to connect with animals at their level, instead of demanding that they constantly adjust to us.“   [p.7/8]

“In shaping equine behavior, we need to know which aspects of the brain can be changed and which must be accepted.“ [p. 17]

(Man sollte die Auffassung verwerfen, dass Pferde sich stets der menschlichen Denkweise unterwerfen müssten. Freilich setzt du klare Grenzen und bestimmte Erwartungen, aber Training ist um vieles wirksamer – und lohnender – wenn du darauf hörst, was dein Pferd dir zu vermitteln versucht. Hollywood verkauft den romantischen Mythos der Pferdeflüsterei, aber die besten Trainer flüstern nicht – sie beobachten, horchen, lernen und denken nach. Es sind die Pferde, die flüstern. Die Aufgabe des Menschen ist es, die Aufmerksamkeit auf deren leiseste Andeutungen zu richten. Wir wollen versuchen, Tieren auf deren Ebene zu begegnen, statt zu verlangen, dass sie sich andauernd nach uns richten sollen.)

(Wenn wir das Verhalten von Pferden prägen, ist es notwendig zu wissen, welche Komponenten des Gehirns formbar sind und mit welchen wir uns abfinden müssen.)

[Übersetzung von mir]

Der letzte Satz betrifft beide Beteiligten, Pferd und Mensch. Und damit unterscheiden sich Jones‘ Betrachtungen von vielen traditionellen Reitlehren, die das Pferd fast ausschließlich als physisches Objekt wahrnehmen, das es künstlich zu gestalten gelte – eine rein mechanistische Auffassung also. Jones setzt dagegen den Schwerpunkt auf den neuesten Stand neurologischer, ethologischer und biomechanischer Erkenntnisse, nämlich wie Pferd und Mensch ihre Umwelt wahrnehmen, wie sie fühlen und denken, welche Schwierigkeiten sich daraus im Umgang miteinander ergeben können und wie diese Probleme überwunden werden.

Wir erfahren hier interessante und zum Teil neue Aspekte zum Thema Sinneswahrnehmung des Pferdes. Ein umfangreiches Kapitel beschäftigt sich mit der Art, wie Pferde lernen und wie wir das mittels guten Trainings umsetzen können. Ein zentraler Punkt wird ausführlich behandelt, nämlich das (sehr eingeschränkte) Abstraktionsvermögen des Pferdes, und warum wir (rationalen) Menschen damit oft nicht angemessen umgehen können.

Horse Brain – Human Brain ist bei aller Wissenschaftlichkeit aber kein steriles oder gar sperriges  Werk, es ist vielmehr beseelt von Empathie und Zuneigung. Wie sagt Jones doch so treffend am Schluss: “Horsemanship is more than knowledge“ (Horsemanship ist mehr als Erkenntnis).

Es gibt inzwischen auch eine deutsche Übersetzung des Buches*, wobei ich hier über deren Qualität keine Aussage treffen kann, da ich die Lektüre in der Originalsprache bevorzuge. Wer ausreichend Englisch kann, sollte zum Original greifen, denn was ich bei englischsprachigen (und besonders bei US-amerikanischen) Autoren schon immer genossen habe, ist deren Fähigkeit, selbst komplexe Sachverhalte sowohl mit Präzision als auch Lockerheit gleichermaßen anzugehen. Im Deutschen klingen Dinge oft irgendwie hölzern, steif und umständlich. Aber das ist wohl Geschmacksache…

Review by Jürgen Grande (Minimal Horsemanship)

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